Schutz vor Wilderei Studie: Die Enthornung von Nashörnern verändert das Tierverhalten

Ein betäubtes Nashorn liegt auf dem Boden. Die Augen sind verdeckt. Ein Tierschützer sägt das Horn ab
Um die Spitzmaulnashörner vor Wilderern zu schützen, werden in vielen Reservaten die Tiere betäubt und das begehrte Horn mit einer Säge entfernt
© Stefan Parsch, dpa
Nashörner sind häufig Ziel von Wilderern, denn ihr Horn ist in Asien höchst begehrt. Um sie zu schützen, wird ihnen oft das Horn entfernt. Das hat Folgen für die Dickhäuter, wie eine neue Studie zeigt

Die Entfernung ihrer Hörner zum Schutz vor Wilderei verändert das Verhalten bestimmter Nashörner. Sie verringern die Größe ihres Reviers und haben weniger Kontakte zu Artgenossen, die zu einer Paarung führen könnten. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie schweizerischer und südafrikanischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die 24.760 Sichtungen von 368 Spitzmaulnashörnern (Diceros bicornis) in zehn südafrikanischen Wildreservaten im Zeitraum von 2005 bis 2020 ausgewertet haben. Die Gruppe um Vanessa Duthé von der Universität Neuchâtel in der Schweiz veröffentlichte ihre Ergebnisse in den "Proceedings" der US-nationalen Akademie der Wissenschaften ("PNAS"). 

Teurer als Gold: 65.000 Dollar für ein Kilo Horn

Spitzmaulnashörner sind wegen illegaler Wilderei stark gefährdet, weil ihre Hörner sehr begehrt sind. "Nashornhörner werden in ganz Südostasien aus kulturellen und medizinischen Gründen nachgefragt, so dass ihr Wert auf 65.000 US-Dollar pro Kilogramm geschätzt wird – mehr als Diamanten oder Gold", schreiben die Studienautoren. Um zu verhindern, dass Nashörner wegen ihrer Hörner getötet werden, haben in vielen südafrikanischen Wildreservaten die Verantwortlichen in den 2010er Jahren damit begonnen, die Hörner von Nashörnern zu entfernen oder stark zu stutzen.

Nashorn in Steppe blickt in Richtung Kamera. Das hintere Horn fehlt, das vordere ist gekürzt. Auf seinem Rücken sitzen Vögel
Mit gestutzten Hörnern wirkt das Spitzmaulnashorn auf Artgenossen weniger imposant. Das hat Folgen für Reviergröße und Fortpflanzungserfolg
© Stefan Parsch, dpa

Während sich in den untersuchten Wildreservaten 2013 noch keine hornlosen Tiere befanden, waren 2020 bei 63 Prozent der Spitzmaulnashörner die Hörner vorsorglich entfernt worden. Die Forschenden verglichen das Verhalten sowohl in derselben Gruppe vor und nach der Enthornung als auch zwischen enthornten und nicht enthornten Gruppen. Sie fanden bei einer gesonderten Untersuchung heraus, dass die Reviergröße bei enthornten Männchen durchschnittlich um 9,13 Quadratkilometer (– 38,03 Prozent) und bei enthornten Weibchen sogar um 15,42 Quadratkilometer (– 53,08 Prozent) zurückging.

Behornte Nashörner haben größere Reviere

Davon weitgehend unabhängig vergrößerte sich bei einer räumlich getrennten Kontrollgruppe mit Hörnern im gleichen Zeitraum die Reviergröße um 50,21 Prozent (Männchen) und um 67,55 Prozent (Weibchen). Generell gilt den Forschenden zufolge, dass die Nashörner im Laufe ihres Lebens ihre Reviere vergrößern.

Die Reviere von Männchen und Weibchen überschneiden sich. "Die Reviere beider Geschlechter werden durch soziale Interaktionen bestimmt, zu denen territoriale und konkurrenzbezogene Verhaltensweisen gehören, die sich gemeinsam auf das Populationswachstum auswirken und in direktem Zusammenhang mit dem Vorhandensein und den Eigenschaften von Hörnern stehen", schreiben die Forschenden. So entscheidet bei Revierkämpfen zwischen Männchen das Tier mit dem größeren Horn in 65 Prozent der Fälle die Auseinandersetzung für sich.

Das Horn dient auch der Nahrungssuche

Bei Nashörnern mit Horn haben Männchen mit größerem Revier durchschnittlich mehr Nachwuchs. Deshalb gehen die Wissenschaftler davon aus, dass sich das veränderte Revierverhalten auf den Umfang des Nachwuchses auswirken wird. Bedeutung haben die Hörner für die Tiere auch für die Nahrungssuche: Sie nutzen ihre Hörner, um sich Zweige für den Blätterverzehr zurechtzubiegen und den Boden aufzukratzen, um Mineralien aufzunehmen. Die Studienautoren fordern, die Verhaltensänderungen bei enthornten Nashörnern weiterhin genau zu beobachten.

In den untersuchten Wildreservaten wie auch in ganz Südafrika ging die Zahl der wegen Wilderei getöteten Spitzmaulnashörner nach den Enthornungsaktionen stark zurück. Ob die Aktionen die Ursache für den Rückgang waren, ist aber nach Auffassung von Duthé und Kollegen noch nicht geklärt. So könnten auch parallel eingeführte Maßnahmen, wie die strengere Überwachung der Reviere, zum Rückgang der Wilderei beigetragen haben. Dennoch sehen die Forschenden die Enthornung als eine für Wildtierschützer leicht zugängliche Möglichkeit, Zeit für diese vom Aussterben bedrohte Art zu gewinnen, bevor langfristige Maßnahmen greifen.          

dpa