GEO WISSEN: Frau Dr. Kwetkat, während der Corona-Epidemie müssen vor allem ältere Menschen einen schweren Verlauf der Krankheit fürchten. Sind betagte Menschen generell anfälliger für Infektionskrankheiten?
Dr. Anja Kwetkat: Das ist leider der Fall – denn wie der Rest des Körpers altert auch unser Immunsystem. Das wirkt sich in vielerlei Hinsicht aus: so produziert ein älterer Mensch weniger Antikörper, und seine Abwehrzellen verändern sich im Vergleich zu jungen Jahren. Damit reagiert sein Immunsystem weniger effektiv auf eindringende Erreger.
Wann setzt diese Alterung des Immunsystems ein?
Die ersten Veränderungen beginnen schon mit dem Ende der Pubertät. Dann fängt etwa der Thymus an, sich langsam zurückzubilden. Dieses hinter dem Brustbein gelegene Organ ist bedeutsam für die Produktion von T-Zellen – einer Gruppe von weißen Blutzellen, die wichtig für die Abwehrreaktion gegen unbekannte Erreger sind. Das Organ ist schon bei 20-Jährigen deutlich verkleinert, obwohl das Immunsystem dieser jungen Erwachsenen insgesamt meist noch sehr leistungsfähig ist.
Wie stark lassen unsere Abwehrkräfte in den folgenden Jahren nach, und wann macht sich der Verlust für uns deutlich bemerkbar?
Das ist von Mensch zu Mensch sehr unterschiedlich. Wir wissen aber aus Studien, dass der Zustand unseres Immunsystems mit anderen Gesundheitsparametern in wechselseitiger Beziehung steht. Wer sich im Alter noch sehr fit fühlt und körperlich aktiv ist, hat oft im gesamten Körper noch eine gute Organfunktion – und das trifft dann meist auch auf das Immunsystem zu.
Ein fitter 50-Jähriger kann demnach über bessere Abwehrkräfte verfügen als ein weniger gut in Form befindlicher 30-Jähriger?
Das ist möglich. Insbesondere dann, wenn der jüngere Mensch womöglich an einer chronischen Erkrankung leidet oder einen wenig gesundheitsfördernden Lebensstil hat: Wenn er beispielsweise raucht oder zu viel Alkohol trinkt. Manche Menschen wirken ja schon in jungen Jahren wie vorgealtert. Startet ein Mensch mit einem bereits vergleichsweise geschwächten Immunsystem in den Alterungsprozess, wird sich das Nachlassen der Abwehrkräfte entsprechend früh bemerkbar machen.
Oft werden 65 Jahre als jene Altersgrenze genannt, nach der sich das schwächer werdende Immunsystem spürbar auf die Gesundheit auswirkt.
Diese Altersgrenze ist für körperliche Veränderungen nicht besonders aussagekräftig. Für das aktuelle Coronavirus SARS-CoV-2 zeigen die bisherigen Erkenntnisse zwar, dass das Risiko eines schweren oder tödlichen Verlaufs für Menschen ab dem Rentenalter tatsächlich stark erhöht ist. Aber das Robert-Koch-Institut hat schon früh darauf hingewiesen, dass die schweren Verläufe der Krankheit weltweit bereits ab einem Alter von 50 Jahren zunehmen. Für andere Krankheiten, die schon wesentlich besser erforscht sind, gilt Ähnliches.
Können Sie ein Beispiel geben?
Zu den gefährlichsten Infektionen für ältere Menschen zählt die Lungenentzündung, die ja auch bei der Covid-19-Krankheit zu den lebensbedrohlichen Komplikationen gehört. Für diese gut erforschte Infektionskrankheit steigt die Sterblichkeit schon ab einem Alter von 50 Jahren deutlich. Das hört niemand so gern, denn mit 50 Jahren fühlt man sich noch nicht alt. Aber viele haben zu diesem Zeitpunkt schon ein geschwächtes Immunsystem.
Wie macht sich das bemerkbar?
Bei der Lungenentzündung kann etwa eine reduzierte Funktion der Schutzbarrieren im Körperinneren eine Rolle spielen, zum Beispiel in den Atemwegen. Deren Schleimhäute können sich unter anderem mit zunehmendem Alter schlechter regenerieren, so ist etwa der Abtransport von Fremdkörpern durch die Flimmerhärchen verlangsamt. Dadurch steigt das Risiko, dass Krankheitskeime anhaften und in den Körper gelangen. Zudem wird der Hustenstoß weniger effektiv, wenn im Alter Muskelmasse und Muskelkraft abnehmen. Aber auch am Körperäußeren begünstigt die Alterung der Haut das Auftreten von Infektionen: Weil ihre Elastizität mit den Jahren nachlässt, werden wir anfälliger für Verletzun- gen – also für offene Stellen am Körper, durch die Erreger leicht eindringen können. Gleichzeitig lässt die Durchblutung der Haut nach: Auch das schwächt ihre Funktion im Falle einer Verletzung, weil Abwehrzellen nicht mehr so schnell dahin gelangen, wo sie gebraucht werden.
Gibt es weitere Dinge, die sich ändern?
Eine wichtige Außenbarriere unseres Körpers liegt im Magen, wo die Magensäure Erreger in unserem Essen abtötet. Auch deren Produktion lässt mit dem Alter nach. Zudem wird ihre Funktion oft durch den allzu großzügigen Einsatz von Magenschutzmedikamenten verringert, welche die Säurebildung reduzieren. Und natürlich können Erkrankungen unsere äußere Körperabwehr schwächen, auch auf indirektem Weg. Frauen, die an Osteoporose leiden, entwickeln im höheren Alter oft eine vornübergebeugte Körperhaltung. In dieser Stellung ist die Bauchmuskulatur wenig gespannt – was wiederum dazu führt, dass der Hustenstoß zusätzlich geschwächt und dadurch die Reinigung der Atemwege erschwert wird.
Dies ist eine gekürzte Fassung. Das ganze Interview lesen sie in "GEO WISSEN - Das Geheimnis des guten Alterns". Darin erklärt Dr. Anja Kwetkat, was wir tun, um unsere Abwehrkräfte im Alter zu stärken. Hier direkt bestellen.