Die Anklage ist lächerlich: 400 Ziegen soll der portugiesische Quartiermeister Fernão de Magalhães auf einem Kriegszug in Marokko aus der Beute zum eigenen Gewinn verkauft haben. Erbost eilt er ohne Erlaubnis seiner Vorgesetzten von Nordafrika an den Hof in Lissabon, um beim König vorzusprechen.
Hinkend betritt der klein gewachsene, bärtige Offizier den Audienzsaal: ein derber Mann von Mitte 30, verschlossen, verbittert - zur geschmeidigen Höflichkeit kaum fähig. Und er kommt nicht etwa, um den König um Unterstützung gegen die falsche Anschuldigung zu bitten, sondern fordert vielmehr die Erhöhung seines Soldes. Schließlich ist er mehrfach verwundet worden, zuletzt hat ihm ein Lanzenstich das linke Bein halb gelähmt.
Doch Emanuel I. ist längst davon unterrichtet, dass sich der Bittsteller unerlaubt von der Truppe entfernt hat, und so fertigt er Magalhães kurz ab. Er befiehlt ihm, sich sofort dem Gericht zu stellen.
Als Magalhães dort freigesprochen wird, pocht er in Lissabon erneut auf die Anerkennung seiner vermeintlichen Ansprüche. Wieder weist der König den lästigen Starrkopf ab. Von nun an erhält Magalhães im expandierenden Weltreich Portugal keine Aufgabe mehr.
Spanien, Portugal und ihr Kampf um die Vorherrschaft der See
Dabei brennt er darauf, sich als Entdecker einen Namen zu machen. Zermürbt fragt er im September 1517 bei Hofe nach, ob er seine Dienste anderswo anbieten dürfe. Der König sagt es zu. Als Magalhães niederkniet, um seine Hände zu küssen, wendet der sich ab. Einen Monat später reist Magalhães über die Grenze nach Sevilla und wird Untertan des spanischen Königs Karl I.
Aus Fernão de Magalhães wird Fernando de Magallane oder Ferdinand Magellan. In Sevilla lernt er Diogo Barbosa kennen, der seit 14 Jahren als hoher Beamter in spanischen Diensten steht. Magellan heiratet dessen Tochter Beatriz und erwirbt dadurch gesellschaftliches Ansehen.
Und er vergräbt sich in Seekarten. Er brütet über einer Idee, die eine der wichtigsten Einnahmequellen Portugals schmälern könnte: den Gewürzhandel.
Lange schon konkurrieren Portugal und Spanien um die Vorherrschaft zur See. 1415 haben portugiesische Kriegsschiffe die Festung Ceuta in Marokko erobert und damit erstmals auf den afrikanischen Kontinent ausgegriffen. Zu den Belagerern Ceutas zählte auch Dom Henrique, der dritte Sohn König Johanns I.
"Henrique o Navegador", "Heinrich der Seefahrer", wie er später genannt wird, holt ab etwa 1420 als Gouverneur der Provinz Algarve Kartographen und Bootsbauer an seinen Hof und lässt neuartige Schiffe bauen: Karavellen, deren Takelung es den Seefahrern ermöglicht, gegen den Wind zu segeln.
Heinrich entsendet Schiffe nach Madeira, zu den Kanaren und zur afrikanischen Westküste. Sie sollen Gold finden, Elfenbein und Sklaven in die Heimat bringen. Nach und nach dringen die Portugiesen entlang der afrikanischen Küste immer weiter nach Süden vor. In Heinrichs Todesjahr, 1460, erreichen sie Sierra Leone. Und als Bartolomeu Diaz fast 30 Jahre später die Südspitze Afrikas umrundet, ist eine entscheidende Etappe auf dem Seeweg nach Indien zurückgelegt.
Von dort stammen Gewürze wie Pfeffer, Ingwer und Zimt - fast so begehrt wie Gold oder Silber. Diese Kostbarkeiten werden nach Kleinasien gebracht und von dort über das Mittelmeer nach Italien verschifft. Auf dem direkten Seeweg, so hofft man in Lissabon, ließe sich das lukrative Monopol der italienischen Kaufleute brechen. Doch noch ist keine Route nach Indien bekannt.
