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Katastrophale Zustände Warum unser Gemüse so günstig ist: Fünf erschreckende Erkenntnisse aus der Doku “Europas dreckige Ernte”

Gemüse im Supermarktregal
Wird oft unter katastrophalen Bedingungen geerntet: Gemüse im Supermarktregal
© BR/Jan Zimmermann
Wer für das billige Gemüse aus dem Süden Europas wirklich zahlt, zeigt eine Doku des Bayerischen Rundfunks

Tomaten sind der Deutschen Lieblingsgemüse. Doch der heimische Ertrag reicht bei weitem nicht, um unseren Bedarf zu decken. In den Supermärkten und Discountern liegen darum kistenweise sonnenverwöhnte Früchte aus Südeuropa – vor allem aus Spanien und Italien. Und das zu preisen, zu denen heimische Bauern kaum produzieren können.

Wie das möglich ist, hat sich ein Team des Bayerischen Rundfunks für eine Doku angesehen. Der Titel: “Europas dreckige Ernte”. Was die Reporter bei ihren Recherchen vor Ort herausfanden, ist erschreckend. Die zentralen Erkenntnisse:

1. Dumpinglöhne – auch im Bio-Anbau

Im weltgrößten Anbaugebiet mit Gewächshäusern, im spanischen Almeria, arbeiten Erntehelfer zu Dumpinglöhnen. Nach den Recherchen der BR-Reporter zahlen Produzenten ihnen oft nur 25 Euro pro Tag – statt des Tariflohns von 47 Euro. Möglich macht das ein erbarmungsloser Arbeitsmarkt. Denn Zehntausende Flüchtlinge aus Afrika suchen im Süden Europas nach Arbeit und einem besseren Leben. Offenbar nutzen viele Landwirte und Grundbesitzer das aus. Gewerkschaften und Flüchtlingsorganisationen sprechen sogar von „moderner Sklaverei“. Die Arbeiter leben derweil unter menschenunwürdigen Bedingungen. In Dutzenden sogenannten Chabolas hausen die modernen Lohn-Sklaven in improvisierten Hütten aus Müll.

2. Der Arbeitsschutz wird missachtet

In vielen Fällen wird nicht nur zu wenig Geld gezahlt – sondern auch der Arbeitsschutz missachtet, wie die BR-Reporter aufdeckten. So mussten Tagelöhner in einem Bio-Betrieb Pflanzenschutzmittel ohne Schutzkleidung versprühen – obwohl das Tragen von Ganzkörperschutzanzügen und eine besondere Ausbildung für das Ausbringen von Giftstoffen gesetzlich vorgeschrieben ist. Das gilt auch für schwefelhaltige Pestzide, die auch im Bio-Anbau zugelassen sind. Offenbar werden Arbeiter auch schikaniert, wie die BR-Reporter berichten.

Notunterkünfte von Erntehelfern in Spanien
In solchen selbstgezimmerten Hütten aus Müll hausen Tausende Erntehelfer in Spanien
© BR/Jan Zimmermann

3. In Italien organisiert die Mafia die Arbeitskräfte

In Italien organisieren zum Teil kriminelle Banden, darunter auch ein Mafia-Clan, die 'Ndrangheta, die billigen Arbeitskräfte. Einen Teil ihres kargen Lohns müssen die Arbeiter an ihre Vermittler abtreten.

4. Ausbeutung powered by EU

Die Landwirte, die gegen Sozialstandards verstoßen, kassieren nach BR-Recherchen millionenschwere EU-Subventionen. Ein Betrieb in der Region Almeria etwa soll in den vergangenen drei Jahren 3,4 Millionen Euro Fördergelder erhalten haben – obwohl er gegen Arbeitsschutz- und Lohnbestimmungen verstoßen hat. Der zuständige EU-Kommissar, Paul Hogan, sieht auf Nachfrage allerdings keinen Handlungsbedarf.

5. Der deutsche Einzelhandel profitiert

Von dem System der Ausbeutung profitieren offenbar auch deutsche Supermarktketten und Discounter wie Edeka, Rewe, Real, Penny und Lidl. Die verweisen zwar auf die örtlichen Behörden und Label wie Global G.A.P., die die Einhaltung von Sozialstandards garantieren sollen. Doch mit ihrer Preispolitik sind sie offenbar für die Arbeitsbedingungen mitverantwortlich und ein Hauptgrund für die Ausbeutung, wie die Hilfsorganisation Oxfam betont. Gegenüber den BR-Reportern bezeichneten Landwirte aus der Region Almeria die deutschen Handelsketten als die größten Preisdrücker.

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