Streit in der Familie
Ob bei den Hausaufgaben, beim Aufräumen oder Zähneputzen: Oft liegen die Meinungen von Eltern und Kindern bei der Diskussion dieser Themen weit auseinander. Zorn flammt dann auf. Streiten ist daher ein Teil der Erziehung. Ein zweifelsfreies Richtig oder Falsch gibt es dabei ebenso wenig wie Patentrezepte, die sich für jedes Kind, jede Familie eignen.
Doch eines ist gewiss: Eine Auseinandersetzung der Eltern mit ihren Kindern läuft nicht nach den gleichen Regeln ab wie unter Erwachsenen. Denn der Erziehende muss zwei Rollen vereinen, sagt der Kommunikationspsychologe Friedemann Schulz von Thun.
Er muss zum einen Akzeptanz beweisen – also zulassen, dass der heranwachsende Mensch sich nach eigenen Gesetzen, in einem eigenen Tempo entfaltet. Und zum anderen zugleich Autorität zeigen: das Kind anleiten, manches gutheißen, anderes verbieten. Wer mit Kindern oder Jugendlichen streitet, bewegt sich also immer in einem Spannungsfeld.
Tipps von Psychologen zum richtigen Streitverhalten
Daher sollten Eltern, so raten Psychologen und Pädagogen, stets vier Grundregeln beherzigen:
- Kinder brauchen Grenzen.
Konflikte entspinnen sich bereits mit Krabbelkindern. Dann ist naturgemäß meist keine Diskussion möglich, dazu ist das Ausdrucksvermögen noch nicht ausreichend entwickelt. Doch ein bestimmtes "Nein" der Eltern verstehen bereits die Kleinsten. Und so eine klare Grenze ist wichtig für deren Entwicklung, denn auf diese Weise können sie lernen, Bedürfnisse der anderen zu erkennen. - Drohungen vermeiden, Folgen aufzeigen.
Wenn Kinder oder Jugendliche eine Regel nicht akzeptieren wollen, halten sie oft mit lautstarkem Protest dagegen. Der Versuch, sie mit Strafdrohungen zu kooperativem Verhalten zu bewegen, ist da in der Regel keine geeignete Lösung – denn häufig wird der kindliche Widerstand dadurch nur verstärkt. Stattdessen ist es besser, die Kinder die Folgen ihres Handelns spüren zu lassen (sofern es sich dabei um vertretbare Folgen handelt).
Wer bei Minusgraden trotz aller Warnungen die dünne Sommerjacke anzieht, wird außer Haus schnell bedauern, nicht die Aufforderung zum Tragen einer warmen Jacke befolgt zu haben. Und wer elektronische Medien länger genutzt hat als abgesprochen, wird sich am nächsten Tag ärgern, wenn der Medienkonsum dann gestrichen ist. - Verhalten tadeln, nicht die Persönlichkeit.
Beim Schimpfen sollten sich Eltern darauf beschränken, das Verhalten des Kindes zu tadeln, nicht dessen Charakter. Worte wie "Nervensäge" oder "Dummkopf" schädigen das Selbstbild des Kindes, bewirken aber nicht, dass es sein Fehlverhalten beendet. - Zuhören und verstehen wollen.
In Diskussionen wünschen sich Kinder, so wie Erwachsene, Respekt und Verständnis für ihre Situation. Werden sie als Gesprächspartner ernst genommen und ihre Vorschläge angehört, trägt das zu einer erfolgreichen Konfliktlösung bei.
Vorbildfunktion gerecht werden
Damit Streitereien eine Familie nicht dauerhaft belasten, raten Experten aber vor allem: Eltern sollten ein gutes Vorbild sein. Geraten Vater und Mutter in einen Konflikt miteinander, müssen sie den nicht vor den Kindern verstecken – aber klar kommunizieren, dass die keine Schuld an der Missstimmung tragen.
Und an den Erwachsenen sollten die Kleinen erleben, wie ein Konflikt friedlich und konstruktiv besprochen wird: Im besten Fall endet er mit einer Lösung. Haben Eltern den Eindruck, dass ihre Kinder im Vergleich zu anderen sehr aggressiv und streitlustig auftreten, können ihnen verschiedene Schulungsprogramme helfen. Sie reichen von Erziehungstrainings für Eltern über spielerische Lektionen im Unterricht bis zu Benimmregeln und Belohnungen für positives Verhalten.
Als erfolgreich erwiesen haben sich etwa das "Effekt"-Training, entwickelt an der Universität Erlangen-Nürnberg, oder die "Faustlos"-Schulungen vom Heidelberger Präventionszentrum für Eltern und Pädagogen in Kindergärten und Grundschulen.
Im Detail mögen solche Programme unterschiedlich sein, doch ihr Kern ist stets ähnlich: Kinder und Eltern sollen lernen, Emotionen anderer richtig einzuschätzen – und erleben, dass sie ihren eigenen Empfindungen nicht hilflos ausgeliefert sind. Das ist eine der wichtigsten Voraussetzungen für einen fairen, nicht zerstörerischen Streit.