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Kommentar Schützen wir die Natur, schützen wir unsere Gesundheit

Bundesentwicklungsminister Gerd Müller und Eberhard Brandes, Geschäftsführender Vorstand des WWF Deutschland
Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (li.) und WWF-Vorstand Eberhard Brandes (r.) haben das Ziel, die gefährlichsten Wildtiermärkte so schnell wie möglich zu schließen. Ergebnisse einer aktuellen Umfrage aus fünf asiatischen Ländern stimmen sie hoffnungsvoll, dass dies gelingen kann
© BMZ/Presse // Eberhard Brandes/WWF
Gesundheit, Naturschutz und biologische Vielfalt müssen wir endlich gemeinsam denken. Ein Gastbeitrag von Bundesentwicklungsminister Gerd Müller und Eberhard Brandes, Geschäftsführender Vorstand des WWF Deutschland, zum Internationalen Tag der Umwelt

Das Auftreten von Corona war eine Frage der Zeit. Seit Jahren warnen Mediziner, Biologen und Umweltschützer: Durch den Verlust vitaler Ökosysteme und den illegalen Wildtierhandel ist die Gesundheit des Planeten und unsere eigene Gesundheit in Gefahr. Zwei Drittel aller beim Menschen neu auftretenden Infektionskrankheiten wie COVID-19, Ebola oder Vogelgrippe stammen ursprünglich von Tieren. Die Gefahr, dass Viren auf Menschen überspringen, steigt dabei, je mehr natürliche Lebensräume der Wildtiere schrumpfen. Das passiert derzeit in dramatischer Geschwindigkeit: Alle vier Sekunden wird Wald von der Fläche eines Fußballfeldes abgeholzt. 85 Prozent der weltweiten Feuchtgebiete sind verloren. Die genetische Vielfalt nimmt so rasant und besorgniserregend ab: Jede achte Art ist vom Aussterben bedroht. Die Rate ist 1000-mal höher als sie es natürlicherweise wäre. Die derzeitige Pandemie, unter der die gesamte Menschheit leidet, ist so auch eine Folge menschlichen Handelns, eine Folge der Naturzerstörung und unseres ausbeuterischen Umgangs mit den Lebewesen dieses Planeten.

Alles hängt mit allem zusammen

In gesunden Ökosystemen bilden Millionen von Tier- und Pflanzenarten, Parasiten, Viren, Pilze und Bakterien ein Gleichgewicht. Die Stärke des Systems ist seine Vielfalt. Erreger, die für Menschen gefährlich sind, müssen bei ihrem tierischen Wirt nicht zwangsläufig Krankheiten auslösen. Wo Wälder gerodet oder Wildtiere ausgerottet werden, zerstören wir dieses Gleichgewicht. Krankheitserreger verlieren ihren Wirt und suchen sich einen neuen - etwa den Mensch.

Spillover wird dies genannt, wenn in der Folge die Infektion von Menschen ausgelöst wird. In Afrika wurde beobachtet: Durch den Bau von Staudämmen nahm die Population wandernder Süßwassershrimps drastisch ab. Dies führte dazu, dass sich die Beutetiere der Shrimps, bestimmte Schneckenarten, dramatisch vermehrten. Die Schnecken sind wiederum Zwischenwirt des Bilharziose-Erregers. In der Folge nahm die Erkrankung beim Menschen zu. Und eine brasilianische Studie zeigt, dass selbst die geringe Abholzung von vier Prozent eines Waldes mit einer fast 50-prozentigen Zunahme der Malariafälle beim Menschen einherging. Die Beispiele verdeutlichen: Die Beziehungen zwischen Mensch, Tier und Pflanzen sind komplex. Alles hängt mit allem zusammen. Fallen einzelne Glieder weg, wird das System instabil und Krankheitserreger haben leichteres Spiel. Virologen haben bereits 40 weitere zoonotische Viren mit Pandemie-Potenzial wie Corona identifiziert.

