Ich zähle fünf verschiedene Blautöne an diesem Morgen. Als die letzte Wolke kurze Zeit später die Sonne freigibt, sehe ich nur noch Türkis und Tiefblau. Die Ebbe setzt ein, und langsam erobern gleißend weiße Sandbänke die Meeresoberfläche, Fischer schöpfen Wasser aus ihrem Boot und vertreiben sich die Arbeit mit Gesang, am Strand befindet sich sonst kaum eine Menschenseele. In der Ferne zeichnen sich drei der insgesamt fünf Inseln des Bazaruto-Archipels ab. Die Inselgruppe zählt zum 1400 Quadratkilometer großen Bazaruto-Nationalpark vor der Küste Mosambiks, einem der größten Meeresschutzgebiete in Afrika.
Zwischen paradiesischen Stränden und in perfekten Konditionen leben hier Wale, seltene Schildkrötenarten, Delfine, sowie mindestens 150 Exemplare der vom Aussterben bedrohten Dugongs. Unbeschädigte Korallenriffe bilden Rückzugsorte für diverse Fischarten, wie Dories, Falterfische oder Makrelen, und sorgen für ein intaktes Ökosystem.
Der Bazaruto-Archipel zählt zwar zu den Hauptattraktionen im Land, doch seit dem Ende des blutigen Bürgerkrieges 1992 kommen nur wenige Touristen nach Mosambik. Zu groß ist die Angst der meisten Reisenden, in einen der immer wieder aufflammenden Konflikte zu geraten. Lediglich wenn die Nachbarn aus Südafrika Sommerferien haben, erwacht der Küstenstreifen zwischen Maputo und Vilanculos kurz zum Leben. Und so ist es fast verwunderlich, dass fernab der südafrikanischen Ferien sich noch acht weitere Menschen am Strand von Vilanculos einfinden, um auf einem traditionellen Segelboot den Nationalpark zu durchkreuzen. Die Dhow ist zusammengezimmert aus Treibgut und Schiffholz, übertüncht mit orangener Farbe, das Segel besteht aus großen Flicken in Khakigrün. "Adriana" heißt sie und dümpelt noch etwas verlassen vor sich hin. Proviant, Gepäck und Schnorchel-Ausrüstung verladen wir zusammen mit den Skippern Matteus und Miguel.
Schnorchel- und Tauchertipp
Es ist windstill an diesem Morgen, und so geht es per Motorkraft dem offenen Ozean entgegen. Auf den rudimentären Bänken unter dem Sonnensegel wird es nach anfänglicher Stille langsam lauter. Besonders die beiden Damen aus Irland sorgen für Stimmung, während der Rest der Besatzung sich noch etwas verschlafen der Aussicht hingibt. Die Wolken spiegeln sich in der glatten Wasseroberfläche, schnatternd zieht eine Gruppe Pelikane über uns hinweg und in einer geschützten Bucht steigen immer wieder Delfine aus dem Wasser empor, um dann wieder in die Tiefe des Ozeans einzutauchen. Genau diese Idylle ist es, die nicht nur die Touristen hier suchen, sondern auch die Mosambikaner selbst. Seit 1971 gibt es den Nationalpark. Zwischen 1976 und 1992 versank das Land im Sumpf eines brutalen Bürgerkrieges, der auch vor den restlichen Schutzgebieten auf dem Festland keinen Halt machte – Elefanten, Löwen und Nashörner wurden gewildert oder fielen den Landminen zum Opfer. Die abgeschiedene Lage hat den Bürgerkrieg am Bazaruto-Archipel anscheinend vorbeiziehen lassen. Hier lässt sich neben einer atemraubenden Tier-Vielfalt auch der Frieden finden, nach dem die kriegsmüden Einheimischen noch immer zu streben scheinen. Wer es sich leisten kann, kommt mindestens einmal im Leben hierher.
