Alte Werft in Amsterdam Wie auf verseuchtem Land ein Ökoparadies entstand

  • von Frauke Gans
Feier auf einem Hausboot
Das Leben auf der einstigen Werft im Norden Amsterdams spielt sich auf Hausbooten ab
© A.Elgersma
Ein ehemaliges Werftgelände in Amsterdam wird zum "Innovationsspielplatz für Umwelttechnologien". De Ceuvel zeigt, was bei nachhaltiger Stadtentwicklung möglich ist

Kaum jemand setzt im eigentlichen Sinne Fuß auf das Ufergelände De Ceuvel im Amsterdamer Norden. In seiner Zeit als Werft sickerten dort Schwermetalle und Chemikalien in die Erde. Das Land galt als unbewohnbar. Trotzdem sind auf der Halbinsel im Johan-van-Hasselt-Kanal Büros, Galerien, Werkstätten, ein Hotel, ein Café, ein Labor und ein Gewächshaus verortet. In aufgebockten Hausbooten mit Terrassen auf Pfählen. Holzstege winden sich durch die Vegetation und verbinden sie miteinander. Darauf gelangen Ansässige und Gäste an ihr Ziel, ohne den Boden zu berühren, inklusive Aussicht auf den Fluss IJ.

Rundum-Ökokonzept

"Wenn urbane Räume brach liegen, folgt häufig ein Anstieg von Kriminalität und Verfall – so auch als die Werft "De Ceuvel Volharding" ihren Betrieb einstellte," erinnert sich Vincent Kuyvenhoven. Er ist das Sprachrohr der Gemeinschaft auf dem ehemaligen Industriegelände. 

Heute trägt De Ceuvel den Titel "Innovationsspielplatz für Umwelttechnologien". Amsterdam hatte das Gebiet als Projekt ausgeschrieben. Architektin Marjolein Smeele versammelte ein Team aus Firmen um sich, das ein Rundum-Ökokonzept auf Stelzen entwickelte. Daraufhin durften sie sich auf dem Gelände zehn Jahre lang im Namen der Nachhaltigkeit austoben. Die Stadt kümmerte sich um einen Großteil der Finanzierung. 

Dementsprechend zieht sich Umweltschutz als grüner Faden durch das Projekt. Dazu gehört die Wiederverwertung: "Das Café und die Stege haben wir aus Müll gebaut," erklärt Vincent Kuyvenhoven. Die Hausboote waren ursprünglich auf dem Weg in die Schrottpresse. "Space and Matter Architecture" hatte die Idee, sie für den symbolischen Preis von einem Euro zu kaufen und als Alternative zu Gebäuden mit Fundament aufzustellen. Damit die Umweltgifte eingeschlossen im Boden verbleiben. 

Fischzucht und Pflanzenanbau in einem geschlossenen Kreislauf

Die Architekten von "Delva Landscape" kümmerten sich um dessen Phytosanierung. Sie stellten eine Vegetation zusammen, deren Pflanzen mit Vorliebe Metalle und Chemikalien aus dem Boden aufnehmen. "Saisonal ernten wir in Stiefeln und mit Handschuhen jene Gewächsteile, die überirdisch liegen. Sie werden getrocknet und wie chemischer Abfall entsorgt," erklärt De Ceuvels Sprecher. Nach einigen Jahren soll Bodenkontakt wieder ohne Bedenken möglich sein. Es gäbe die Option die Erde abtragen zu lassen, aber das hieße das Problem zu verlagern, statt es zu lösen. 

Ufergelände De Ceuvel
Leuchtendes Beispiel für den Umgang mit Umweltsünden – das Ufergelände De Ceuvel
© Vincent Kuyvenhoven

Photovoltaikanlagen auf den Dächern der Hausboote liefern den Strom und stammen aus der Feder der Firma "Metabolic". Ebenso das Aquaponik-Gewächshaus: Eine Kombination aus Fischzucht und Pflanzenanbau in geschlossenem Kreislauf. Für den Betrieb wird Regen gesammelt und Abwässer, die in einer Pflanzenkläranlage gereinigt werden. Als Dünger dient aus Urin gewonnener Phosphor, genauso wie der aufgearbeitete Inhalt der Komposttoiletten in den Hausbooten. Prozesse, die allesamt auf dem Gelände stattfinden. Durch die Verseuchung des Bodens wären Abwasserkanäle nicht in Frage gekommen. 

Gemüse und Kräuter aus dem Gewächshaus finden im Café Verwertung. De Ceuvel ist der Versuch eines Rundumpaketes der Nachhaltigkeit. "Zudem bieten wir hauptsächlich vegane und vegetarische Biogerichte an," so Vincent Kuyvenhoven. Lebensmittel und Materialien stammen nach Möglichkeit aus der Umgebung. Dazu führen Wärmepumpen 60 Prozent der genutzten Energie zurück in die Büroräume des Geländes. Dem Ökomotto getreu, zogen dort vorwiegend Start-Ups ein, die sich der Entwicklung im Bereich Soziales, Wirtschaft, Umwelt, Kunst oder ähnlichem verschrieben haben. Festivals und Dutzende Workshops im Zeichen der Nachhaltigkeit hauchen der Exwerft zusätzlich neues Leben ein.

Was in Zukunft möglich ist

Doch die zehn Jahre, die Amsterdam dem Team für die Bewirtschaftung zur Verfügung gestellt hatte, sind abgelaufen. "Wir haben eine Verlängerung bis zum Januar 2027 bekommen," erklärt Vincent. "Dann setzen wir die Boote aufs Wasser und führen das Projekt an anderer Stelle fort. Wir haben es auf Mobilität designt. Die Konstante dabei ist die Idee: Rundum nachhaltig leben. Das Land übergeben wir in besserem Zustand als zuvor. Wir hoffen De Ceuvel zeigt für die Zukunft, was möglich ist." 

Escheint in GEO 08/2025