Palmöl in fast jedem zweiten Supermarktprodukt

Ein Schlüsselfaktor, um diese Gefahr einzudämmen, ist der Schutz der biologischen Vielfalt und vitaler Ökosysteme, allen voran der letzten, großen Wälder. Aus westlicher Sicht scheint es leicht, mit dem Finger auf Entwicklungs- und Schwellenländer zu zeigen, die Brandrodungen, Wilderei und illegalem Artenhandel keinen Einhalt gebieten wollen oder können. Doch auch wir in Deutschland tragen zur Zerstörung der biologischen Vielfalt bei – und öffnen Krankheitserregern damit Tür und Tor. Etwa indem wir Schweine und Geflügel mit nicht-zertifiziertem Soja füttern. Um die Plantagen möglichst billig anzulegen werden in Lateinamerika riesige Landstriche zerstört und brennen die Savannen und Regenwälder. Das gleiche gilt für nicht-zertifiziertes Palmöl. Palmöl - vor allem aus tropischen Ländern wie Indonesien und Malaysia - ist mittlerweile fast jedem zweiten Supermarktprodukt wie Shampoo, Waschmittel oder Margarine zu finden.

Deswegen müssen wir erstens viel entschlossener die natürlichen Lebensräume schützen. Im Interesse unserer Gesundheit brauchen wir einen sofortigen Stopp der weltweiten Entwaldung und eine europäische gesetzliche Regelung für entwaldungsfreie Lieferketten. Das Klimaziel von Paris und die Nachhaltigen Entwicklungsziele der Vereinten Nationen geben uns die Richtung vor.

Die deutsche Entwicklungspolitik geht hier voran und schützt, unter anderem zusammen mit dem WWF, den Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen weltweit in über 500 Gebieten auf einer Fläche über viermal so groß wie Deutschland. Im Naturschutzgebiet Kavango-Zambezi im südlichen Afrika fördern wir beispielsweise gemeinsam Wildtierkorridore, die im größten grenzüberschreitenden Naturschutzgebiet fünf Länder verbinden. Und in Indonesien, auf der Insel Borneo, stärkt das Entwicklungsministerium entwaldungsfreie Lieferketten über den Anbau nachhaltigen Palmöls - auf einer Fläche so groß wie Belgien. Davon profitieren insbesondere Kleinbauern.

Ergebnisse einer WWF-Umfrage stimmen hoffnungsvoll

Und zweitens müssen wir konsequent gegen unregulierten und illegalen Wildtierhandel und Wildtiermärkte vorgehen. Deswegen haben das Entwicklungsministerium, der WWF und weitere Partner wie die Zoologische Gesellschaft Frankfurt und die Wildlife Conservation Society vor wenigen Wochen die „Internationale Allianz gegen Gesundheitsrisiken im Handel mit Wildtieren und Wildtierprodukten“ gegründet. Ziel ist es, die gefährlichsten Wildtiermärkte so schnell wie möglich zu schließen. Denn dort kommen besonders viele Menschen, Wild- und Nutztiere unter katastrophalen hygienischen Bedingungen zusammen. Das Fleisch der Wildtiere wird ungekühlt zum Verzehr sowie Knochen und Hörner zu medizinischen Zwecken angeboten. Besonders bedenkliche Tierarten sind Fledermäuse, Primaten, Schleichkatzen oder Schuppentieren. Hotspots sind Südostasien und Afrika, unter anderem Vietnam und das Kongobecken. Ein erster Schritt der neuen Allianz ist es, die weltweit 50 größten und riskantesten Märkte zu identifizieren. In China sind bereits die meisten Wildtiermärkte geschlossen. Wir arbeiten mit der Regierung daran, dass die Märkte auch geschlossen bleiben.

Hoffnungsvoll stimmen Ergebnisse einer aktuellen WWF-Umfrage aus fünf asiatischen Ländern, wie Thailand oder Vietnam. Über 90 Prozent der Befragten unterstützen es, dass ihre Regierungen diese Märkte schließen. Das ist ein beeindruckender Rückhalt.

Denn eine Lehre aus COVID-19 muss sein: Schützen wir die Natur, schützen wir auch unsere Gesundheit.

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