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Nachkriegsgeschichte Gift liegt in der Luft: So kam es zur tödlichen Smog-Krise im Ruhrgebiet

geo_epoche-white Von Frederik Seeler
Für das Wirtschaftswunder nimmt die Bundesrepublik die Verpestung der Umwelt in Kauf. Bis 1962 tödlicher Smog den Himmel verdunkelt – und das Umweltbewusstsein für immer verändert
Personen laufen auf einer Straße in Gelsenkirchen durch Smog
Bei bestimmten Wetterlagen können die Industrieabgase wie hier in Gelsenkirchen nicht abziehen, "Smog" entsteht. Meist löst Wind den giftigen Nebel rasch wieder auf – nicht aber im Winter 1962
© bpk / Fotoarchiv Ruhr Museum / Anton Tripp

Einer der Ersten, der bemerkt, dass etwas nicht stimmt, ist der Wäschereimeister Holl aus Gelsenkirchen. Als er die frischen Laken in seinem Betrieb betrachtet, fallen ihm fleckige Stellen auf. Er kontrolliert die Maschinen auf Verunreinigungen, wäscht und schleudert die Textilien erneut. Wieder erscheinen die rätselhaften Flecken.

Holl startet ein Experiment. Er spannt ein weißes Tuch in seiner Waschstube nahe dem Eingang auf. Schnell ist auch dessen Stoff von schwarzgrauen Flecken überzogen. Holl begreift: Der Dreck liegt in der Luft – und er kommt von draußen.

Die Laken des Wäschereimeisters Holl sind wie Seismografen kommenden Unheils. Noch ist der Dezemberhimmel hell und klar. Wenig später aber, am Nachmittag, senkt sich dichter Nebel über die Häuser und Straßen des Ruhrgebiets. Grauer, schwarzer, rotbrauner Staub bleibt an Motorhauben und Windschutzscheiben haften. Die Menschen auf der Straße riechen eine scharfe schweflige Note. Sie husten, blicken aus tränenden Augen, haben Kopfschmerzen.

Es beginnt eine der schlimmsten Umweltkatastrophen der Nachkriegszeit

Erschienen in GEO Epoche Nr. 114 (2022)