GEO Special: Dünne Luft, Kälte, gefährliche Höhe. Warum tut man sich den Mount Everest eigentlich an?
Markus Wolff: Ich habe während meiner Zeit im Basislager mit vielen Bergsteigern gesprochen, und die Gründe sind natürlich verschieden: Mal ist es Abenteuerlust, mal persönlicher Ehrgeiz. Andere wollen sich schlichtweg einen Titel holen. Eine Japanerin, die ich traf, wollte unbedingt mit 70 Jahren älteste Bezwingerin aller Zeiten werden. Ein paar Versuche hatte sie schon hinter sich: Einmal war ein Mitglied ihrer Gruppe gestorben, ein anderes mal fand ihr Sherpa den Weg nicht, ein drittes Mal wurde sie eine Woche in ihrem Camp vergessen. Jetzt war Versuch Nummer vier an der Reihe. Der ist allerdings auch gescheitert. Dieses Mal lag es an ihren Kräften. Grundsätzlich sind es aber wohl zwei Gründe, die den Everest für viele so anziehend machen: Als höchster Punk der Welt ist er natürlich ein Symbol und technisch dabei aber nicht zu schwer zu besteigen.

GEO Special: Nun bekommt der Everest ja auch viel negative Presse. Oft wurde er als höchste Müllkippe der Welt bezeichnet. Hat man dieses Problem in den Griff bekommen?
Markus Wolff: Ich halte die pauschale Verurteilung des Everest-Tourismus für unangemessen. Keine Frage: Die Kommerzialisierung am Berg hat immer weiter zugenommen. Aber was konkret den Müll betrifft, sind die Auflagen – zumindest auf nepalesischer Seite – in den vergangenen Jahren immer strikter geworden. Inzwischen muss jede Expedition ein Art Müll-Pfand in Kathmandu hinterlegen, meist mehrere tausend Dollar. Und die bekommt nur zurück, wer den Berg so verlässt wie er ihn vorgefunden hat. Das mag zynisch klingen, aber unter die Bezeichnung „Abfall“ fallen nicht nur zurückgelassene Sauerstoffflaschen oder leere Konserven, sondern auch Tote. Und selbst die Toilettenabfälle müssen wieder runtergeschafft werden. Zumindest was das Basislager angeht, kann man wohl sagen, dass es inzwischen wohl einer der saubersten Orte der Welt ist.

GEO Special: Wie muss man sich die touristische Infrastruktur vorstellen? Gibt es überhaupt ein?
Markus Wolff: Nein, auch wenn die Wanderung zum Basislager zu den beliebtesten Trekking-Touren im Himalaya zählt, gibt es für Tagesbesucher dort oben keine Infrastruktur. Man kann kein Essen kaufen und auch keine Getränke. Deshalb marschieren die meisten Besucher nur einmal durch das Lager und machen sich dann gleich wieder auf den Rückweg. Bei den Bergsteigern sieht das anders aus: Da gibt es die Low-Budget-Kletterer, die so günstig wie möglich nach oben kommen wollen und sich mit einfacher Ausrüstung und Verpflegung begnügen. Ich habe mich in meiner Geschichte vor allem auf die Deluxe-Kletterer konzentriert. Für die gibt es große Aufenthaltszelte, drei von einem Koch servierte Mahlzeiten pro Tag und Internetanschluss. Sogar eine Carrera-Bahn. Dafür zahlen sie aber auch 40 000 Euro. Was aber nichts daran ändert: Rauf auf den Berg müssen sie immer noch selbst. Und das ist und bleibt enorm anstrengend. Carrera-Bahn hin oder her.
GEO Special: Wie lange dauert denn die Wanderung zum Everest-Basislager?
Markus Wolff: Auf dem Weg nach oben war ich neun Tage unterwegs. Das lag vor allem daran, dass wir nach zwei bis drei Tagen jeweils einen Tag zur Akklimatisation eingelegt haben. Der Körper muss sich an die Höhe gewöhnen. Als Faustregel gilt: Nie mehr als 300 Meter höher schlafen als am Vortag. Auf dem Rückweg kann man dann so schnell gehen, wie es einem beliebt. Wie haben vom Basislager auf 5350 Metern nach Lukla auf etwa 2800 Metern drei Tage gebraucht. Aber auch das war noch sehr anstrengend. Es ist ein Trugschluss zu glauben, zurück ginge es nur bergab. Immer wieder steigt der Weg auch steil an, und wenn man denkt, gleich sei man am Ziel, kommt noch eine Biegung und noch eine Steigung.
GEO Special: Wie muss man sich den Weg zum Basislager vorstellen?
Markus Wolff: Die gesamte Khumbu-Region lebt vom Tourismus, daher gibt es ein dichtes Netz von Lodges. Je näher diese am Flughafen liegen, desto besser ist ihre Ausstattung. Und je näher man dem Basislager kommt, desto rustikaler werden die Unterkünfte. Am Ende sind die Zimmer auch nichts anderes als Verschläge von Sperrholzplatten. Auch das Essen wird immer einfacher, da ja alles von Träger in die Höhen geschleppt werden muss. Jede Flasche Wasser, jedes Pfund Reis. Hinter dem Ort Namche Bazaar sollte man auch kein Fleisch mehr essen, da es nicht mehr richtig gekühlt werden kann. Landschaftlich ist die Tour einmalig. Man wandert fast durchgehend mit Blick auf imposante 7000er und 8000er. Nur der Everest hält sich divenhaft zurück und zeigt sich auf der gesamten Tour nur sehr selten. In seiner vollen Pracht kann ihn aber sehen, wer auf den 5500 Meter hohen Kala Paathar steigt, den höchsten Punkt meiner Tour.
GEO Special: Muss man eigentlich mindestens ein ambitionierter Hobby-Bergsteiger sein, um im Himalaya seinen Urlaub zu verbringen? Oder für wen eignet sich eine Reise dorthin?
Markus Wolff: Die Reise eignet sich für jeden, der sich für Kultur und Natur interessiert. Und Routen gibt es für jeden Geschmack und für jede Kondition. Auf den meisten Touren stellt auch weniger das Bergsteigen ein Problem dar. Eher die Höhe. Man wird enorm kurzatmig und bekommt schon bei der kleinsten Anstrengung Herzrasen. Ab 4000 Metern wird die Luft enorm dünn, und ab 5000 Metern hing auch mir die Zunge raus wie ein Schlips.