Neue Serie Ein Bild und seine Geschichte: Willy Brandt mit der Mandoline

Willy Brandt sitzt und spielt Mandoline mit Zigarette im Mund, im Hintergrund ein Sonnenschirm und Menschen an Tischen
Mittagspause in der Nähe des Hermannsdenkmals. Zuvor wanderte Brandt mit Genossinnen und Genossen durch den Teutoburger Wald
© Henning von Borstell / Friedrich-Ebert-Stiftung
Im Sommer 1976 wird Willy Brandt in einem legendären Foto verewigt: Entspannt auf einer Terrasse sitzend, Zigarette im Mundwinkel, Mandoline in der Hand. Bilder wie diese haben Geschichte geschrieben. Wir zeigen solche berühmten Aufnahmen in unserer neuen Serie und erzählen, wie es zu den Momenten kam

Der Sommer 1976 ist einer der heißesten, die Deutschland bis dahin erlebt hat. Und auch das politische Klima ist überhitzt. Es herrscht Wahlkampf in der Bundesrepublik, angesichts von Terror und Inflation streiten die Parteien besonders erbittert miteinander. Doch einen Mann scheint das alles nicht zu berühren. Zumindest sieht er auf diesem Foto so aus – einem Schnappschuss, der zu einem ikonischen Politikerporträt der westdeutschen Geschichte werden wird. 

Willy Brandt, SPD-Vorsitzender und bis vor zwei Jahren noch Bundeskanzler, sitzt auf der Terrasse einer Gastwirtschaft (genauer gesagt des Restaurants „Forstfrieden“ bei Detmold). Es ist der 17. Juli 1976. Die Zigarette hängt Brandt locker im Mundwinkel, sein Blick, melancholisch-verträumt, geht in die Ferne. In den Händen hält er eine Mandoline. Fast meint man, dieses Bild hören zu können: das Rauschen der Bäume, klirrende Gläser, Gesprächsfetzen, ein paar sanft angespielte Akkorde. 

Den Vormittag über ist Brandt mit Genossinnen und Genossen durch den Teutoburger Wald gewandert, jetzt machen sie in der Nähe des Hermannsdenkmals Mittagspause. Eine anwesende SPD-Politikerin hat ihre Mandoline mitgebracht. Brandt nimmt sie in die Hand, ein anderer Begleiter drückt auf den Auslöser. Der Moment ist eingefangen. 

In den nächsten Jahren – und Jahrzehnten – wird dieses Bild nicht nur Sozialdemokraten faszinieren (die Partei lässt das Motiv leicht bearbeitet auf Plakate drucken, die sich zehntausendfach verkaufen). Die Frage ist: Was finden die Leute daran?

Symbolfigur der vermeintlich guten alten Zeit

Auf der einen Seite ist es ein Porträt des Menschen Willy Brandt, eines Charismatikers, der vielen Hoffnung gab und doch selbst immer wieder im Trübsinn versank. Eines Politikers, der Westdeutschland erst modernisierte und dann sein Amt erschöpft räumte. Eines Sozialdemokraten, der Gefühle zeigte. Das Gegenbild zu seinem Nachfolger Helmut Schmidt. 

Im Laufe der Jahre kam noch ein weiterer Aspekt dazu: Der Exkanzler mit Mandoline und Jeanshemd wurde zum Symbol einer vermeintlich guten alten Zeit. Jener Jahre, als sich die alte Bundesrepublik locker machte – und sei es nur für einen flüchtigen Moment.