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Diäten müssen sich dem Alltag anpassen - nicht andersherum
Wenn der kanadische Diät-Experte Yoni Freedhoff mit adipösen Patientenin seiner Klinik beratschlagt, wie sie ihr Gewicht reduzieren können, holt er oft seinen Rezeptblock hervor und verschreibt ihnen Dinge, die in ihrem Ernährungsplan keinesfalls fehlen sollten. Das kann Schokolade sein. Oder Eiscreme. Oder eine Packung Kekse.
Freedhoff meint das ernst. Jahrelang hat er stark übergewichtige Klienten betreut – und festgestellt: Wenn jemand langfristig ein gesundes, reduziertes Gewicht erreichen will, ist es überaus wichtig, dass er sich ab und zu Ess-Sünden erlaubt. In Deutschland hat Umfragen zufolgejede zweite Frau und etwa jeder vierte Mann bereits eine Diät ausprobiert. Und vier von fünf Frauen haben mindestens einmal eine Schlankheitskur wieder abgebrochen.
Schlägt eine Diät fehl, liegt das zuweilen daran, dass die Biologie des Körpers das Abnehmen erschwert – aber häufig auch an Fehlern, die Abnehmwillige begehen. Viele Menschen verbauen sich den Weg zum Erfolg dadurch, dass sie sich unrealistische Ziele setzen – etwa, in sechs Wochen 15 Kilo zu verlieren. Zeichnet sich ab, dass dies nicht zuschaffen ist, schwindet die Motivation. Und der Betreffende beginnt oft aus Frust, umso mehr zu essen; denn nun ist es ja ohnehin egal, so der Gedanke. Andere scheitern an Diätplänen, die keinerlei Platz für Genuss lassen oder schlicht nicht zur Lebenssituation passen: weil die Pläne beispielsweise verlangen, dass allabendlich Verzicht geübt wird, während sich der Rest der Familie an einen reich gedeckten Abendbrottisch setzt. Die meisten halten eine solche Situation nicht lange durch – und das hat nichts mit Schwäche zu tun.
Wer abnehmen will muss sich realistische Ziele setzen
Vielmehr haben Forscher in zahlreichen Studien nachgewiesen, dass Disziplin für jeden von uns eine begrenzte Größe ist. Sie ist buchstäblich eine Kraft, die sich erschöpft und wieder neu getankt werden muss. Und da ein Mensch im Durchschnitt am Tag mehr als 200 Entscheidungen zum Thema Essen trifft, verlangen sehr viele dieser Entschlüsse während einer Diät eine enorme Willensstärke – was die mentalen Reserven früher oder später schlicht erschöpft. Ist der Betreffende noch dazu müde oder gestresst, greift er irgendwann fast automatisch zum Schokoriegelstatt zum Möhrensnack.
Nur wenn Regeln zum Alltag passen, kann man sie langfristig befolgen. Das Abnehmvorhaben sollte zudem über möglichst präzise Schritte umgesetzt werden. Der Diätwillige sollte sich nicht vage vornehmen, „gesünder zu essen“ und „mehr Sportzu treiben“, sondern sich ein konkretes Ziel setzen. Etwa: „Ich werde jeden Abend 20 Minuten spazieren gehen – unabhängig vom Wetter.“ Oder: „Ich will nichts in den Einkaufswage nlegen, ohne auf dem Etikett nachzusehen, was an Kalorien und Nährstoffen darin enthalten ist“ – um so bewusst zu entscheiden, wie viel Eiscreme oder Kuchen tatsächlich notwendig sind, um glücklich zu sein. Stets sollte man sich fragen: Sind die Kalorien die Sache wert? Die Antwort kann dann durchausauch einmal „ja“ lauten.

Kleine Tipps helfen bei mangelnder Disziplin
Wissenschaftlich belegt ist, dass bereits kleine Tricks helfen, weniger zu essen. So fühlen Menschen sich schneller satt, wenn sie eine Portion von einem kleinen Teller verspeisen (der gefüllter aussieht). Und sie lassen sich weniger leicht von Leckerbissen verleiten, wenn sie ein paar Schritte dafür gehen müssen, wenn also die Keksdose im Keller steht. Oder besser noch: kein Gebäck im Haus greifbar ist.
Vielen Menschen hilft es zudem, wenn sie Ansporn von außen bekommen, etwa bei Gruppentreffen mit anderen Diäthaltenden. Oder wenn sie ein Esstagebuch führen und sich so Rechenschaft ablegen. Zudem achten viele Menschen, die nachhaltig ihr neues Gewicht halten, auf regelmäßige Bewegung; empfehlenswert ist eine Stunde pro Tag. Manche gehen spazieren, andere setzen sich auf ihr Fahrrad oder gehen ins Fitness-Center. Viele Studien zeigen, dass es ohne regelmäßige körperliche Aktivität keine dauerhafte Gewichtsreduktion geben kann. Bewegung allein reicht zwar nicht aus zum Abnehmen, aber sie verhindert, dass Diäthaltende die verlorenen Pfunde hinterher wieder zulegen.

Auch achten erfolgreiche Langzeitabnehmer darauf, regelmäßig zu essen, meist drei Haupt- und zwei kleine Zwischenmahlzeiten. Sie neigen nicht dazu, sich bei besonderen Anlässen anders zu ernähren als im Alltag, sie kochen die meisten Mahlzeiten selber – und sie kontrollieren mindestens einmal pro Woche ihr Gewicht. Zu ihrem Erfolg trägt sicher auch bei, dass sie vergleichsweise wenig Zeit vor dem TV-Gerät verbringen. Wichtig ist aber vor allem, dass die Lust am Alltag bleibt, so Diät-Experte Yoni Freedhoff: „Macht das Leben keinen Spaß, während man abnimmt, nimmt man fast sicher wieder zu.“