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Märchenkönig Ludwig II. von Bayern: Aufstieg und Fall eines Sonderlings

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Um keinen bayerischen Monarchen ranken sich so viele Legenden: Ludwig II. war ein aus der Zeit gefallener Märchenkönig, der die Verbindung zur Wirklichkeit verlor. Nach seinem mysteriösen Tod gehen wilde Gerüchte um
Schloss Neuschwanstein: Ein weißes Schloss auf einem Felsvorsprung mit Türmchen, spitzen Dächern, Erkern
Ludwigs größte Leidenschaft ist das Bauen von Schlössern. Doch für seine Projekte verschuldet er sich immer tiefer. Schloss Neuschwanstein hat die Form einer mittelalterlichen Burg, aber im Inneren ist Ludwigs berühmtester Bau mit Telefon, elektrischem Licht und Zentralheizung ausgestattet

© Archivio GBB/Mondadori Portfolio/akg-images

Es darf nicht bleiben, wie es ist. Er erträgt es nicht, wie könnte er? In einer gottgewollten Welt wäre die Macht seine allein, unbestritten, unbegrenzt. Vollkommen, allgewaltig, absolut. Keine Gesetze, die seinen Willen in die Schranken weisen, keine Verfassung, die ihn zwingt zu dulden, dass andere Menschen mitregieren.

"Das Prinzip der Volksautorität, das sich immer mehr ausbildet und mit seinem Gifte alles begeifert, muss ausgerottet werden", schreibt der König. "In einer Monarchie, wie sie sein muss, soll alles wie die Strahlen der Sonne vom Monarchen ausgehen und auf ihn sich zurückbeziehen. Er soll das Haupt, die Seele, mithin der eigentliche Lebensnerv des Staates sein."

Mehr als fünf Jahre sind vergangen, seit er den Thron bestiegen hat. Nun notiert Ludwig II., König von Bayern, im Sommer 1869 seinen Widerwillen gegen die bestehende Ordnung seines Staates. "Sachen, die freilich nicht sogleich, aber durch richtiges Vorgehen und Handeln wieder zu erreichen sind", überschreibt er das Schriftstück.

Märchenkönig: Mit nur 18 Jahren wurde Ludwig II. am 10. März 1864 zum König von Bayern proklamiert. Seine Untertanen setzten große Hoffnungen auf den jungen Monarchen – vergeblich
Mit nur 18 Jahren wurde Ludwig II. am 10. März 1864 zum König von Bayern proklamiert. Seine Untertanen setzten große Hoffnungen auf den jungen Monarchen – vergeblich
© Bayerische Staatsgemaldesammlungen, Munich

Es geht um mehr als Überzeugungen. Das Papier ist eine Absichtserklärung. Ludwig will sein Land zurückführen, abkehren von konstitutioneller Monarchie, Verfassung, Volksvertretung, zurück zum absoluten Königtum früherer Zeiten. Kurz: Der König plant den Staatsstreich. Und in diesem Sommer nimmt seine Idee vom Umsturz ihren Anfang.

Erschienen in GEO Epoche Nr. 92/2018