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Ostsee-Perle Tipps für einen Besuch in Wismar

In der Hansestadt an der Ostsee gibt’s viel Neues an bildschönen Fassaden zu entdecken. Wir haben die besten Tipps für Wismar
Ostsee-Perle: Die Giebel-Häuser der Altstadt reichen bis an den Alten Hafen
Die Giebel-Häuser der Altstadt reichen bis an den Alten Hafen
© mauritius images / Torsten Krüger

Einstimmen

Ein ganz schön gefährliches Pflaster, dieses Wismar. Weniger wegen der buckligen Steine auf dem großen Marktplatz. Auch nicht wegen der holprigen mittelalterlichen Gassen, die jeden Erkundungsgang zum Balanceakt machen. Risikoreicher sind die Giebel und Türme. Man durchstreift die Hansestadt wie Hans Guck-in-die-Luft. Bestaunt gotische Backsteingiebel, weiß getünchte spätgotische Staffelgiebel, Zinnen mit bunt glasierten Backsteinen, weiß-blaue Reliefs, die wie Comics aus der Renaissance Geschichten erzählen. Da kann es passieren, dass der Besucher kein Auge für die im Weg stehende Laterne oder einen eiligen Fußgänger hat. Einheimische kennen das Problem der nach oben schauenden Gäste, quasi als Nebenwirkung des Unesco-Welterbes, zu dem die historische Altstadt seit 2002 zählt.

Überblick

Stolperfrei lässt sich der nahezu unveränderte mittelalterliche Stadtgrundriss vom Turm der St.-Georgen- Kirche aus überblicken (St.-Georgen-Kirchhof). Steinreich war die Stadt zur Zeit der Hanse ab dem 13. Jahrhundert, allein für St. Georgen wurden über fünf Millionen Backsteine verbaut. Während die Kirche heute vorwiegend als Konzertsaal und Kunstgalerie dient, versammelt St. Nikolai die zweithöchste Backsteinbasilika der Welt, sakrale Schätze der Wismarer Kirchen (St.-Nikolai-Kirchhof). Sehr irdisch geht es oft rund um die langgestreckte Heiligen-Geist-Kirche (Lübsche Str. 31) zu. Beeindruckend im Inneren: die niedrige Balkendecke voller barocker Malereien. Das Heiligen-Geisthospital hilft bei der ZDF-Vorabendserie "Soko Wismar" als TV-Polizeirevier aus.

Einblick

Wer giebelfest werden will, sollte das Welterbe-Haus mit der 700-jährigen Geschichte besuchen. Das Prinzip der mittelalterlichen Bürgerhäuser: Die Fassaden am Vorderhaus signalisierten Reichtum und Einfluss, die Dielen im Erdgeschoss wurden für Handel und Gewerbe genutzt. Hinter den aufwändigen Giebeln mit den kleinen Fenstern verbargen sich Lagerräume, in den meist in Fachwerk gebauten zweigeschossigen Seitenflügeln zum Hof hin, den Kemladen, lagen die Wohnräume. Die bewohnte im 19. Jahrhundert übrigens die Bürgermeister-Dynastie der Lembkes (Lübsche Str. 23). Mit geballter Giebelpracht protzt die Scheuerstraße, das Haus Nr. 15 mit seinem Spitzbogenportal wurde im 14. Jahrhundert errichtet. Blicke durch Toreinfahrten lohnen sich: Oft entdeckt man in Hinterhöfen noch die Reste alter Kemladen und wundert sich, wie es in der Altstadt grünt, während auf den engen Straßen Bäume rar sind.

Ostsee-Perle: Der historische Marktplatz bildet das Herz von Wismar
Der historische Marktplatz bildet das Herz von Wismar
© mauritius images / Westend61 / Mel Stuart

Ausblick

Wie lebt es sich im Welterbe? "Gut, überhaupt nicht museal. Hier kann hinter jedem Busch noch ein Lebenskünstler hocken", sagt Petra Lubiger, die aus Bonn stammt und in ihrem verwinkelten Brausekontor neben erfrischender Fassbrause auch kitschigschöne Küchen- und Wohnutensilien der Dreißiger- und Fünfzigerjahre verkauft (Schweinsbrücke 2 A). Kreative beleben die alte Stadt mit Ideen. Lilja und Christoph Walker entwerfen und bauen in einem ehemaligen Ladenlokal Möbel nach Maß, "weil viele historische Häuser ja keine rechten Winkel haben". Verkaufshit sind Kommoden mit Schubladen aus Weinkisten (Bademutterstr. 4, www.liljawalker.de). Eine stillgelegte Schlecker-Filiale funktionierte Kristine Hamann zu einer Galerie um, in der junge Künstler Bilder, Objekte und Fotografien zeigen (Schweinsbrücke 11, www.kristine-hamann.de). Nebenan liegt das Café Glücklich, dessen Mandelecken oder Apfel-Vanille-Torten tatsächlich sehr froh machen. Schließlich backt sie Katharina Glücklich (Schweinsbrücke 7).

