Die Dreiecksbeziehung Gott, Mensch, Feuer war von jeher konfliktgeladen. Der Legende nach war es Prometheus, der Held der griechischen Mythologie, der das Feuer stibitzte, das Zeus uns eigentlich vorenthalten wollte. Er hielt einen Riesenfenchelstängel weit nach oben und wartete, bis ihn der funkensprühende Sonnenwagen des Helios entzündete.
Der Streich kann als Urknall der Kultur- und Industriegeschichte gelten. Mit Friedrich Schiller gesprochen: „Wohltätig ist des Feuers Macht / wenn sie der Mensch bezähmt, bewacht / und was er bildet, was er schafft / das dankt er dieser Himmelskraft.“ Aber dann: „Wehe, wenn sie losgelassen . . .“ Die Flammen züngelten, brachten Heil und Unheil über die Welt, Schaschlik und Scheiterhaufen, Böller und Bomben.
Zugleich gelang es, das Patent Riesenfenchel auf Hosentaschenformat zu reduzieren. Man schrieb das Jahr 1826, als ein englischer Apotheker aus Versehen das Streichholz erfand. Oder besser: als das Streichholz auf die Welt drängte und Mr. John Walker aus Stockton-on-Tees zum Geburtshelfer erwählte.
Walker rührte in seinem Labor gerne brisante Ingredienzen zusammen. In der denkwürdigen Stunde war am Ende des Stockes, den er benutzte, ein Tropfen einer solchen Mixtur kleben geblieben und angetrocknet. Um ihn abzustreifen, rieb Walker das Holz über den Fußboden. Und siehe – das Gemisch loderte unter Schwefelgestank auf.
Die Zündhölzer legten etliche Scheunen in Schutt und Asche
Sekundenschnell Feuer entfachen zu können, wo immer man geht und steht – so weit hatte nicht einmal Prometheus zu denken gewagt. Und den unbekümmerten Umgang mit dem neuen Himmelskraftentzündungsgerät hätte er sicher abgelehnt.
Als Rezept gegen den üblen Geruch kamen tückische Phosphorverbindungen in Mode. Was im Ergebnis zuerst die beteiligten Arbeiter vergiftete und dann reihenweise Scheunen, Häuser und Kirchen in Schutt und Asche legte, denn die Hölzer gingen bei der geringsten Reibung in Flammen auf; besonders gern, wenn Mäuse und Ratten nachts aus ihren Löchern krochen und an ihnen nagten. Zum Glück erledigte sich das Problem, bevor der Planet zur Gänze abgefackelt war. 1911 kamen Zündhölzer auf den Markt, die in der Regel nicht mehr das gesamte Hab und Gut, sondern nur die Tabakwaren ihrer Besitzer entflammten.
Streichhölzer formen den Eiffelturm, Schlachtschiffe oder Elvis-Büsten
Nun allerdings befindet sich das Streichholz in der Krise – als unschuldiges Opfer der Rauchverbote. Ohne Rauch kein Feuerbedarf und somit Auftragsschwund für Werbezündholz-Schachteln und -Heftchen.
Was tun? Vielleicht ist die Zeit reif, den Weg in eine post-prometheische Epoche zu suchen. Ihn weisen jene Visionäre, die am Zündholz vor allem das Holz schätzen. Der Ukrainer, der aus 7.464 Exemplaren eine Eiffelturm-Skulptur errichtete. Der Hamburger, der aus 300.000 Hölzern das versenkte Schlachtschiff „Bismarck“ in Miniatur auferstehen ließ. Und Michael A. aus Hannover, der das Formel-1- Weltmeister-Mobil von 1999 in Originalgröße nachbaute – 250 Kilogramm schwer, mithilfe von 1.686 Tuben Klebstoff und 956.000 geköpften Streichhölzern. Das dafür notwendige „Fallbeil“ hatte sein Vater entwickelt.
Das Vorbild ist geeignet, nicht nur die Zündholz-Krise zu mildern. Wer Kriegsschiffe aus Hölzchen bastelt, darf als Wegbereiter des Friedens gelten. Wer Zehntausende Stunden lang an einem Null-Liter-Auto werkelt, in dem man gemütlich im Wohnzimmer sitzen kann, rast nicht über Hockenheimringe.
Kleben ist ein universelles Hobby, seit Kindergartenzeiten einstudiert, ungefährlich, förderlich für Geduld und Fingerspitzengefühl. Eifern wir also den Pionieren nach!
Als Lohn winkt die Versöhnung mit Zeus, bereichert durch weltliche Werte. Ein Schotte, der 50.000 Streichhölzer zu einem Elvis-Haupt drapiert hatte, fand einen Käufer, der 18.000 Pfund für den Holzkopf gab.