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Kastenstand In Deutschland dürfen Sauen wochenlang fixiert werden - Schluss damit!

Schweinehaltung in Deutschland
Im Kastenstand können Muttersauen sich bis zu fünf Wochen lang nicht einmal umdrehen - von einem natürlichen Kontakt zu ihren Jungen zu schweigen
© Büttner/dpa/picture alliance
In Deutschland dürfen Zuchtsauen wochenlang im Kastenstand gehalten werden. Tierschutz-Verbände nennen das Tierquälerei. Der Bundesrat hat jetzt die Chance und die Pflicht, dieser Praxis ein Ende zu bereiten. Ein Kommentar

+++ Kolumne "Alles im grünen Bereich" +++

Wer das System Schwein verstehen will, muss sich zweierlei ansehen. Erstens, das Schwein: Hausschweine sind verspielt, lieben ausgiebige Schlammbäder, sind sozial – und nach Meinung von Verhaltensforschern intelligenter als Hunde. Schwangere Tiere bauen für ihren Nachwuchs sogar weich gepolsterte Nester.

Zweitens das System: Eine Zuchtsau pendelt ihr kurzes Leben lang zwischen Besamungszentrum und Abferkelstall. Drei bis vier Wochen nach der Geburt wird sie von ihren Jungen getrennt – und wieder besamt, Hormoneinsatz inklusive. Schon nach wenigen Jahren sind solche Sauen ausgelaugt und enden im Schlachthof. Viele von ihnen verbringen ihr halbes Leben in etwas mehr als körpergroßen Metallkäfigen. Diese sogenannten Kastenstände dienen dazu, die Zuchtsau für die Besamung und um den Geburtstermin herum zu fixieren, für jeweils bis zu fünf Wochen. Umdrehen ist genauso unmöglich wie ein entspanntes Liegen, von einem normalen Kontakt zu den eigenen Jungen und Fürsorge ganz zu schweigen.

So ist das empfindungsfähige Lebewesen eingespannt in ein System maximaler Kosten-Nutzen-Effizienz bei minimalem Tierschutz. Zur Seite stehen den Tieren nur das Tierschutzgesetz, Gerichte und Urteile – die sich in der Praxis allerdings oft als zahnlos erweisen. Der Kastenstand ist ein gutes Beispiel dafür.

Schon im Jahr 2015 urteilte das Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt, dass die üblichen Kastenstände zu klein sind. Und forderte, dass die fast zwei Millionen Zuchtsauen, die in Deutschland gehalten werden, sich zumindest mit ausgestreckten Beinen auf die Seite legen können. Denn so will es das Gesetz, übrigens schon seit 1988. Und hier kommt die Politik ins Spiel.

Ein Deal zulasten der Tiere

Wie löst die zuständige Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner das Jahrzehnte alte Problem? Sie lässt im Entwurf der neuen Verordnung einfach den Passus streichen, nach dem Sauen "in Seitenlage die Gliedmaßen ausstrecken" können müssen. Die Gesetzeslage der Realität anpassen, nennt man so etwas. Zwar sieht ihr Entwurf auch eine Vergrößerung der Kastenstände um Zentimeter vor – aber mit einer großzügigen Umstellungsfrist von bis zu 17 Jahren. Selbst nach Ablauf dieser quälend langen Frist, so befürchten Tierschutzverbände, sei nicht sichergestellt, dass Sauen in ihrer tagelangen Fixierung liegend ihre Beine ausstrecken können. Von einer Abschaffung des Kastenstandes ganz zu schweigen.

Man muss dem Agrarausschuss des Bundesrats zugutehalten, dass er der Landwirtschaftsministerin das nicht durchgehen lassen will – und seinerseits zahlreiche Änderungsvorschläge zum Entwurf eingebracht hat. Inklusive einer Reduktion der Einsperrdauer auf wenige Tage statt mehrerer Wochen. Aber ist das schon Tierschutz? Oder nur eine punktuelle Verringerung von Tierqual? Ein Schutz gegen allzu hemmungslose Ausbeutung?

Die Meinungen darüber gehen weit auseinander. So weit, dass die ursprünglich für den 14. Februar angesetzte Abstimmung im Bundesrat über die neue Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung kurzfristig von der Tagesordnung genommen wurde. Nächster Beratungstermin ist voraussichtlich der 13. März.

Übrigens soll niemand behaupten, ein komplettes Kastenstand-Verbot sei nicht möglich. In Finnland, Norwegen und der Schweiz ist es längst Realität. In Schweden ist die Käfighaltung für Schweine sogar schon seit 1988 verboten. So lange, wie deutsche Zuchtsauen gesetzlich garantiert im Liegen ihre Beine ausstrecken können. Eigentlich.

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