"Menschenzoos" Brauchen wir einen neuen Blick auf Völkerschauen?

Menschen stehen in einem Gehege an einem Zaun
Zur Schau gestellt: Im Zoologischen Garten in Hamburg treten 1910 Frauen, Männer und Kinder aus der deutschen Kolonie Samoa auf – unter neugierigen Blicken der Besucher
 
©  Süddeutsche Zeitung / ullstein bild
Die Ethnologin Hilke Thode-Arora hat Nachfahren von Völkerschau-Teilnehmenden getroffen. Deren Familienüberlieferungen gewähren einen überraschenden Blick auf die Veranstaltungen

GEO: Frau Dr. Thode-Arora, zwischen 1870 und 1930 fanden in Deutschland weit mehr als 100 Völkerschauen statt, in denen Menschen ferner Länder ausgestellt wurden. Sie haben in Australien, Neuseeland und Samoa mit rund 80 Nachkommen von Völkerschau-Teilnehmenden gesprochen. Welche Erinnerungen gibt es in deren Familienerzählungen an die Samoa-Schauen? 

Dr. Hilke Thode-Arora: Die meisten Familien haben die Völkerschaureisen nach Deutschland derart positiv in Erinnerung, dass ich nach den ersten Gesprächen sehr irritiert war. Zunächst dachte ich, dass meine Gesprächspersonen einfach nur höflich sein und mir gegenüber als deutscher Ethnologin keine traumatischen Familienerinnerungen aus der Kolonialzeit auspacken wollten. Schließlich hatte 1899 das Deutsche Kaiserreich von West-Samoa Besitz ergriffen. 

Aber?

Schnell stellte sich heraus, dass die Nachfahren durchaus auch heute noch sehr emotional über bedrückende Erinnerungen aus der Kolonialzeit sprachen, etwa über Zwangsdeportationen von aufrührerischen Oberhäuptern, die die deutsche Kolonialregierung angeordnet hatte. Die Völkerschauen dagegen sind in Familienerzählungen offensichtlich kaum als negativ überliefert. 

Wie werden die Schauen stattdessen erinnert?