+++ Kolumne "Alles im grünen Bereich" +++
Manchmal braucht es Betriebsstörungen, damit systematische Missstände sichtbar werden. In der Fleischindustrie gibt es nun – nach dem Corona-Skandal in Schlachthöfen – in diesem Jahr schon die zweite solche Störung: Ein verendetes Wildschwein in Brandenburg hat dafür gesorgt, dass China, der größte Abnehmer von Schweinefleisch aus Deutschland, seine Importe gestoppt hat.
Für die Schweine produzierende Industrie ist die Afrikanische Schweinepest der Super-GAU. Ist China doch – nach Italien – der größte Abnehmer für Schweinefleisch aus deutscher Herstellung. Mit steigender Tendenz.
Die Deutschen essen weniger Fleisch – produziert wird immer mehr
Und auch in andere Länder wird mehr exportiert. Verkauften deutsche Erzeuger vor einem Vierteljahrhundert nur rund 240.000 Tonnen Schwein ins Ausland, waren es im Jahr 2019 schon fast zehn Mal so viel. Während die Deutschen immer weniger Schweinefleisch essen und sich immer mehr Menschen an den trostlosen Haltungsbedingungen für die sensiblen Tiere stören – steigt die Produktion für den Export.
Auf diesen Missstand weisen Tier- und Naturschützer seit langem hin. Denn in Mega-Mastanlagen, die auch noch mit öffentlichen Geldern subventioniert werden, fristen Schweine ein erbärmliches Dasein, die Leiden vor und während der Schlachtung sind hinlänglich dokumentiert. Während das Fleisch in ausländischen Kühltheken landet, bleiben die Nebenwirkungen und Überreste der Turbo-Produktion in Deutschland: etwa die Ammoniak-Belastung der Luft, Nitrat und Antibiotika in Böden und Grundwasser.
Wenn jetzt in Schweinemastbetrieben Infektionen bekannt werden sollten, droht auch noch die "vorsorgliche" Tötung und Vernichtung aller Tiere. Das System Schwein würde sich dann von seiner vielleicht inhumansten Seite zeigen. Ein System, in dem es nicht um das Wohl und die Bedürfnisse und schon gar nicht um die Würde eines Tieres geht. Sondern um Einkaufspreise, Fleischansatz, Absatzmärkte.
Das Export-Wachstum ist zukunftsvergessen
Zurzeit stehen die Sauenhalter im Fokus, die nun auf ihren Erzeugnissen sitzen bleiben, denen der finanzielle Ruin droht. Ihnen muss, das steht außer Frage, geholfen werden. Und dann muss der GAU zum Anlass genommen werden, die Exportorientierung der deutschen Fleischwirtschaft zu überdenken. Denn sie ist, wie der grenzenlose Fleischkonsum überhaupt: nicht zukunftstauglich.
Wie kurzsichtig und verantwortungslos Fleischwirtschaft und Landwirtschaftspolitik seit Jahren agieren, zeigt übrigens ein Blick auf die Ursachen des deutschen "Exportwunders". In China ist die Nachfrage nach deutschem Schweinefleisch nämlich auch deswegen gestiegen, weil im eigenen Land seit Ende 2018 eine Tierseuche grassiert: die Afrikanische Schweinepest. 100 Millionen – überwiegend gesunde – Tiere wurden dort allein im vergangenen Jahr getötet. Dass der Erreger seinen Weg nach Deutschland fand, war nur eine Frage der Zeit.