Essen & Trinken

Zur Rast während des Gotik-Galopps kann man im Café Alte Löwenapotheke einkehren und Zitronen-Baiser-Tarte essen (Bademutterstr. 2, www.alte-loewenapotheke.de). Versteckt unter einem Neubau liegen die Gewölbe aus dem 17. Jahrhundert, in denen Kellermeister Dietmar Strietzel in der nördlichsten Sektkellerei Deutschlands, in der Hanse Sektkellerei, Pfälzer Riesling im traditionellen Flaschengärverfahren veredelt, zum Beispiel zur feinperligen "Wismar Edition Brut" (Turnerweg 4, www.hanse-sektkellerei.de). Im 15. Jahrhundert gab es in der Gegend noch mehr als 120 Braustätten. Diese Tradition hält heute einzig das Brauhaus am Lohberg am Alten Hafen hoch. Unter Fachwerkbalken fließt "Wismarer Mumme" aus dem Hahn, ein dunkles, sehr hopfenhaltiges Bier (Kleine Hohe Str. 15, http://brauhaus-wismar.de). Auf der anderen Seite des Hafenbeckens tischen Frank und Gisela Schadwinkel in ihrer Seeperle Fangfrisches aus der Ostsee auf (Schiffbauerdamm 3, www.seeperle-wismar.de). Kreativ und modern interpretieren Cornelia Haas und Christian Müller in ihrem entspannten Restaurant Frische Grube mittags und abends Spannendes wie gebratenen Heilbutt mit Belugalinsen, Mispeln, Kartoffelstampf. Die leidenschaftlichen Köche lernten sich bei der Arbeit im Hamburger "Tafelhaus" kennen, bevor sie sich in Wismar selbstständig machten (Scheuerstr. 1, Tel. 03841-244 01 26, www.frischegrube.de, Reservierung empfohlen).

Schlafen

In einem ehemaligen Getreidestaub-Verladesilo bietet heute das Chalet Nautique zwei Apartments und eine Suite in modern maritimem Stil und dazu die Aussicht auf den Hafen (Stockholmer Str. 22, www.chaletnautique.com, DZ ab 95 €, mind. 3 Nächte).

Mit Blick auf den Marktplatz und das klassizistische Rathaus punkten die vorderen Zimmer des Steigenberger Hotel Stadt Hamburg (Am Markt 24, www.steigenberger.com, DZ ab ca. 98 €).

Die Frische Grube, den letzten erhaltenen mittelalterlichen Wasserlauf der Stadt Wismar, bekommen Gäste in der Ferienwohnung Frische Grube zu Gesicht. Thomas Reinicke hat das kleine Haus aus dem 13. Jahrhundert sorgsam unter baubiologischen Aspekten saniert, samt integrierter Heizung in den Lehmwänden, einer großen geschwungenen Badewanne und einer finnischen Sauna (Frische Grube 3, www.ferienwohnungwismar.de, DZ ab 95 €).

Ablegen

Wer stilecht in See stechen will, wie es sich für die Ostseestadt Wismar gehört, heuert auf der Poeler Kogge Wissemara für eine Tagesfahrt an (www.poeler-kogge.de). Sie ist der größte in Europa vorhandene Nachbau einer mittelalterlichen Kogge. Vorbild war ein Wrack, das 1997 vor der Insel Poel entdeckt worden war. Das vor Wismar liegende Eiland mit seinen Salzwiesen und Badestränden in Timmendorf und Am Schwarzen Busch kann zwar auch per Auto erreicht werden, schöner aber ist eine Überfahrt vom Alten Hafen aus. Was da so an den Fassaden steht, sieht man erst richtig bei der Rückkehr. Verblichene Aufschriften wie "Badeanstalt der Werktätigen", "Dampf-Wasch-Plätt-Anstalt" oder "Kauft Kautabak" begrüßen den Poel-Heimkehrer. Ein Pflaster voller Stolpersteine mit Geschichte und Geschichten, dieses Wismar.

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