Große Veränderungen verlaufen auf unserem Planeten selten linear. Der Eisschild Grönlands schmilzt nicht gemächlich vor sich hin, der Amazonas-Regenwald stirbt nicht gleichmäßig Baum für Baum ab, und tropische Korallen bleichen nicht in beständigem Tempo aus – ab einem bestimmten Punkt kippt das System, die Entwicklung beschleunigt sich, verläuft exponenziell. Fünf solcher Elemente im Erdsystem, warnen mehr als 200 Forschende im heute veröffentlichten Global Tipping Points Report, könnten bereits bei der aktuellen Erderwärmung von 1,2 Grad kippen: Die Eisschilde Grönlands und der Westantarktis könnten abrupt und unwiderruflich schmelzen, die Riffe von Warmwasserkorallen absterben, Teile des Permafrostbodens auftauen und die nordatlantische Polarwirbelzirkulation zum Erliegen kommen. Mit dramatischen Folgen: Der Anbau von Lebensmitteln würde erschwert, ganze Landstriche überflutet, Wasser- und Energieversorgung eingeschränkt.
Die gute Nachricht: Nicht nur negative Entwicklungen können eine Kettenreaktion auslösen. Die Forscherinnen und Forscher aus 26 Ländern definieren in ihrem Bericht, der den Forschungsstand breit wie nie zuvor zusammenfasst, auch positive soziale Kipppunkte: Klimafreundliche Verhaltensweisen und Technologien, die sich ab einem bestimmten Punkt immer schneller verbreiten. Eine Veränderung in einem System – etwa im Verkehr oder in der Ernährung – kann sich nach dem Überschreiten einer kritischen Schwelle selbst verstärken, es kommt zu einem Dominoeffekt, der zu einem tiefgreifenden und langfristigen gesellschaftlichen Wandel führt. Pflanzliche Ernährung, das Heizen mit der Wärmepumpe oder das Nutzen öffentlicher Verkehrsmittel: Was vorher eine Ausnahme war, kann plötzlich zur Regel werden. Mit der Folge, dass weniger Treibhausgase ausgestoßen werden – und die globale Erwärmung begrenzt werden kann.