"Die Debatte darf sich nicht zuspitzen auf die Bevormundung, dass Fleisch einmal die Woche reicht. Für einen Büromenschen auf dem Vegan-Trip vielleicht - für den Bauarbeiter nicht. Wenn der nur einmal die Woche Fleisch kriegt und nur Salat, fällt er am dritten Tag vom Gerüst runter." So sagte es Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger von den Freien Wählern der Bild-Zeitung in einem Interview. Gelächter folgte, gemischt mit Empörung. Gefolgt von Empörung über die Empörung und das Gelächter.
Auch seit sich abzeichnete, dass Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner durchsetzten könnte, dass Bauern ihre Ställe nicht so umbauen müssen, dass Schweine sich ungehindert ausstrecken können, ist der Aufschrei groß. „Schön ist das nicht“, titelt die Zeit, von einem „Schweinekompromiss“ schreibt der Spiegel.
Kann Fleisch essen überhaupt richtig sein?
Die Debatte um die Moral unseres Fleischkonsums ist emotional aufgeladen und spitzt sich immer weiter zu: Während manche Juraprofessoren bereits Haushunde mit Sklaven vergleichen, verteidigen Fußballbosse auf Billigfleisch ausgelegte Massenschlachtungsbetriebe wie den von Clemens Tönnies.
Selten sind diese Debatten konstruktiv, oft dreht sich alles um die ethische Kernfrage: Wie viele Rechte wollen wir Tieren einräumen - und müssen wir Menschen dafür auf den Genuss des Fleischkonsums verzichten?
Nein, verzichten will ich nicht, antwortet dann der durchschnittliche Deutsche. 60 Kilogramm Fleisch isst er jedes Jahr, die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt maximal 30, die EAT Landet Kommission höchstens 15 Kilogramm.
Das wohl sachlichste Argument gegen dieses Ausmaß an Fleischkonsum ist, dass der Mensch sich dadurch selbst schadet - er zerstört das Klima um sich herum, vor allem durch die Mengen an CO2-Emissionen, die entstehen, wenn Tiere gehalten, transportiert und geschlachtet werden.
Eine groß angelegte Studie des Bundesumweltamts hat sich die Umweltauswirkungen von Fleisch und dessen Ersatzprodukten genau angeschaut. Verglichen wurden drei Kategorien - Fleischersatz auf pflanzlicher Basis, also beispielsweise Soja, Weizen oder Erbsen, Fleisch auf Insektenbasis und künstliches In-Vitro-Fleisch - mit dem „echten“ Fleisch, bestehend aus tierischen Zellen.
Ergebnis: Das „echte“ Fleisch ist seinen pflanzlichen Alternativen klimatechnisch weit unterlegen.
Platz eins: Fleischersatz auf Pflanzenbasis
Aus Klimaperspektive betrachtet ist die Fleischproduktion ein großer Umweg, um Menschen mit Kalorien zu versorgen. Wer Pflanzen anbaut, um sie an Tiere zu verfüttern, um diese dann zu schlachten und zu essen, verbraucht logischerweise mehr Ackerfläche, Wasser und Energie als jemand, der Pflanzen anbaut und diese isst.
Die Studie des Bundesumweltamts macht das an einem Beispiel deutlich: Für die Produktion eines Kilos Fleischersatz auf Pflanzenbasis werden 2,8 Kilogramm Treibhausgase ausgestoßen. Für Schweinefleisch liegt der Wert bei 4,1, für Geflügel bei 4,3 und für Rindfleisch sogar bei 30,5 Kilogramm. Außerdem benötigen Bauern bis zu sieben Mal mehr Fläche für Fleischproduktion - bereits jetzt werden laut Fleischatlas weltweit auf 1,5 Milliarden Hektar Pflanzen angebaut, auf 3,5 Milliarden Hektar weiden Tiere.
Platz zwei: Insekten als Fleischersatz
Ein Kilo Fleischersatz auf Insektenbasis schlägt laut Studie mit drei Kilogramm Treibhausgasemissionen zu Buche. Der hohe Proteingehalt von Insekten steht dem von konventionellen Nutztieren in nichts nach, verbraucht aber in seiner Produktion weniger Wasser und weniger Land - bis zu 50 Prozent weniger verglichen mit Hühnerfleisch.
Das Potenzial ist da: In-Vitro-Fleisch
In-Vitro-Fleisch will die Alternative aus echtem Fleisch zu echtem Fleisch sein. Aus tierischem Gewebe werden Stammzellen gewonnen, in einer Nährstofflösung wachsen sie, teilen und vermehren sich. So bilden sich echte Muskelfasern, die auch trainiert werden - mit mechanischen und elektrischen Impulsen. Hinzu kommen gezüchtete Fettzellen, fertig ist der Burger-Patty.
Wie es mit er Ökobilanz des sogenannten In-Vitro-Fleisches aussieht, kann derzeit nur theoretisch errechnet werden - bislang wird es fast ausschließlich zu Forschungszwecken gezüchtet und ist deshalb sehr teuer. Auch leiden derzeit noch Tiere unter der Methode, denn die verwendete Nährlösung besteht aus dem Blut ungeborener Kälber. Forscher experimentieren derzeit daran, alternativ Algensubstanzen zu verwenden.
Die Autoren der Studie des Bundesumweltamtes resümieren: „Diesen ersten Prognosen zufolge könnte In-Vitro-Fleisch beim Wasser- und Landverbrauch besser als konventionell produziertes Fleisch abschneiden, beim Energieverbrauch schlechter.“
Das Fazit: Der Preis muss alles spiegeln
Der Präsident des Bundesumweltamts, Dirk Messner, zieht ein klares Fazit: „Aus Umweltsicht ist es unverzichtbar, den Fleischkonsum zu reduzieren.“ Die Alternativen sind da: Sie sind gesünder für den Menschen, schonender für die Umwelt und lebensnotwendig für die Tiere. Dass sie jedoch wirklich genutzt werden, ist keine ausgemachte Sache. „Solange der Preis der Lebensmittel aber nicht auch die Umweltschäden widerspiegelt, wird das billige Nackensteak noch länger den Vorzug vor einem Sojaschnitzel bekommen. Hier ist die Politik gefragt, diese Rahmenbedingungen zu verändern“, sagt Messner.
Noch ist von diesem Wandel wenig zu merken: Weltweit lag der Marktanteil von Fleischersatzprodukten am Gesamtfleischmarkt 2017 bei 0,5 bis 0,6 Prozent, schätzt die Studie. In Deutschland mache dieser Anteil zumindest etwa 6 Prozent aus.