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Studie zu 350 Rassen Erbgut zeigt: Verhalten von Hunden liegt in den Genen

Ein Hütehund bewacht eine Schafsherde
Ein Hütehund bewacht eine Schafsherde: Menschen haben Hunde selektiv auf bestimmte Verhaltensideale hin gezüchtet
© Imago
Hütehunde, Jagdhunde, Spürhunde, Wachhunde: Der Mensch selektiert seit Jahrtausenden Hunde mit bestimmten Verhaltensweisen für verschiedene Aufgaben. Ein Forscherteam hat jetzt untersucht, welche Erbgutmerkmale dem zugrunde liegen

Dackel sind störrisch, Malteser freundlich, Akitas treu, Labrador Retriever kuschelig, Möpse charmant – die Liste typischer Verhaltensweisen, die Hunderassen zugeschrieben werden, ist lang. Mit Erbgutanalysen und Befragungen von Hundebesitzern hat ein US-Forscherteam nun eine Reihe von Genen identifiziert, die es mit dem typischen Verhalten bestimmter Hunde in Verbindung bringt. Klassische Merkmale wie der Jagdtrieb sind demnach weniger an bestimmte Rassen als an die jeweilige Aufgabe gebunden, für die die Tiere einst genutzt wurden.

Menschen hätten Hunde selektiv auf bestimmte Verhaltensideale hin gezüchtet – genetische Analysen dieser Tiere böten deshalb eine gute Möglichkeit zu untersuchen, wie Verhaltensvielfalt biologisch kodiert ist, erklären Emily Dutrow und Elaine Ostrander von den National Institutes of Health (NIH) in Bethesda zusammen mit James Serpell von der University of Pennsylvania School of Veterinary Medicine im Fachmagazin "Cell". In ihrer Studie ordnen sie die Hunderassen zehn großen genetischen Linien zu. Jede Abstammungslinie entspricht einer bestimmten Kategorie von Rassen, die für bestimmte Aufgaben wie die Spurensuche oder das Hüten von Nutzvieh eingesetzt wurden.

Die Menschen haben bis heute 350 Hunderassen gezüchtet

Die Schaffung von rund 350 Hunderassen sei "das größte und erfolgreichste genetische Experiment, das der Mensch je durchgeführt hat", sagt Hauptautorin Ostrander, Gründerin des Dog Genome Project an den NIH. Sie seien etwa zum Bewachen oder Jagen gezüchtet worden. Zugleich aber seien Rassen auf bestimmte ästhetische und morphologische Merkmale hin selektiert worden, erklärt Dutrow. Einige davon könnten wiederum mit Verhaltensmerkmalen verknüpft sein, was die Bestimmung der Genetik des Hundeverhaltens kompliziert mache.

Das Forscher-Trio nutzte Genomdaten von über 4000 rein- und gemischtrassigen Hunden, halbwilden Streunern sowie wilden Caniden wie dem Wolf. Zudem wurden 46.000 ausführliche Verhaltensbeurteilungen von Haltern mit Hunden zehn verschiedener Rassen einbezogen. Mit einem erhöhten Beutetrieb verbundene Eigenheiten wurden dabei zum Beispiel mit der Terrier-Linie in Verbindung gebracht. Solche Rassen seien verbreitet zum Fangen und Töten etwa von Ratten eingesetzt worden. Retriever hingegen wurden als wenig aggressiv mit geringem Jagdtrieb eingestuft. Gute Trainierbarkeit wiederum war ein ausgeprägtes Merkmal bei Arbeits- und Sporthunderassen.

Hütehunde haben spezielle Gene, die für eine Veränderung im Gehirn sorgen

Auf der Suche nach Verbindungen zwischen Erbgut und Verhalten fanden die Forschenden dann zum Beispiel spezifische Gene, die an der Gehirnverdrahtung von Hütehunden beteiligt sind. Zudem gab es der Studie zufolge bei solchen Hunden eine Anreicherung von Genen für die Entwicklung von Hirnregionen, die unter anderem für die soziale Wahrnehmung wichtig sind. Bestimmte Hütehund-typische Gene seien in Mausmodellen mit Angst und dem Aufsammeln von Welpen durch die Mutter in Verbindung gebracht worden, so das Forschertrio. Das deute darauf hin, dass der Hütetrieb möglicherweise unter anderem über eine Verstärkung der angstassoziierten Signalwege erreicht wurde, die das mütterliche Schutzverhalten bei Tieren steuern.

"Die gleichen Signalwege, die bei der menschlichen Neurodiversität eine Rolle spielen, sind auch bei den Verhaltensunterschieden zwischen den Hundestämmen zu finden, was darauf hindeutet, dass bei Menschen und Hunden das gleiche genetische Instrumentarium zum Einsatz kommt", sagt Dutrow.

Hunde haben die Bereitschaft, auf menschliche Anweisungen zu reagieren

Bei der Analyse von Dutrow, Ostrander und Serpell ging es um Verhaltensweisen, auf die Menschen bei ihren Hunden schon seit Jahrtausenden Wert legen – etwa die Bereitschaft, auf menschliche Anweisungen zu reagieren oder den Drang, bestimmte Aufgaben zu erfüllen.

Über das Temperament eines einzelnen Hundes sage die Rasse wenig aus, hatten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vor einigen Monaten im Fachmagazin "Science" berichtet. Zwar sei durchaus erblich, ob ein Hund eher verspielt, gelehrig oder störrisch ist – die Unterschiede zwischen einzelnen Hunden seien aber zumeist größer als die zwischen einzelnen Rassen. Das sei auch nicht verwunderlich: Die modernen Hunderassen seien weniger als 160 Jahre alt – ein Wimpernschlag in der Evolutionsgeschichte.

dpa

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