Den Tierschutz voranbringen wollte Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner mit einem staatlichen Tierwohllabel. Doch seit die Idee zu dem Siegel öffentlich diskutiert wird – also seit etwa zwei Jahren –, ist sie heftiger Kritik ausgesetzt. Aus der Einführung bis Mitte 2020 wurde nichts. Tierschützer bemängeln vor allem, dass das Label freiwillig sein sollte, zunächst nur die Schweineproduktion betreffen würde – und dass es in der Grundstufe nur minimale Verbesserungen gegenüber den gesetzlichen Mindeststandards garantieren sollte. Der Einsatz von Antibiotika sollte bei der Labelvergabe überhaupt keine Rolle spielen. Mit "Tierwohl", so der Tenor der Tierschutzverbände, habe das nichts zu tun.
Jetzt könnte das Vorzeige-Projekt mit einem millionenschweren Werbeetat in der Schublade verschwinden. Der Grund dafür ist weder der Bauernverband noch die Tierschutz-Szene. Sondern der Bundesrechnungshof. In einem noch unveröffentlichten Bericht kritisieren die Prüfer, dass die Wirtschaftlichkeit des geplanten Labels nicht ausreichend geprüft worden sei.
Gleichzeitig nehmen die Prüfer in ungewohnt deutlichen Worten auch die Ziele des Labels unter Beschuss.
Alternativen nicht ausreichend geprüft
Laut einem Medienbericht monieren die Rechnungsprüfer nämlich auch, dass das Bundeslandwirtschaftsministerium die Alternativen zu einer freiwilligen Kennzeichnung nicht ausreichend geprüft habe. Und nennen als Beispiele: eine verpflichtende Kennzeichnung, aber auch eine Anhebung der gesetzlichen Standards. Also genau das, was Tierschützer seit langem fordern.
Laut dem Bericht des Rechnungshofs hatte das Ministerium argumentiert, ein freiwilliges Label reiche aus, um das Tierwohl in Deutschland nachhaltig zu verbessern. Diese Behauptung nimmt der Rechnungshof sogar zum Anlass für eine Fundamentalkritik:
Denn entweder sorge das aktuelle Tierschutzrecht für die Erfüllung des Staatsziels „Tierschutz“ nach Artikel 20a des Grundgesetzes. In diesem Fall brauche es überhaupt kein Label. Wenn allerdings das Staatsziel nicht erfüllt werde – müssten die gesetzlichen Mindeststandards angehoben werden. Was nebenbei auch eine teure Werbekampagne überflüssig machen würde.
Pointierter hätten Tierschützer es nicht formulieren können.
Offenbar hat Julia Klöckner das Debakel um ihr Vorzeigeprojekt kommen sehen. Und bemüht sich nun um die Einführung einer Kennzeichnung auf EU-Ebene.
Bislang war das nationale Tierschutzlabel vor allem eines: ein teures PR-Feuerwerk. Was bleibt, ist ein Desaster für den Tierschutz und eine zukunftsfähige, klimaangepasste Landwirtschaft. Zwei Jahre wurden einzig dazu genutzt, den Status quo einer aus dem Ruder gelaufenen Tierproduktion zu sichern. Man kann nur hoffen, dass sich die EU-Kommission bei der geplanten Kennzeichnung nicht auf Berater wie Julia Klöckner verlässt.