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Interview: Kari Bremnes

Als Kind hatte Kari Bremnes das Gefühl, die Welt würde nach ihr rufen. Wir sprachen mit der 51-jährigen Norwegerin über das Leben auf den Lofoten und ihre CD "Reise"
Singt von Fernweh, Postschiffen und nordischen Gefühlen: Kari Bremnes
Singt von Fernweh, Postschiffen und nordischen Gefühlen:
Kari Bremnes
© Atle Kildahl Torp

Haben Sie sich je gefragt, warum so viele Deutsche Sehnsucht nach dem Norden haben?

Mir scheint, als würdet ihr Deutschen das Nordische exotisch finden. Ist es so?

Was meinen Sie?

In Norwegen denken wir, je weiter man nach Süden kommt, desto exotischer wird es. Die Deutschen finden wohl den Norden span nender. Zwischen uns gibt es eine Seelenverwandtschaft, sie ist nach dem Krieg verlorengegangen und erstarkt wieder.

Sie sind auf den Lofoten aufgewachsen, einer zerklüfteten Inselgruppe jenseits des Polarkreises. Wie lebt es sich dort?

Über Weihnachten hatte ich Besuch aus Deutschland in Svolvær. Für gewöhnlich liegt im Winter viel Schnee. Und obwohl die Sonne vom 6. Dezember bis zum 6. Januar nicht aufgeht, ist es nicht dunkel. Doch diesmal herrschte furchtbares Wetter, es war düster und regnete die ganze Zeit, und meine Besucher fragten mich immer wieder: Wie hält man das bloß aus?

Was haben Sie geantwortet?

Der Frühling kommt früh. Nicht mit warmen Temperaturen und blühenden Blumen - er kommt mit viel Licht. Im Frühjahr sind die Lofoten unvergleichlich schön.

Auf Ihrer CD "Reise" gibt es ein Lied über die Postschiffe der Hurtigruten, die die Küste auf und ab fahren. Was bedeuten sie für die Menschen auf den Lofoten?

Als Kind bin ich oft an den Anleger gelaufen, wenn das Hurtigrutenschiff kam. Es brach te Menschen mit anderer Hautfarbe, anderer Sprache - für mich war das die große weite Welt. Auf einer Insel herrscht ein ständiges Kommen und Gehen. Wenn ich das Schiff tuten hörte, schien es mir, als würde diese Welt nach mir rufen. Und ich wusste: Der Weg hinaus führt nur über dieses Schiff.

Im Lied nimmt Sie das Postschiff mit in die Küsteneinsamkeit des Nordens. Aber im wahren Leben zog es Sie nach Oslo?

Im Sommer fuhr unsere Familie immer Richtung Tromsø. In der Nähe von Harstad liegt das Dorf Bremnes, in dem die Eltern meines Vaters lebten. Im Alter von 20 bin ich dann nach Süden aufgebrochen - nach Oslo.

Die Themen: Aktuelle Reisetipps; Interview: GEO Saison Redakteur Dirk Lehmann im Gespräch mit der norwegischen Sängerin Kari Bremnes über ihr neues Album "Reise"; Lehmanns Liste 87; Moderation: Mathias Unger (Länge: 15:19 Min.; 14,3 MB)

Wie war es für ein Kleinstadtmädchen (Svolvær hat etwa 4000 Einwohner), in einer Großstadt anzukommen?

Ich fand es großartig, in Oslo abtauchen zu können. Anonym zu sein zwischen vielen, danach habe ich mich gesehnt. In Svolvær kennt jeder jeden. Das hat seine angenehmen Seiten. Aber es kann auch anstrengend sein. Für mich war die Großstadt ein Paradies. Noch immer bin ich gern in Metropolen. Heute weiß ich allerdings, dass Oslo keine wirklich große Stadt ist.

Vor wenigen Jahren erst gelang Ihnen mit Ihrer Musik in Deutschland der Durchbruch. Sind Sie eine Spätzünderin?

Seit mehr als 20 Jahren bin ich als Künstlerin in Norwegen bekannt. Mein Erfolg in Deutschland ist frisch - ich genieße ihn.

Wie finden Sie das Material für Ihre Lieder?

Ich reise viel und meist allein. Es ist das Beste, um Lieder zu schreiben oder Geschichten zu sammeln. Man kommt leichter mit den Menschen in Kontakt, die Eindrücke sind stärker, wenn es niemanden gibt, mit dem man sie sofort teilt.

Sie singen über ein Paar, das auf einer Reise nach Paris - in die Stadt der Liebe - so sehr streitet, dass es sich am Ende trennt. Ein Besuch in Jerusalem wird zu einem Song über die Frage, wie es wohl wäre, wenn Jesus heute wiederkäme. Wie könnte man Ihre Lieder charakterisieren?

Ich erzähle Geschichten, ähnlich denen aus Südamerika. Ich will mich nicht mit Gabriel García Márquez vergleichen, aber die Stimmung in meinen Liedern schwebt von traurig bis amüsant. Wo ich herkomme, leben wir diesen schwarzen Humor. Früher war das Land arm, die Bedingungen für die Menschen waren hart. Deshalb haben wir eine gewisse Schwermut, doch wir sind nicht depressiv. Dazu passen auch die Typen, denen ich immer wieder begegne. So kenne ich auf den Lofoten einen Fischer, der seit fast 50 Jahren zur See fährt - und bei jeder Ausfahrt seekrank wird.

Ein großartiger Kari-Bremnes-Stoff!

Ja, das könnte ein sehr schönes, ein sehr melancholisches Lied werden.

Haben Sie es schon geschrieben?

Nein, noch nicht.

Das müssen Sie unbedingt tun.

GEO SAISON Nr. 05/2008 - Das Beste der Provence

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