Narzissten eilt der Ruf voraus, nachtragend zu sein, wenn sie das Gefühl haben, zu kurz zu kommen. Eine neue Studie legt nun nahe, dass sie sich in sozialen Situationen besonders schnell ausgeschlossen fühlen. Wie die Forschenden der American Psychological Association im "Journal of Personality and Social Psychology" schreiben, neigen Personen mit narzisstischen Tendenzen dazu, uneindeutige Signale ihrer Mitmenschen als Ablehnung zu interpretieren.
Für ihre Studie analysierten die Forschenden Daten aus dem "Sozio-oekonomischen Panel", einer repräsentativen Befragung 22 000 deutscher Haushalte zu ihrer Lebenswirklichkeit. Daraus wählten sie knapp 1600 Personen aus, die vor zehn Jahren Fragen zu Narzissmus und Ausgrenzung beantwortet hatten, und fanden einen statistischen Zusammenhang zwischen beiden Antworten.
Grandiose Narzissten sehnen sich nach der Aufmerksamkeit anderer
Dabei fokussierten sie sich auf grandiose Narzissten. Die verhalten sich häufig dominant und haben oft den Anspruch, dass ihnen mehr zusteht als anderen. Außerdem haben sie ein starkes Verlangen danach, bewundert zu werden, Status und Anerkennung zu erlangen. Es ist die auffälligste Form des Narzissmus.
Um ihr Ergebnis zu überprüfen, luden die Forschenden mehr als 300 Probanden zu einer näheren Verhaltensanalyse ein. Diese absolvierten Tests, um die Ausprägung des Narzissmus festzustellen, und sollten von vergangenen Situationen erzählen, in denen sie sich ausgegrenzt gefühlt hatten. In den darauffolgenden zwei Wochen bekamen sie eine App an die Hand, in der sie jeweils eintrugen, wenn sie glaubten, von anderen ausgeschlossen zu werden.
Beim Bällewerfen offenbart sich die Kränkbarkeit
"Teilnehmer mit höheren Narzissmus-Werten berichteten, dass sie sich im täglichen Leben häufiger ausgeschlossen fühlten", sagt Erstautorin Christiane Büttner von der Universität Basel in einer Pressemitteilung. Das Resultat bestätigt somit das Ergebnis der Panel-Umfrage. Theoretisch ist allerdings denkbar, dass großartige Narzissten aufgrund ihres Auftretens nicht nur gefühlt, sondern tatsächlich von anderen gemieden werden. Um dies auszuschließen, führten die Forschenden Verhaltensexperimente mit insgesamt 2500 Teilnehmern durch – mit überraschendem Ergebnis.
Die Teilnehmer sollten zum Beispiel in einem Computerspiel Bälle werfen. Dabei wurden sie von zwei anderen Spielern entweder einbezogen oder ausgeschlossen. In einem anderen Experiment wurden hypothetische soziale Szenarien vorgestellt und die Männer und Frauen gebeten, zu bewerten, wie ausgegrenzt sie sich fühlten. Dabei offenbarte sich, dass narzisstisch veranlagte Menschen mehrdeutige soziale Interaktionen eher als ausgrenzend wahrnehmen als andere. Zugleich deuteten die Experimente jedoch darauf hin, dass die meisten Menschen ausgeprägte Narzissten tatsächlich meiden.
Narzissten fördern durch ihr Verhalten womöglich die eigene Ausgrenzung
"Manche werden absichtlich ausgegrenzt, während andere einfach glauben, dass sie ausgeschlossen werden, obwohl das nicht der Fall ist," sagt Büttner. Bei Narzissten scheint beides eine Rolle zu spielen. Büttner vermutet gar: "Narzissmus kann zur sozialen Ausgrenzung beitragen, aber auch die Ausgrenzung selbst kann die Entwicklung narzisstischer Züge fördern." Aufgrund ihrer sensiblen Wahrnehmung für Ausschlusssignale reagieren Narzissten womöglich schneller aggressiv, wenn sie sich unbeachtet fühlen, was auf andere befremdlich wirken mag und ihren sozialen Ausschluss fördert.
Auf diesen Zusammenhang hatte bereits eine große neuseeländische Studie mit mehr als 70.000 Probanden hingedeutet: Gefühle der Ausgrenzung hatten noch ein Jahr später Einfluss auf den Narzissmus – und umgekehrt. Ob Narzisst oder nicht: Letztlich führt Ausgrenzung zu Leid, Aggression und Konflikten. Büttner hofft daher, dass die Erkenntnisse in Zukunft helfen könnten, Probleme wie Konflikte am Arbeitsplatz oder soziale Isolation besser anzugehen.