Zuerst sind es nur zwei gelbe Punkte auf dem Eis, eine Eisbären-Mutter mit ihrem Jungen. Sie kommen zögerlich näher, bleiben stehen und schnuppern, springen über Risse im Eis und setzen sich an die Eiskante. Sie beobachten uns eine Weile, wie unser schweres Schlauchboot schwankend vor ihnen auf den Wellen treibt. Kameras lösen aus, auf diesen Moment hat jeder gewartet. Dann machen sie kehrt und trotten allmählich in ihre Welt aus Eis und Schnee. Der Außenborder dröhnt, wir fahren zurück zur MS Ocean Nova, die im dichten Nebel vor dem Hochstetten-Gletscher liegt, eine zerklüftete Eisküste unter einem trüben Himmel. Elfenbeinmöwen segeln über uns hinweg, es geht ein eisiger Wind, an Deck gibt es Glühwein.
Expeditionskreuzfahrten bieten die beste Möglichkeit, die einzigartige Natur Spitzbergens aus der Nähe kennen zu lernen. Sieben Tage fahren wir mit der MS Ocean Nova um Spitzbergen herum, ein wendiges Kreuzfahrtschiff für rund 80 Passagiere mit verstärktem Rumpf gegen das Treibeis. Jeden Tag steigen wir ein oder zwei Mal in die Schlauchboote und fahren zu verlassenen Stränden, laufen in karge, vom Frost gezeichnete Landschaften mit zersplitterten Felsen und zerrissenen Böden, der Guide geht mit geschultertem Gewehr vorweg. Und kehren danach zurück in komfortable Kabinen.
Der Mensch hat an Spitzbergens Küste vielerorts seine Zeugnisse hinterlassen, Walfänger kamen seit Beginn des 17. Jahrhunderts, in Kupferkesseln haben sie Walspeck abgekocht, wir sehen die Reste ihrer Transiedereien und ihre offenen Gräber. Anderswo stehen windschiefe Hütten, die von früheren Expeditionen von Forschern und Abenteurern übrig geblieben sind. Vor nicht allzu langer Zeit haben Jäger hier ganze Walrossherden abgeschlachtet, ganze Strände sind noch immer mit Knochen übersät. Doch auf der kleinen Insel Lågøya, im Norden des Archipels, lassen uns die Tiere nah heran kommen, zimtbraune Körper, die dicht gedrängt auf dem Strand liegen, rülpsen, schnauben, glucksen.
Im kurzen Sommer sind in den Gewässern um Spitzbergen so viele Touristenschiffe unterwegs, dass sie sich untereinander abstimmen müssen, damit es kein Gedränge an den beliebtesten Orten gibt. Am Alkefjellet, einer schroffe Klippe am Westufer der Hinlopenstraße, wo an die 200.000 Dickschnabellummen brüten, haben wir einen "Slot" um halb elf reserviert, die Schlauchboote eines russischen Kreuzfahrtschiffes verschwinden gerade im Nebel, als wir uns dem Spektakel nähern. Wir kreuzen vor der Klippe, die schwarzweißen Vögel sitzen eng gedrängt auf winzigen Felsbalkonen, brüten auf nacktem Stein, der Himmel gleicht der Einflugschneise vor einem Bienenstock. Unten am Kiesstrand streifen zwei Polarfüchse umher.
Ab 2015 gilt das Schwerölverbot
Kreuzfahrt-Tourismus hat eine lange Tradition in Spitzbergen. Seit Ende des 19. Jahrhunderts kommen Touristenschiffe her und bringen zahlende Gäste zu den schönsten Orten oder den Schauplätzen früherer Expeditionen. Die Zahl der Schiffstouristen nahm stetig zu, Anfang der neunziger Jahre waren es jährlich noch etwa 15.000, 2011 kamen 24.000 Passagiere, im letzten Jahr 42.000 – so viele, wie nie zuvor. "Der Hauptgrund für den dramatischen Anstieg sind Ankünfte weniger sehr großer Kreuzfahrtschiffe", sagt Ilja Leo Lang von der Association of Arctic Expedition Cruise Operators (AECO), einem Zusammenschluss von Expeditionskreuzfahrt-Anbietern. In der letzten Saison liefen 35 Expeditions-Kreuzfahrtschiffe Spitzbergen an, wie die Ocean Nova, die mit Schlauchbooten ihre Passagiere nahezu überall anlanden und daher andere Routen fahren können. Dazu kamen insgesamt 28 konventionelle Kreuzfahrtschiffe, im letzten Jahr etwa die Queen Elizabeth, die für rund 2.000 Passagiere ausgelegt ist. "Die kommen meist für wenige Tage nach Spitzbergen und laufen nur Longyearbyen, Ny Ålesund oder den Magdalenefjorden an."
Viele dieser großen Schiffe fahren mit Schweröl, das ab 2015 in Spitzbergen verboten sein wird. Was vorher bereits für bestimmte Nationalparks galt, wird dann auf den gesamten Archipel ausgeweitet – mit Ausnahme einer Versorgungstrasse durch den Isfjorden zur Hauptstadt Longyearbyen und zu der russischen Bergarbeitersiedlung Barentsburg. Die norwegische Regierung will so die sensible arktische Umwelt besser schützen. "Schweröl ist erheblich billiger, aber wenn ein Unfall passiert, ist es viel schwieriger zu beseitigen, als Diesel-Kraftstoffe", sagt Lang, dessen Verband seinen Mitglieder schon seit der Gründung 2003 verbietet, in Polarregionen mit Schweröl zu fahren. Seit Anfang des Jahres gilt in Spitzbergen zudem eine Lotsenpflicht für große Schiffe, die 2014 auch auf kleinere ausgedehnt werden soll, um Schiffsunfälle und Ölkatastrophen in den schwierigen Gewässern vorzubeugen.
Für große Schiffe wird sich eine kurze Stippvisite in Spitzbergen dann kaum noch lohnen, zumal es auch verboten ist, Schweröl für die lange Rückreise in den Tanks mitzuführen. "In der Antarktis hat das Verbot von Schweröl vor zwei Jahren bereits zu einem Rückgang der Besuche großer Kreuzfahrtschiffe geführt", sagt Lang. Vermutlich wird es künftig also wieder ruhiger werden um Spitzbergen.
Spitzbergen ökologisch entdecken
Polarkreuzfahrten bietet im Sommer mehrtägige Expeditionskreuzfahrten nach Spitzbergen mit der Diesel betriebenen MS Quest: www.polar-kreuzfahrten.de
Mit Atmosfair kann man die Emissionen einer Arktis-Kreuzfahrt durch eine Investition in Klimaschutzprojekte kompensieren: www.atmosfair.de