Hieroglyphen Die Heiligen Zeichen der Ägypter – und wie sie zu lesen sind

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Mehrere Spalten eines altägyptischen Hieroglyphentextes, Malerei
Mit der Erfindung der Hieroglyphenschrift um 3300 v. Chr. (oben ein Beispiel aus späterer Zeit) vollzieht sich am Nil eine Revolu­tion. Nun ist es den Ägyptern möglich, Güter und Besitztümer, Geschehnisse und Ideen festzu­halten
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Die Hieroglyphen der alten Ägypter ließen sich wie die Buchstaben unseres Alphabetes nahezu beliebig kombinieren. Wir erklären, wie die antiken Schriftzeichen vom Nil zu lesen sind

Die alten Ägypter verfügten über Hunderte Hieroglyphen, die unterschiedlich verwendet werden konnten. Sie zu lesen, gleicht daher einem verspielten Bilderrätsel. Los geht's. Die meisten Symbole bezeichneten Laute, die aus einem Konsonanten oder aus zwei, drei, selten sogar vier Konso­nanten zusammengesetzt waren. In der klassischen Schrift des Mittleren Reichs aus der Zeit um 1900 v. Chr. wurden 24 Einkonsonantenzeichen verwendet.

Tabelle mit Hieroglyphenzeichen, was sie darstellen und wie sie auszusprechen sind
Diese und die folgende Tabelle zeigen die insgesamt 24 Einkonsonantenzeichen, wie sie zur Zeit des Mittleren Reiches um 1900 v. Chr. üblich waren
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Einige Schriftzeichen entsprechen exakt einem Buchstaben

Ähnlich wie bei unserem Alphabet entspricht dabei jeweils ein Symbol einem einzelnen Buchstabenlaut. Vokale wurden – wie in den meis­ten semitischen Sprachen bis heute üblich – nicht ge­schrieben. Daher setzen Ägyptologinnen und Ägyptologen wo nötig den Vokal "e" als Aussprachehilfe zwischen den Konsonanten ein und lesen sogenannte schwache Konsonanten wie "j" oder "w" als "i" oder "u". Die Zeichenfolge aus Hocker "p" und Brot "t" sprechen sie beispielsweise "pet" aus.

Tabelle mit Hieroglyphenzeichen, was sie darstellen und wie sie auszusprechen sind
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Hieroglyphen können aber auch für ganze Wörter stehen

Neben dem Gebrauch als Lautzeichen konnten Hie­roglyphen auch als Wort­- und Deutzeichen benutzt werden. Wortzeichen sind die Symbole dann, wenn sie genau das bezeichnen, was sie darstellen. Ein Beispiel: Das Symbol für das sandige Hügelland (ausgesprochen "chaset") meint dann nichts anderes als "sandiges Hügelland".

Tabelle mit Hieroglyphenzeichen und ihrer Bedeutung
Das Hieroglyphische gleicht einem verspielten Bilderrätsel. Diese und die folgende Tabelle zeigen einige wenige von Hunderten Wort- und Deutzeichen, über die die altägyptische Schrift verfügt
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Als nicht mitzulesendes Deutzeichen würde das gleiche Symbol dagegen nur die Bedeutung der vorangestellten Zeichen definieren. So kann es etwa hinter einem Städtenamen angeben, dass es sich um einen Ort im Ausland handelt.

Hieroglyphen: Die Heiligen Zeichen der Ägypter – und wie sie zu lesen sind
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Die Schrift gilt in der Pharaonenzeit als Geschenk der Götter

Einer ägyptischen Überlieferung nach ist der Gott Thot derjenige, der "das Schreiben erfand am Uranfang". Medu netscher, "Gottesworte", wie die Menschen am Nil ihre Schriftzeichen nannten, können von links nach rechts oder von rechts nach links gelesen werden. Orientierung geben die abgebildeten Tiere oder Menschen. Sie blicken stets zum Satzanfang.

Die genauere Konstruktion des Hieroglyphischen mag der folgende, aus vier Wörtern bestehende Beispielsatz verdeutlichen. Der Satz beginnt – entsprechend der Blick­richtung der Vögel – links:

ein Hieroglyphensatz
Die Blickrichtung der abgebildeten Tiere oder Menschen weist im Hieroglyphischen stets zum Satzanfang
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Die ersten drei Symbole des ersten Wortes (1) sind Ein­konsonantenzeichen. Sie stehen für "Wachtelküken", "Bein" und "Wasserlinie" und werden von links nach rechts als die Lautzeichen "w", "b" und "n" ge­lesen – ausgesprochen: "uben". Die vierte Hieroglyphe in diesem Wort ist ein Deutzeichen und dient allein dazu, die nähere Bedeutung anzugeben. Hier zeigt es die strah­lende Sonne und kennzeichnet den Begriff "uben" damit als die Vokabel für "scheinen". (Deutzeichen geben iden­tischen Zeichenfolgen unterschiedliche Bedeutungen. So steht die Kombination aus einem liegenden Hasen über einer Wasserlinie mit zwei gehenden Beinen am Ende für das Wort "eilen". Mit der Strahlensonne als Deutzeichen kann "Hase über Wasserlinie" dagegen "Licht" heißen.)

Das zweite Wort (2) in dem Beispielsatz besteht nur aus einem Symbol, der Sonnenscheibe. Als Wortzeichen benennt diese Hieroglyphe exakt das, was sie darstellt, die Sonne, und hat den Lautwert "ra". Um Wort und Lautzei­chen voneinander zu unterscheiden, wird dem Wortzeichen ein kleiner senkrechter Strich beigestellt.

Die Eule (3) wird wiederum als Lautzeichen gelesen; ihr Symbol steht für den Konsonanten "m" und gibt hier die Präposition "am" wieder. Das letzte Wort (4) beginnt in der oberen Hälfte des Zeichenquadrats mit den beiden Lautzeichen "p" und "t". Darunter steht das Deutzeichen zur näheren Bestimmung des Begriffes "pet". Da es das Himmelsgewölbe darstellt, hat dieses Wort die Bedeutung "Himmel".

Zusammengenommen ergeben sich also die Worte "SCHEINEN-­SONNE­-AM­-HIMMEL" oder der Satz: "Die Sonne scheint am Himmel".