Während Portugal einen Weg dorthin im Osten sucht, schickt Spanien seine Schiffe gen Westen. 1492 glaubt Christoph Kolumbus (den man zuvor in Lissabon abgewiesen hat), auf westlicher Route indisches Festland erreicht zu haben.
Scheinbar berühren sich nun beide Interessensphären, Krieg droht. Doch Papst Alexander VI. verfügt eine Zweiteilung der unentdeckten Welt, der die beiden Seemächte 1494 im Vertrag von Tordesillas zustimmen - eine der größten Anmaßungen der Weltgeschichte.
Sämtliche noch unerschlossenen Gebiete westlich einer Trennungslinie, die ungefähr entlang dem 46. (westlichen) Längengrad von Pol zu Pol verläuft, fallen an Spanien. Die andere Hälfte geht an Portugal. Spanien erhält auf diese Weise fast ganz Amerika. An Portugal fallen Afrika, Indien und ein Teil des noch unentdeckten Brasilien.
1497 verlässt Vasco da Gama mit vier Karavellen Lissabon und erreicht im Jahr darauf Calicut an der Südwestküste Indiens, den größten Hafen Asiens. Zum ersten Mal hat ein Europäer den Subkontinent auf dem Seeweg erreicht.
Im August 1499 kehrt da Gama in seine Heimat zurück. Drei Jahre später bringt er mit 21 Schiffen den Gewürzhandel gewaltsam unter portugiesische Kontrolle. Und 1505 entsendet der portugiesische Hof Dom Francisco de Almeida als Vizekönig nach Indien. Er soll den Gewürzhandel dauerhaft sichern. Mit an Bord: der 25-jährige Magellan.
Ferdinand Magellan erhält eine Audienz beim spanischen König
Dieser Ferdinand Magellan wird wahrscheinlich 1480 im nordportugiesischen Sabrosa geboren und stammt aus einer Familie niederen Adels. Der bescheidene Rang verschafft ihm immerhin Zutritt zum portugiesischen Königshaus: Mit etwa zwölf Jahren geht Ferdinand als königlicher Page an den Hof in Lissabon.
Dort erhält er Unterricht in Algebra, Geometrie, Astronomie und Navigation. 1505 heuert er als einer von 1500 Soldaten in Dom Almeidas Flotte an - und wird in einer Seeschlacht vor dem indischen Cannanore erstmals verwundet.
In den folgenden Jahren erwirbt er sich durch seine Tapferkeit Ansehen: So wehrt er 1509 vor Malakka an der Südwestküste Malaysias einen Überfall Einheimischer auf portugiesische Schiffe ab.
Im selben Jahr erringt Almeida vor der nordwestlichen Küste Indiens einen entscheidenden Sieg. Auch hier spielt Magellan eine wichtige Rolle: In einem Handstreich gelingt es ihm, einen gegnerischen Admiral gefangen zu nehmen.
20 Januar 1518. Magellan reist nach Valladolid, an den Hof des spanischen Herrschers Karl I., und erhält eine Audienz. Er hat sich auf die wichtigste Unterredung seines Lebens gut vorbereitet. Es geht um die Molukken, den einzigen Ort der Erde, an dem die hoch geschätzten Gewürznelken wachsen (die bislang über Kleinasien nach Europa gelangen). Er zieht den Brief eines Freundes hervor, der die Inseln im Malaiischen Archipel als eine "neue Welt" preist, "reicher und großartiger" als Indien.
Dieser Freund ist Francisco Serrão, dem Magellan einst vor Malakka das Leben gerettet hat. Serrão hat sich 1511 mit zwei weiteren Kapitänen im Auftrag des portugiesischen Vizekönigs auf die Suche nach den Molukken gemacht. Im Jahr darauf erreichten sie als erste Europäer den Archipel, Serrão ließ sich auf der Molukken-Insel Ternate nieder.
