Tiersprache Europäische Papageien zwitschern in verschiedenen Dialekten

Zwei Mönchsittiche, einer sitzend, der andere kommt auf ihn zu mit ausgebreiteten Flügeln
Mönchssittiche sind neugierig, laut und äußerst kommunikativ. Doch nicht überall klingen ihre Rufe gleich
© PhotoStock-Israel / Alamy / mauritius images
So wie ein Ostfriese mitunter Probleme hat, eine Bayerin zu verstehen, so hätten auch Mönchssittiche aus verschiedenen europäischen Städten Verständigungsschwierigkeiten: Die wilden Papageien nutzen einer Studie zufolge ganz unterschiedliche Dialekte

Eigentlich ist der Mönchssittich in Südamerika zu Hause, baut in den Bäumen Brasiliens große Gemeinschaftsnester aus Zweigen, durchstreift die Wälder Boliviens auf der Suche nach Blattknospen und Früchten, stürzt sich in großer Zahl auf argentinische Eukalyptusplantagen. Inzwischen bevölkern die geselligen Vögel aber auch tausende Kilometer entfernt die Parks von Brüssel, Berlin und Barcelona, sind in Verona, Athen und Madrid zu finden – weil sie einst aus der Gefangenschaft privater Volieren und Zoos türmten und sich in der Freiheit europäischer Großstädte nicht nur pudelwohl fühlen, sondern auch munter vermehren. Würden die europäischen Papageien auf ihre südamerikanischen Verwandten treffen, könnten sie sich allerdings kaum verständigen. Mehr noch: Selbst ein Mönchssittich aus Barcelona hätte wohl Schwierigkeiten, einen Verwandten aus Bergamo zu verstehen. Denn die sprachbegabten Vögel zwitschern zwar viel und gerne, tun dies einer Studie zufolge aber in verschiedenen Regionen mit ganz unterschiedlichen Dialekten. 

Forschende des Max-Planck-Instituts zeigen in einer in der Fachzeitschrift "Behavioral Ecology" veröffentlichten Studie, dass die Sittiche in jeder Stadt anders kommunizieren. Dafür haben die Forschenden das Gezwitscher der Papageien in den Parks acht europäischer Großstädte aufgenommen und miteinander verglichen. Das Ergebnis: Überall stoßen die Tiere einen Kontaktruf aus, mit dem sie dasselbe meinen: "Hallo, hier bin ich – wo seid ihr?" Doch während dieser Ruf beispielsweise in Brüssel kurz und schrill ist, ertönt er in anderen Städten länger und tiefer. 

Die Unterschiede kommen wohl dadurch zustande, dass die Vögel einst die Rufe ihrer Artgenossen kopierten und dabei kleine Fehler machten. Im Laufe der Zeit häuften sich die Abweichungen an, sodass das Gezwitscher der Papageien in verschiedenen Städten inzwischen ganz unterschiedlich klingt – die Vögel sprechen also verschiedene Dialekte oder sogar Sprachen. Diese sprachlichen Muster werden durch soziales Lernen von Generation zu Generation weitergegeben und verfestigen sich.

Gruppenzugehörigkeit ist nicht entscheidend

Frühere Forschung mit anderen Papageienarten hatte vermuten lassen, dass sich auch die Kommunikation von Vögeln, die in derselben Stadt in verschiedenen Parks leben, unterscheidet, dass also die Gruppenzugehörigkeit den Dialekt prägt. Bei den Mönchssittichen gibt es jedoch kaum sprachliche Unterschiede zwischen den verschiedenen Kolonien einer Stadt. Die Forschenden halten es daher für unwahrscheinlich, dass sich die Vögel an lokale Dialekte anpassen, um Gruppenmitglieder zu identifizieren. Stattdessen vermuten sie, dass die Dialekte in den verschiedenen Städten das Ergebnis von zufälligen Fehlern und Anpassung sind, wie es die Hypothese der kulturellen Verschiebung nahelegt.

Geografische Unterschiede im Gesang werden in der Forschung allgemein als starkes Indiz für das Vorhandensein einer Kultur im Tierreich gewertet. Bisher wurden solche Verhaltensweisen vor allem am Reviergesang von Sperlingsvögeln untersucht, die jedoch auf ein festes Repertoire an Gesängen zurückgreifen. Mönchssittiche hingegen sind lernfähig und gehören zu den wenigen Arten, die sich die menschliche Sprache aneignen können.

Ihr lautstarker Kontaktruf verrät den Charakter der Vögel: Sie sind äußerst gesellig und nur ungern allein. Mit ihrem Ruf machen sie Artgenossen ausfindig – die sie nach deren Antwort sofort orten und aufsuchen. So bevölkern die Mönchssittiche die Städte in großen Kolonien: In Madrid etwa leben schätzungsweise mehr als 12.000 der Papageien – die mit ihrem Geschrei, ihren Exkrementen und dem Bau ihrer bis zu 200 Kilogramm schweren Gemeinschaftsnester so manchen Anwohner verärgern. In Deutschland sind die Sittiche in Köln und Berlin anzutreffen, allerdings dominieren hierzulande andere wild lebende Papageienarten: in Köln, Bonn und Düsseldorf die Halsbandsittiche, in Stuttgart die Gelbstirnamazonen und in Wiesbaden die Blaustirnamazonen.

ftk