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Frankreich Napoleon Bonaparte – ein Populist und sein gefährliches Erbe

Dank dem Regisseur Ridley Scott und seinem Star Joaquin Phoenix eroberte Napoleon Bonaparte auch die deutschen Kinos. Dem Spross eines korsischen Kleinadeligen gelingt in den Jahren nach der Französischen Revolution eine unwahrscheinliche Karriere. Ihren Höhepunkt erreicht sie an einem eisigen Dezembertag im Jahr 1804: bei der Kaiserkrönung des Emporkömmlings in der Kathedrale Notre-Dame
The Battle of Jena on 14 October 1806. Found in the collection of Musée de l'Histoire de France, Château de Versailles. (Photo by Fine Art Images/Heritage Images/Getty Images)
Der Weg zum Kaiserthron führt über die Schlachtfelder Europas. In den Wirren der Revolution zum General ernannt, siegt Napoleon 1797 in Norditalien über die Österreicher und ist fortan berühmt. Zwei Jahre später putscht er sich an die Macht (Napoleon reitet 1806 gegen Preußen in die Schlacht. Gemälde von Horace Vernet, 1836)
© Fine Art Images/Heritage Images/Getty Images

Diesen Tag, den 2. Dezember 1804, hat Napoleon geplant wie einen Feldzug. Einen Frontalangriff auf die Größe, "die immer herrlich und schön ist". Als könnte man Größe erobern wie ein feindliches Land. 

Architekten haben die Kathedrale Notre-Dame in einen neogriechischen Tempel mit römischen Zügen verwandelt, haben Tribünen für 12 000 Militärs, Funktionäre und Gäste eingebaut, einen Triumphbogen und eine mächtige Treppe, die zur Empore mit dem großen Thron hinaufführt. Haben die Wände mit Behängen aus Samt und Seide verkleidet und vor dem Eingangsportal einen neogotischen Portikus aus Holz, Pappe und Stuck errichtet.

"Gott würde sich nicht wiedererkennen", bemerkt spottend ein Beobachter. Baukolonnen haben die Rue de Rivoli neu gepflastert, die Place du Carrousel und den Quai Bonaparte. Sie haben die Umgebung der Kirche umgestaltet, eine Kapelle zerstört, um einen großen Vorplatz vor der Kathedrale zu schaffen. Haben Privathäuser abgerissen und die Zufahrtsstraßen ausgebaut, um die Durchfahrt der Kutschen zu erleichtern.

Napoleon ist ein Meister der Propaganda

Das Programm steht bis ins Detail. Der Maler Jean-Baptiste Isabey hat die Kostüme im Renaissance-Stil entworfen: Pluderhosen und Westen nach spanischer Art und Hüte aus Velours. Er hat in Spielzeugläden Holzpuppen aufgekauft, hat sie angezogen und mit ihrer Hilfe auf einem Grundriss den Ablauf geprobt.

Erschienen in GEO 12/2023