In Briefen an Magellan preist er die Schönheit und die Reichtümer des Archipels und versucht, den Freund zu überreden, ihn zu besuchen. In seiner Lagebeschreibung aber versetzt Serrão die Inseln viel zu weit nach Osten und damit in die spanische Hemisphäre der Welt.
Erst dieser Fehler bringt Magellan wahrscheinlich auf die Idee, eine Expedition zu den vom undankbaren portugiesischen König beanspruchten Molukken zu planen, zumal der Astronom Ruy Faleiro ihn in seiner Einschätzung bestärkt. (Tatsächlich aber ist noch unklar, in wessen Machtsphäre die Inselgruppe liegt.
Denn der Vertrag von Tordesillas legt in der pazifischen Welt keine Grenze fest). Wie aber die Gewürzinseln erreichen, ohne die portugiesischen Handelswege im Indischen Ozean zu befahren? Der Weg muss gen Westen führen. Doch der amerikanische Kontinent versperrt die Zufahrt ins "Südmeer" auf dieser Route.
Magellan jedoch glaubt fest an eine Ostwestpassage in den Pazifik. Er breitet vor König Karl I. eine Seekarte aus, auf der Küstenlinien eingezeichnet sind, die entscheidende Region im Süden Amerikas jedoch unausgefüllt geblieben ist, "damit sein Geheimnis ihm nicht veruntreut würde", wie ein Historiker notiert, welcher der Audienz beiwohnt.
Der "Generalkapitän" überwacht jedes Detail der Vorbereitungen
Zwar spekulieren Kartographen und Seeleute seit langem über eine Verbindung zwischen Atlantik und Pazifik im Süden der Neuen Welt. Doch ist die Ostküste Südamerikas erst bis zur Mündung des Río de la Plata grob erkundet, sodass auch Magellan nichts über eine tatsächliche Passage zwischen den Meeren weiß.
Der Offizier, der sonst wenig von der Kunst versteht, Menschen für sich einzunehmen, tritt dieses eine Mal so überzeugend auf, dass er Karl und seine Berater für seinen Plan gewinnt. Zu verlockend sind die Einnahmen, welche die Gewürzinseln dem Königreich verheißen.
Am 22. März 1518 unterschreibt der Monarch einen Vertrag, wonach Magellan die westliche Route zu den Molukken suchen sowie andere "Inseln und Kontinente, die in unseren Grenzen liegen" entdecken soll. Fünf Schiffe werden ausgerüstet, mit Proviant für zwei Jahre.
Für Magellan und seinen Partner, den Astronom Faleiro - der freilich in Spanien bleibt - soll die Reise vor allem ein gutes Geschäft werden: Sie lassen sich vertraglich eine großzügige Beteiligung an den erwarteten Einkünften aus den Besitzungen zusichern.
Doch zunächst muss der künftige Entdecker 18 Monate warten. Die "Trinidad" und die "San Antonio", die "Concepción", "Victoria" und die "Santiago" werden in Sevilla repariert, geteert und mit zusätzlichen Kanonen bestückt.
Ein portugiesischer Spion, der durch die Werft schleicht, meldet triumphierend an König Emanuel I., die Schiffe seien "sehr alt und zusammengeflickt": "Mir wäre es schon schrecklich, sollte ich mit ihnen nur bis zu den Kanarischen Inseln fahren, denn ihre Rippen sind so weich wie Butter." Doch die Hoffnung auf ein frühes Scheitern des Überläufers ist trügerisch.
Entgegen dem höhnischen Bericht des Gesandten begibt sich Magellan keineswegs mit morschen Wracks auf Entdeckungsfahrt, sondern mit wohlausgerüsteten Schiffen: Er hat die alten Segler gründlich überholen lassen.
