Es sind Bilder, die für Tierfreunde nur schwer zu ertragen sind. Einsam zieht ein Delfin in einem trostlosen Becken seine Runden, hebt immer wieder den Kopf, um sich dann kraftlos wieder ins Wasser fallen zu lassen. Ein paar Meter weiter stehen Humboldt-Pinguine zwischen Bauschutt und einer Hausruine. In ihrem kleinen Becken steht verdrecktes Wasser. Es sind Aufnahmen, die die japanischen Tierschutzorganisation Animal Rights Centre bereits im März 2018 aufgenommen hat. Sie zeigen den verlassenen Inubosaki Marin Park in der Küstenstadt Choshi, nordöstlich von Tokio. Dieser musste Ende Januar aufgrund stark zurück gegangener Besucherzahlen schließen. Die Menschen sind lange weg, aber die Tiere weiterhin in ihren Becken und Gehegen gefangen.
Versorgt werden sie von ehemaligen Mitarbeitern des Parks, die noch Zugang zu dem verlassenen Gelände haben. Sie wurden mehrmals von den Tierschützern dabei beobachtet, wie sie die Tiere fütterten. Woher sie das Futter haben und wie lange es noch ausreicht, um Delfin „Honey“, die 46 Pinguine und die zahlreichen anderen Fische zu versorgen, ist auch für Animal Rights Centre nicht ersichtlich.
Wo ist der Betreiber des Parks?
Besondere Sorgen bereitet den Tierschützern die Delfindame „Honey“. Sie zeige deutliche Anzeichen von Stress und sei aufgrund fehlender Schutzvorrichtungen von Sonnenbrand geplagt. Zu dieser Einschätzung kam die amerikanische Tierärztin Dr. Heather Rally nachdem sie Videomaterial aus Choshi gesichtet hat. „Die Umstände unter denen dieser Delfin gehalten wird sind unwürdig, grausam und fernab von zoologischen Standards“, resümiert die Veterinärmedizinerin.
Die Tierschützer von Animal Rights Centre versuchen seit der Schließung des Parks die Tiere aus ihrer misslichen Lage zu befreien und die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf das Schicksal der schutzlosen Lebewesen zu lenken. Letzteres scheint ihnen zu gelingen – der Druck auf den Betreiber wächst, nachdem auch internationel Medien über die Lage in Choshi berichteten. Unter dem Hashtag #SaveHoney setzen sich Menschen aus aller Welt für die Befreiung der Tiere ein. Doch die Leitung des privat geführten Marineparks scheint untergetaucht. Weder die lokalen Behörden noch die Tierschützer können die Betreiber erreichen, um sich so auf legalem Wege einen Zugang zu den Tieren zu verschaffen.
Fehlendes Interesse an Tierwohl in Japan
Derweil sucht das Animal Rights Centre nach einem möglichen neuen Zuhause für Honey und die anderen Tiere. Die Tierschützer wünschen sich besonders für den Tümmler eine Auffangstation, die dem natürlichen Habitat eines Delfins gleicht. Da Honey 2005 bei der grausamen Delfintreibjagd in Taijin gefangen wurde und seitdem in Gefangenschaft lebt, wäre eine Auswilderung zwar wünschenswert, aber zu diesem Zeitpunkt wahrscheinlich nicht von Erfolg gekrönt. „Sie kommt aus der Wildnis und sie würde dort auch wieder überleben, aber erst nach einer guten Rehabilitation“, sagte Chihiro Okada, ein Sprecher von Animal Rights Centre Japan gegenüber GEO.de.
Nach jahrelangem internationalen Druck, der unter anderem durch die preisgekrönte Dokumentation “The Cove” aufgebaut wurde, hatte die Japan Association of Zoos and Aquariums (JAZA) im Jahr 2015 bekanntgegeben für ihre Anlagen keine Delfine aus Taiji mehr einzusetzen. Das habe aber nicht viel an der grundsätzlichen Einstellung gegenüber dem Tierschutz in Japan geändert. Gerade einmal knapp über vier Prozent der Bevölkerung hätten bei einer Umfrage angegeben sich für Tierwohl zu interessieren. Im Fall von Honey seien auch die japanischen Medien der Meinung der Tümmler solle einfach in den nächsten Marinepark und dort weiterhin für Shows und Reproduzierung eingesetzt werden, berichtet Chihiro Okada.
Gemeinsam mit jenen, die sich für das Schicksal der Tiere von Inubosaki einsetzen wollen, möchten Chihiro und seine Kollegen nun den Druck auf die World Association of Zoos and Aquariums erhöhen, um sie als Partner bei der Suche nach einer artgerechten Unterbringung zu gewinnen. "Desto mehr Menschen aus aller Welt dort ihren Unmut über die Situation äußern, desto größer die Chancen, dass es am Ende auch klappt", sagt Chihiro Okada.