+++ Kolumne "Alles im grünen Bereich" +++
Über die Fernsehbildschirme in unseren Wohnzimmern flimmern immer öfter Aufnahmen von kranken, schmutzigen, zusammengepferchten, verängstigten Tieren, vom nicht immer schnellen Tod am Fließband. Immer mehr Menschen wollen wissen, wie die Tiere gelebt haben, deren Fleisch sie essen. Wie sie kastriert wurden. Und wie sie gestorben sind. Eine Folge davon: Der Druck auf die industrielle Tierproduktion wächst. Landwirtschaftsministerin Klöckner musste also handeln. Herausgekommen ist nun: ein staatliches Label für Schweinefleisch. Das Ministerium nennt es "Tierwohl"-Label.
Ein Meilenstein ist das nicht. Klöckner drückt sich damit um eine klare Kennzeichnung der Haltungsform herum, wie es sie heute schon für Eier gibt. Stattdessen soll es eine dreistufige Kennzeichnung geben – deren Einstiegsstufe nur knapp über den gesetzlichen Mindeststandards liegt.
Bei dem Label geht es vor allem um Absatzchancen
Was das bringen soll? Zusätzliche Vermarktungschancen. Um Tierschutz, oder gar Tierwohl, geht es hier jedenfalls nicht. Und "ambitioniert", wie Julia Klöckner meint, ist das auch nicht. Es ist eher ein Marketing-Gag auf Kosten von Millionen Schweinen, die auch zukünftig auf viel zu kleinem Raum eingepfercht werden (nicht einmal ein Quadratmeter reicht laut Stufe eins für ein Schwein, das bis zu 110 Kilogramm wiegt). Denen weiterhin die Schwänze abgeschnitten werden, obwohl das seit langem grundsätzlich verboten ist. Die weiterhin kastriert werden. Die als Mütter weiterhin wie lebende Gebärmaschinen wochenlang in Kastenständen fixiert werden.
Dass das Label freiwillig ist, macht es nicht besser. Denn dort, wo die Anforderungen wahrnehmbar über den gesetzlichen Mindeststandard hinausgehen, wird es – so fürchten Tierschützer – nur einem Bruchteil der in Deutschland lebenden Schweine zugutekommen.
Berlin klagt gegen die Schweinehaltung in Deutschland
Bei der Vorstellung des Labels sagte Klöckner: "Man kann niemanden verpflichten, mehr zu tun, als das Gesetz es vorschreibt." Da hat sie wohl Recht. Aber was, wenn das Gesetz selbst eine Luftnummer ist?
Der stärkste Einwand gegen das "Tierwohl"-Label kommt zurzeit aus Berlin. Denn das Land hat beim Bundesverfassungsgericht einen sogenannten Normenkontrollantrag zur Schweinehaltung in Deutschland eingereicht. Begründung: Die gesetzlichen Minimalanforderungen seien weder mit dem Tierschutzgesetz noch mit dem Grundgesetz vereinbar. Ein bislang einmaliger Vorgang. Das Ergebnis: offen.
Vielleicht sollte Frau Klöckner den Spruch der Karlsruher Richter lieber abwarten, bevor sie mit einem Label möglicherweise rechtswidrige Standards zementiert.
Sie könnte aber auch vorangehen. Und, zum Beispiel, mit den richtigen Anreizen den Anteil des Bio-Schweinefleischs erhöhen. Der liegt nämlich zur Zeit bei nur zwei Prozent. Da ist noch Luft nach oben.