Eine große Sanddüne mitten im Meer definiert die Hauptinsel Bazaruto. Geformt vom Sabi River, der hier einst ins Meer mündete. Der Fluss hinterließ nicht nur die aufgetürmten Sandberge, sondern auch Süßwasser-Seen und grünes Hinterland. Unser erstes Ziel heißt jedoch Two Mile Reef, das sich hinter der Meerenge zwischen Bazaruto und Benguerra Island erschließt. Das Riff ist vom Boot aus kaum zu erkennen. Lediglich das plötzlich unruhige Meer lässt auf einen Widerstand unter Wasser schließen. Von den stürmischen Gezeiten jenseits des Riffs bekommen wir allerdings nichts mit. Zwischen den Inseln des Archipels ist das Wasser ruhig und klar. Bis zu 40 Meter Sicht sind unter Wasser möglich, was das Revier auch bei Tauchern zum Geheimtipp macht. Die Nationalpark-Ranger patrouillieren in Uniform auf einem Speedboot, fahren von Gruppe zu Gruppe und sammeln den Eintritt ein. Doch viel haben sie nicht zu tun, lediglich drei andere Dhows haben neben uns ihren Anker geworfen. Mit Schnorchel, Brille und Flossen springen wir ins Wasser.
Keine drei Atemzüge vom Boot entfernt, beginnt die schillernde Unterwasserwelt, für die der Archipel bis über die Landesgrenzen bekannt ist. Riesige Korallengebilde erheben sich vom Meeresgrund, einige sehen aus wie überdimensionale Pilze, andere wie verwunschene Wälder. Dazwischen flitzen Meeresbewohner in Regenbogenfarben, erschrecken sich Kugelfische und räumen eifrige Krebse den Meeresboden auf. Wir gleiten an der Oberfläche über das geschäftige Unterwassertreiben hinweg, hören neben unserem eigenen Atem das Knistern, das die Korallen knabbernden Fische hervorrufen und die dumpfen Stimmen von Matteus und Miguel, die sich auf dem Boot unterhalten. Erfahrene Schnorchler schwimmen zu der Stelle, an der das Riff dem offenen Meer einen Weg in die Meerenge gewährt. Hier haben sie die Chance, Riff-Haien, Barrakudas oder Schwertfischen zu begegnen. Wir für unseren Teil bevorzugen die kleinen Fischschulen und den Schutz des Riffes.
Armes Paradies
Zurück an Bord riecht es bereits nach Essen. Matteus beäugt den großen Topf über der offenen Feuerstelle an Bord, aus dem hier und da Krebsarme lugen. So gemächlich, wie wir angekommen sind, geht es zurück durch die Meerenge, doch dieses Mal steuern wir auf die große Düne der Insel Bazaruto zu. Sie ist mit einer Länge von 35 Kilometern und einer Breite von rund sieben Kilometern die größte und gleichzeitig Hauptinsel des Archipels.
In der weitläufigen Bucht im Westen der Insel, auf die wir zusteuern, verkehrt lediglich eine Großfamilie mit ihrer Dhow. Die Kinder werden in die Kunst des Fischens eingeführt. Sie staunen ähnlich wie wir, als ihr Vater mit einem gekonnten Griff einen Oktopus aus dem Wasser zieht. Wir legen an, erkunden die Düne, haben das Gefühl, mitten in der Wüste zu stehen, wäre da nicht der offene Blick auf das von Sandbänken durchzogene Meer auf der einen Seite und das grüne Inselherz, in dem kreisrund die Bambusdörfer der lokalen Fischerfamilien zu erkennen sind, auf der anderen. Unter unseren Füßen knirscht der feine Sand wie Neuschnee, ein leichter Wind weht vom offenen Meer über die Düne und macht die Mittagshitze erträglich. Die Kinder vom Boot kommen uns auf ihrem Weg nach Hause entgegen und präsentieren stolz ihre Fänge: schillernde Fische, penibel auf eine Schur gezogen.
