Vegetarische Bären Forschende entschlüsseln, wie Bambus das Verhalten der Pandas beeinflusst

Panda mit Bambus im Maul
Panda essen täglich bis zu 18 Kilogramm Bambusblätter und -stengel
© Alamy Stock Photos / Ninel Roshchina/ / mauritius images
Du bist, was du isst, heißt es manchmal. Doch kann unser Essen wirklich beeinflussen, wie wir uns verhalten? Eine Studie aus China deutet darauf hin – zumindest für Pandas

Große Pandas haben einen Verdauungsapparat, der typisch für Fleischfresser ist. Doch als einzige Vertreter der derzeit lebenden Großbären (Ursidae) ernähren sie sich nach Angaben der Umweltorganisation WWF fast ausschließlich vegetarisch - vor allem von Bambus. Ein Forschungsteam aus China berichtet nun, dass bestimmte Inhaltsstoffe der Pflanzennahrung maßgeblich zu diesem Anpassungsprozess beitragen und das Verhalten der Tiere verändern könnten. 

Große Pandas (Ailuropoda melanoleuca) - auch Riesenpandas genannt - leben in China und laut WWF nur dort, wo Bambus wächst. Die Tiere fressen demnach täglich bis zu 18 Kilogramm Bambusblätter und -stengel und sind auf diese Nahrung spezialisiert: Beim Kauen helfen ihnen abgeflachte Zähne, und mit ihren sogenannten Pseudo-Daumen - einem verlängerten Handwurzelknochen an den Vorderläufen - können sie den Bambus besser halten. 

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Wie das Team um Feng Li von der China West Normal University in Nanchong nun im Fachjournal "Frontiers in Veterinary Science" berichtet, spielen bei der Nahrungsumstellung bestimmte Bambus-Inhaltsstoffe - die sogenannte microRNA (miRNA) - vermutlich eine wichtige Rolle. 

Was ist micro-RNA?

Solche Moleküle werden in Körperzellen aller Organismen gebildet - auch beim Menschen. Sie beeinflussen die Regulierung von Genen und steuern so wichtige Prozesse im Körper.

Das Forschungsteam analysierte Blutproben von sieben Riesenpandas - drei weiblichen und drei männlichen erwachsenen Tieren sowie von einem weiblichen Jungtier. Dabei fanden sie 57 verschiedene miRNAs, die vermutlich von Bambus stammen. Das Vorhandensein dieser Stoffe im Blut der Tiere deute darauf hin, dass diese Moleküle sehr stabil seien und dem Verdauungsprozess standhalten könnten.

Demnach gelangen miRNAs aus Bambus mit der Nahrung in den Körper der Pandas und werden vom Darm aufgenommen. So kämen sie in den Blutkreislauf, würden im Körper verteilt und könnten die Genaktivität der Tiere regulieren, erläutert Studienleiter Li. Welche Gene davon beeinflusst werden könnten, ermittelte die Gruppe durch Analysen in Datenbanken.

Wie Bambus-miRNA im Panda wirken könnte

Die Moleküle könnten verschiedene biologische Prozesse beeinflussen, darunter Wachstum, Verhalten und Immunsystem, schreibt das Team. Besonders spannend: Acht der gefundenen miRNAs zielen auf Gene ab, die den Dopamin-Stoffwechsel der Pandas beeinflussen. Somit könnten sie über diesen Botenstoff möglicherweise den Appetit regulieren - und auch die Auswahl der Nahrung. 

Zudem könnten pflanzliche miRNA-Moleküle auf den Geschmacks- und Geruchssinn abzielen, heißt es weiter. Konkret könnten Bambus-miRNAs etwa die Expression eines Gens beeinflussen, das Pandas empfindlich auf Bitterstoffe reagieren lasse - und die Tiere so vor Giftstoffen schütze. 

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"Es ist plausibel, dass diese aus Pflanzen stammenden miRNAs den Übergang des Großen Pandas von einer fleischbasierten zu einer bambusbasierten Ernährung vermittelt haben", schreibt die Gruppe. 

Unterschiede bei Alter und Geschlecht

Die Studie ergab auch, dass die Zusammensetzung der miRNAs je nach Alter und Geschlecht der Pandas variiert. Wenn die Tiere im jungen Alter zunehmend Bambus fressen, könnten sich - so die Vermutung - bestimmte miRNAs im Körper anreichern, die Genexpression verändern und so die Anpassung an den Geschmack von Bambus verändern.

Die Forscher hoffen, in Zukunft Blutproben von jungen Pandas zu sammeln, die noch keine Bambusdiät haben. "Das könnte sehr interessante Erkenntnisse liefern, die uns noch tiefer in die Anpassungsmechanismen der Pandas einführen", hofft Li.

Für die Entdeckung der microRNA und ihrer Rolle bei der Genregulierung hatten die beiden US-Amerikaner Victor Ambros und Gary Ruvkun im vergangenen Jahr den Nobelpreis für Medizin erhalten.

Hilko Krey