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Ankommen auf Menorca
Ich fange mit den Steinen an, weil sie sofort ins Auge fallen, obwohl sie eine Sache am Rande sind. Genau gesagt, an den Rändern der Wege und Straßen. Sperrige, lose Feldsteine, kunstvoll ohne Mörtel aufgetürmt, bilden mannshohe Mauern. Wie ein Spinnennetz überziehen diese Parets Seques die Insel – auf einer Länge von 15 000 Kilometern, wie die Menorquiner stolz berichten. Wer, wie ich, Mallorcas kleine Schwester abseits der Strände entdecken will, muss sich also auf Zehenspitzen stellen und über Steinwälle lugen. Hinter ihnen grasen schwarz-weiße Kühe, tummeln sich pechschwarze Pferde, wogen im Frühjahr Kornfelder, reift im Sommer Wein, schlägt das Herz Menorcas. Es ist das einer natürlichen Mittelmeerschönheit, die sich mit einer Kette kristallklarer Buchten schmückt und viel mehr als eine Badeinsel ist (www.menorca.es).
Das mit den Steinen hat Tradition: Rund 2000 v. Chr. bauten die ersten Siedler kegelförmige Türme, Talaiots genannt, und errichteten gewaltige Taules, Stelen in T-Form, die vermutlich als Kultstätten dienten. Zu besichtigen sind sie an mehr als 1500 Fundorten, die auf Anerkennung als UNESCO-Weltkulturerbe hoffen (www.menorcatalayotica.info). Weil die Menorquiner als republikanische Bastion Spaniens dem faschistischen Diktator Franco sprichwörtlich Steine zwischen die Beine warfen, soll er sie mit Investitionsentzug bestraft haben – was hässliche Bettenburgen an den Küsten weitgehend verhinderte und sich im Nachhinein als Gewinn erweist. Landwirtschaft, Natur und Tourismus harmonieren im Großen und Ganzen, Menorca feiert dieses Jahr sein 25. Jubiläum als UNESCO-Biosphärenreservat.
Was Sie sich auf Menorca ansehen sollten
Wie zwei Diven im Dauerstreit um den Titel der Schönheitskönigin gehen die Städte Maó und Ciutadella am östlichen und westlichen Zipfel auf Distanz. Pluspunkte sammelt Ciutadella mit seiner verwinkelten Altstadt, bis ins 18. Jahrhundert die Hauptstadt. An die hoch über dem Hafen liegende Plaça des Born schließen sich Adelspaläste wie Can Salort oder Cas Comte de Torre-Saura an, die mit ihren herrschaftlichen Loggien
an die Glanzzeiten erinnern. Kirche, Adel, Handwerk und Bauern spielen noch heute bei den historischen Festes de San Joan (23. und 24.6.2018) eine Rolle: Als Vertreter der Stände ziehen gut 100 Reiter auf rassigen schwarzen Menorquinern durch die mit Sand bestreuten Gassen, um den Jaleo zu feiern, den Tanz von Mensch und Tier. Die Kapelle spielt immer dasselbe Lied, Pferde steigen zu Levaden auf, Männer greifen an die Vorderläufe, die Menge jubelt. Pomada, ein Mix aus Zitronensaft, Eis und Gin, fließt in Strömen – mit diesem rauschhaften Fest ist Ciutadella eindeutig meine Favoritin. Britischer geprägt ist die Hauptstadt Maó, allein durch die bow windows, die Erkerfenster, die in den Jahren der britischen Herrschaft bis 1802 entstanden. Einen lohnenden Einblick in das Menorca des 18., 19. und 20. Jahrhunderts verschafft mir die Col·lecció Hernández Sanz - Hernández Mora, die in der Altstadt im luxuriösen Patrizierhaus Can Oliver präsentiert wird (http://canoliver.menorca.es). Spannend ist der Mix aus Kunst, damaligem Lifestyle und historischen Dokumenten. Erheiternd sind die Beispiele britischen Spracheinflusses: Aus dem shoemaker wurde im Menorquinischen ein xumaquer, aus der bottle die bótil, Beeindruckend ist der Panoramablick vom Dachturm des Museums über die Stadt und den größten Naturhafen des Mittelmeers. Auch wenn es sehr touristisch ist: Eine Hafenrundfahrt entlang der Lazarett-Insel und der gewaltigen spanischen Festung La Mola, die unter Franco als Gefängnis genutzt wurde, ist ein Muss (Abfahrt am Moll de Llevant, www.yellowcatamarans.com).

