+++ Kolumne "Alles im grünen Bereich" +++
Wir hatten es uns gerade so schön eingerichtet mit dem Zwei-Grad-Ziel. In Paris ließen sich Staatsoberhäupter für einen Meilenstein des internationalen Klimaschutzes feiern. Und bekannten sich einmal mehr zu der magischen Grenze. Mehr noch: Auf Drängen der kleinen Inselstaaten ließ man sich sogar dazu herbei, 1,5 Grad anzuvisieren. Alles schien in bester Ordnung.
Fast drei Jahre später sind mindestens zwei gravierende Probleme sichtbar geworden:
1. Wir werden das Zwei-Grad-Ziel ohnehin krachend verfehlen. Heute muss man sehr lange nach seriösen Klimaforschern suchen, die das 1,5-Grad-Ziel nicht für utopisch, und das Zwei-Grad-Ziel noch für erreichbar halten. Zu langsam gehen die Emissionen in den Hauptverursacherländern zurück (in Deutschland von 2016 auf 2017 gerade mal um 0,5 Prozent). In anderen Ländern, zum Beispiel im gigantischen Reich der aufgehenden Sonne, schicken sich weit über eine Milliarde Menschen gerade erst an, den ruinösen westlichen Lebensstil zu imitieren.

2. Wir haben lange und gerne geglaubt, dieses Limit sei nicht nur einhaltbar - sondern auch sicher. Das ist eine Chimäre. Denn das Zwei-Grad-Ziel ist ein politisches. Es existieren keine in Grad Celsius bemessbaren Punkte, an denen sich für das Klima alles entscheidet. Schon vor Jahren haben Forscher gewarnt, die zwei Grad Erderwärmung würden nur die Grenze zwischen „gefährlichem“ und „sehr gefährlichem“ Klimawandel markieren. Der Amerikaner James E. Hansen nannte das Zwei Grad-Ziel sogar ein „Rezept für eine Katastrophe“. Jetzt legen Klimaforscher nach: Schon eine Erwärmung um bis zu zwei Grad könnte unumkehrbare Prozesse anstoßen, das Treibhaus außer Kontrolle geraten. Und sprechen von einer möglichen menschengemachten „Heißzeit“. Deren Folgen könnte alle noch so dringlichen Warnungen von Klimaforschern in den Schatten stellen: Weite Teile der Erde würden durch Hitze und einen Anstieg des Meeresspiegels um viele Dutzend Meter unbewohnbar.
Alles Panikmache von Klimaforschern, die sich wichtig machen wollen und um Fördergelder buhlen? Wohl kaum. Was, wenn sie Recht haben? Außerdem: Wir wissen schon zu viel, um nicht zu handeln. Wer diesen jüngsten Warnschuss nicht gehört hat, ist taub.
Ein Umsteuern ist immer noch möglich
Mit stoischem Gleichmut rufen die Forscher nun die Staatengemeinschaft dazu auf, umzusteuern, um die Erde bewohnbar zu erhalten. Nichts in ihrem Werkzeugkoffer ist neu. Neu dürfte allerdings sein, dass wir, also vor allem die Hauptverursacherländer, tatsächlich jedes dieser Werkzeuge nutzen müssen, um das Allerschlimmste noch zu verhindern: Dekarbonisierung der Wirtschaft, Stärkung von Kohlenstoffsenken wie Wäldern und Mooren, technologische Innovationen – und eine Abkehr von klimaschädlichem Verhalten, inklusive jener gesellschaftlicher Werte, die es befeuern.
Wir sollten uns in Deutschland mal darüber unterhalten, ob es angesichts des drohenden Klima-Super-GAUs ausreicht, zu streiten, wer für die Kosten von Diesel-Nachrüstungen aufkommen soll. Vielleicht bietet der Dürre- und Jahrhundertsommer 2018 eine zusätzliche Motivation.