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Psychologie Weniger Fleisch essen? Jetzt erst recht!

Wer vor der Grillparty an die Teilnehmenden appelliert, weniger Fleisch zu essen, muss damit rechnen, das Gegenteil zu erreichen
Wer vor der Grillparty an die Teilnehmenden appelliert, weniger Fleisch zu essen, muss damit rechnen, das Gegenteil zu erreichen
© MIKE RICHTER / Adobe Stock
Viele Menschen reagieren auf emotionale Appelle, ihre Ernährung oder ihren Lebensstil zu ändern, mit einem entgegengesetzten Verhalten. Welche kognitiven Prozesse dabei eine Rolle spielen, haben Forschende jetzt genauer untersucht

"Fleisch essen schadet dem Klima und deiner Gesundheit!" Auch, wenn diese Aussage nicht falsch ist (zumal, was das Klima betrifft): Hilfreich ist sie möglicherweise nicht. Denn wer mit einem solchen Appell konfrontiert wird, kann auch ganz anders als erwartet reagieren. Und noch mehr Fleisch essen. Nach dem Motto: "Jetzt erst recht!" Dasselbe gilt auch für andere Botschaften zum umweltfreundlichen und gesundheitsfördernden Konsum. Ob es nun um den Verzicht auf Salz, Zucker und Fett geht, um mehr Bewegung – oder um die Forderung, mit dem Rauchen aufzuhören.

In der Psychologie ist ein solches Verhalten als Reaktanz bekannt: Der oder die Angesprochene fühlt sich in der persönlichen Freiheit eingeschränkt – im eingangs erwähnten Beispiel: in der Freiheit, zu essen, worauf man eben Lust hat – und reagiert verärgert. Manche ignorieren die Botschaft. Oder verstärken sogar das "unerwünschte" Verhalten.

Dass Aufforderungen, den Tabak- oder Alkoholkonsum zu reduzieren, das genaue Gegenteil bewirken können, wurde in verschiedenen Studien belegt. Doch während die Auswirkungen der Reaktanz gut untersucht sind, weiß man bislang wenig über die zugrundeliegenden kognitiven Prozesse.

Aufmerksamkeit auf unerwünschtes Verhalten erhöht

Forschende der Universitäten Bamberg und Erfurt teilten für eine im Journal of Health Communication veröffentlichte Studie knapp 1000 Proband*innen in mehrere Gruppen ein: Eine Gruppe forderten sie aggressiv und emotional auf, auf den Fleischkonsum der eigenen Gesundheit und der Umwelt zuliebe zu verzichten. Eine andere Gruppe erhielt "neutrale" Informationen zu den Vorzügen eines geringeren Fleischkonsums.

Anschließende Tests ergaben, dass unter den Fleisch essenden Personen diejenigen, die in emotionaler Weise zum Fleischverzicht aufgefordert worden waren, stärker verärgert waren.

Das erscheint erwartbar. Erstaunlicher mutet das Ergebnis eines weiteren Tests an: Die Forschenden legten den Proband*innen so genannte Wortgitter vor, die aus versteckten Wörtern in senkrechten oder horizontalen Reihen bestehen. Die verärgerte Fraktion der Teilnehmenden fand dabei mehr Wörter mit Fleischbezug als die nicht verärgerte, zum Beispiel "Schnitzel" oder "Wurst". Offenbar hatte das Gefühl der Verärgerung die Aufmerksamkeit auf die "brisanten" Begriffe geschärft.

Hinweise für eine effektivere Umwelt- und Gesundheitskommunikation

Die Studie, so Philipp Sprengholz, Gesundheitspsychologe an der Universität Bamberg in einer Pressemitteilung, deute darauf hin, "dass die durch Gesundheitsbotschaften ausgelöste Reaktanz unsere Aufmerksamkeit in Richtung ungesunder Konsumgelegenheiten verschieben kann". Die beabsichtigte Verhaltensänderung könne dadurch erschwert und ungesundes Verhalten möglicherweise sogar verstärkt werden. Zukünftige Kampagnen für einen umweltfreundlichen oder gesundheitsförderlichen Konsum sollten also möglichst wenig Reaktanz auslösen.

Solche Botschaften könnten, so Sprengholz gegenüber GEO.de, beinhalten, dass ein geringerer Fleischkonsum mit einer besseren Darmgesundheit einhergehen,  dass das Ausprobieren neuer – vegetarischer – Gerichte und Zutaten Spaß machen kann. Wichtig sei auch, "darauf hinzuweisen, dass die Entscheidung letztlich bei jeder und jedem selbst liegt, es aber wichtig ist, sich selbst Gedanken darüber zu machen und die Entscheidung aktiv zu treffen".

Schließlich schlägt Sprengholz vor, mehrere "Handlungsvorschläge" anzubieten. Statt eines Totalverzichts könne es für viele attraktiver sein, nur an bestimmten Tagen auf Fleisch zu verzichten. Oder bei bestimmten Gerichten Fleisch durch eine vegetarische Alternative zu ersetzen.

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