Die besten Restaurants und Bars auf Menorca
Das Käseglück wartet am Ende einer langen kurvigen Schotterpiste im Son Mercer de Baix, einem Bauernhof nahe des Orts Ferreries. Magdalena Bagur Bosch begrüßt mich: »Schön, dass Sie uns gefunden haben.« War zwar nicht einfach, hat sich aber gelohnt: In der Käserei werden quaderförmige, mit Tüchern bedeckte Mahón-Käselaiber mit der Hand gepresst. Ich probiere den mittelalten noch milden semicurado, den wunderbar würzigen, ausgereiften curado und den sehr pikanten, fast schon bröckeligen añejo, der mehr als ein Jahr lagerte (Zufahrt an der Straße von Ferreries nach Es Migjorn nach 1,5 km, www.sonmercerdebaix.com).
Zum Käse würde gut der rote Merluzo passen, den Luis Anglés im Familienweingut Binifadet anbaut. Auf der Bodega-Terrasse mit weitem Blick auf die Weinberge harmoniert er aber auch mit köstlichen berenjenas a la menorquina, mit gehacktem Schmorfleisch und Gemüse gefüllten Auberginen (Camí de ses Barraques nahe Sant Lluis, www.binifadet.com). Eine menorquinische Art von Fast Food genieße ich auf dem Fischmarkt von Ciutadella (Plaça Llibertat): Kauft man dort einen Fisch, bereitet ihn nebenan das Restaurant S’Aguait sofort zu, die kleineren Exemplare für drei Euro, die größeren für vier Euro. Die schönsten süßen Backwaren häufen sich im Ort Es Mercadal: Für die luftigen amargos oder die knusprigen carquinyols, typische Mandelplätzchen, stehe ich vor der Konditorei Cas Sucrer Schlange (Plaça Constitució 11, www.cassucrermenorca.com). Schließlich probiere ich menorquinischen Gin – vor blubbernden Kupferdestilliergeräten bei Xoriguer am Hafen von Maó. Der Gin Xoriguer schmeckt etwas samtiger, ähnlich dem holländischen Genever, der Gin Beltrán nähert sich dem britischen Gin (Moll de Ponent 91, www.xoriguer.es).

Ausgewählte Unterkünfte auf Menorca
In einer Reihe von Altstadthäusern in Ciutadella liegt fast versteckt das 971 Hotel. Auf kleinstem Raum schuf die Designerin Chiara Fabiani in sechs Zimmern eine freundliche mediterrane Atmosphäre mit klarem, modernem Stil (Sant Sebastià 10, www.971menorca.com, DZ ab 45 €). Das Petit Maó in der Altstadt, in einem Haus aus dem 18. Jahrhundert und mit Kunstgalerien in der Nachbarschaft, bietet sechs individuell gestaltete Zimmer (Infanta 17, www.hotelpetitmao.com, DZ ab 85 €). Das Landgut Llucmaçanes Gran garantiert erholsame Ruhe – wenn nicht gerade der Hahn kräht. Das Frühstück ist kräftig; wer will, bedient sich bei Kartoffeln, Tomaten und Gemüse aus dem Garten (Llucmaçanes, Es Plà Sant Gaietá, www.llucmagran.com, DZ ab 70 €). Die schmale Straße dorthin ist von Steinwällen gesäumt, ich schaue neugierig hinüber und verstehe, warum der niederländische Schriftsteller Cees Nooteboom, der nahezu die ganze Welt bereiste, irgendwo hier sein Paradies fand.