Insgesamt leben rund 3500 Menschen auf den fünf Inseln. Auch wenn sie augenscheinlich im Paradies wohnen, zählen sie zu den Ärmsten im Land. Einzige Einkünfte sind die paar Meticais, die sie mit ihrer Fischerei erwirtschaften. Im Gegensatz dazu stehen die fünf exklusiven Lodges des Archipels. Gut betuchte Touristen lassen sich teilweise mit Kleinflugzeugen aus Maputo einfliegen, um ein paar Tage in der Abgeschiedenheit zu verbringen. Von der Düne aus können wir die opulenten Liegen an den privaten Stränden der Lodges sehen, aber auch sie sind leer.
Für Besucher wie uns ist es ein Traum, den Archipel kaum mit jemandem teilen zu müssen. Die Krebse aus Matteus Topf genießen wir in einer einsamen Bucht und auch auf dem Weg zu unserem Camp begegnen wir lediglich ein paar Fischerbooten. Für die Menschen in Vilanculos und dem Archipel hingegen ist jeder Tag, an dem keine Besucher vorbeikommen, ein Kampf ums wirtschaftliche Überleben. Jedes dritte touristische Unternehmen musste allein seit Anfang der weltweiten Finanzkrise 2008 die Segel streichen. In bester Lage am Strand von Vilanculos stehen verlassene Bars und Campingplätze, Souvenirläden sucht man vergebens. Auch von der Regierung ist keine finanzielle Unterstützung in Sicht. Die interessiert sich momentan mehr für die Erschließung der neu entdeckten Ölfelder an der Nordküste des Landes.
Unser Camp erreichen wir in der Abenddämmerung. Es liegt zehn Kilometer außerhalb von Vilanculos auf dem Festland. Geschützt von Palmenhainen, verteilen sich die Zelte im feinen Sandstrand. Als die Sonne untergeht und sich der klare afrikanische Sternenhimmel über uns entfaltet, verstummen sogar die beiden irischen Damen. Die Milchstraße leuchtet, das Kreuz des Südens ist klar zu erkennen und der mächtige Vollmond erhebt sich in einem feurigen Orange am Horizont. Für einen Moment sagt niemand etwas, lediglich das Rascheln der Palmenblätter und das Meeresrauschen ist zu hören. Es ist der perfekte Ausklang eines perfekten Tages im Paradies. Einem Paradies, das wir noch weitere zwei Tage erkunden dürfen. Einem Paradies, dem zu wünschen bleibt, dass es noch mehr Menschen entdecken werden.
Anreise
Vilanculos liegt knapp 720 Kilometer nördlich von Maputo und ist am bequemsten per Flugzeug zu erreichen. Die staatliche Airline LAM fliegt täglich mehrmals ab Maputo, South African Airways verbindet Johannesburg und Vilanculos. Mit dem Auto sollte man sowohl von Johannesburg, als auch von Maputo kommend zwei Fahrtage einplanen, denn die Hauptstraße EN1 ist die einzige entlang der Küste und stets hochfrequentiert. Reisetipp: Von Maputo nach Inhambane/Tofo fahren, dort ein paar Tage am Strand verbringen, und dann die Reise nach Vilanculos fortsetzen.
Übernachten
Auf den Inseln des Archipels gibt es fünf luxuriöse Lodges, die zusammen mit dem WWF daran arbeiten, dass das Ökosystem des Archipels nicht unter dem Tourismus leidet und die lokale Bevölkerung in Form von Arbeitsplätzen wirtschaftlich profitiert.
Übernachtungsmöglichkeiten für jeden Geldbeutel gibt es hingegen in Vilanculos. Direkt in erster Reihe zum Strand liegen diverse preiswerte, aber gute Unterkünfte, wie das
Zombie Cucumber, die Palmereis Lodge oder das Boabab Beach Backpackers. Etwas weiter gen Hafen erschließen sich dann mit den Hotels Dona Ana und Casa Rex gehobenere Unterkünfte.
Dhow Safaris
Es gibt in Vilanculos einige Dhow-Safari-Anbieter, jedoch wird nur einer vor Ort uneingeschränkt empfohlen: Sailaway Dhow Safaris. Es werden Tagestouren und mehrtägige Ausflüge in den Bazaruto-Nationalpark angeboten.