Und er überwacht jedes Detail der Vorbereitungen. Lässt 21 383 Pfund Schiffszwieback an Bord nehmen, 5700 Pfund Pökelfleisch, 200 Fässer Sardellen, 984 Laib Käse, Schnüre mit Knoblauchzehen und Zwiebeln, Säcke mit Mehl, Bohnen, Linsen und Reis.
Dazu 417 Schläuche und 253 Fässer Wein, 50 Kugelgewehre, 1000 Lanzen, 200 Piken. Und Tauschwaren für den Gewürzhandel: 20 000 Schellen und Glöckchen, 900 kleine Spiegel, fast 5000 Messer, Scheren, Messingschmuck und 40 Säcke Glasperlen. Am 20. September 1519 lichtet Magellans "Molukken-Armada" die Anker. 265 Mann tun auf den fünf schwarz geteerten Dreimastern Dienst.
Einer von ihnen ist der Venezianer Antonio Pigafetta, der im Sommer mit einer päpstlichen Delegation an den Hof Karls I. gekommen ist. Darauf aus, "die großartigen und schauervollen Dinge des Ozeans" zu sehen, erwirkt der junge Mann die königliche Erlaubnis, Magellan in den Pazifik begleiten zu dürfen, und heuert zum Lohn eines einfachen Matrosen an.
Der Italiener schreibt während der gesamten Expedition Tagebuch. Es wird die umfangreichste Chronik der Reise: mit Beobachtungen über fliegende Fische, Paradiesvögel und unbekannte Pflanzen; über die Bewohner ferner Landstriche, deren Lebensgewohnheiten, Speisen, Behausungen, Kleidung und Sprache.
Der Kurs, so notiert Pigafetta, führt zunächst Richtung Kanaren, dann vorbei an den Kapverdischen Inseln und der Küste Guineas. Magellan, vom König zum "Generalkapitän" der Molukken-Armada ernannt, führt seine Flotte wortkarg und mit Autorität.
Magellan lässt die Leiche vierteilen
Er hält sich bedeckt über seine Pläne und schürt so die Feindseligkeit, die vom ersten Tag an unter den vier anderen spanischen Kapitänen gegen den Fremdling aus Portugal schwelt. Als einer der Schiffsführer Magellan wegen des ungewöhnlichen und gefährlichen Kurses entlang der afrikanischen Küste offen kritisiert, setzt der Generalkapitän ihn kurzerhand gefangen.
Nach fast dreimonatiger Reise segeln die fünf Schiffe am 13. Dezember 1519 in die 18 Jahre zuvor von Portugiesen entdeckte Bahia de Santa Lucia (heute Bucht von Rio de Janeiro) ein. Die dort siedelnden Indianer versorgen die Seefahrer mit Ananasfrüchten von "süßem, vortrefflichem Geschmack", so Pigafetta, und Tapirfleisch. Für eine Spielkarte geben die Einheimischen sechs Hühner her. Und gegen eine Axt werden zwei Mädchen als Sklavinnen angeboten.
Nach zwei Wochen segelt die Armada weiter die Küste Südamerikas hinab und stößt am 10. Januar 1520 bei etwa 35 Grad südlicher Breite auf eine Bucht, die der Spanier Jãno Dias de Solis 1516 entdeckt hat. Es ist der südlichste Punkt, den Europäer bis dahin erreicht haben.
Solis, der kurz nach seiner Ankunft von Einheimischen getötet wurde, hat hier eine Durchfahrt zum Pazifik vermutet. Sollte die Bucht tatsächlich in die Südsee führen? Magellan schickt die Santiago auf Erkundungsfahrt. 15 Tage später bringt ihr Kapitän eine enttäuschende Nachricht: Das Gewässer ist nicht die gesuchte Verbindung zwischen den Weltmeeren. Der Armada bleibt also nichts, als die Küste weiter abzusegeln.
Bald darauf werden die Stürme immer eisiger. Am 31. März 1520 sucht die Flotte Schutz in einer unbesiedelten Bucht, um dort zu überwintern. Mehr als ein halbes Jahr ist es jetzt her, dass die fünf Schiffe Spanien verlassen haben - und nichts ist bisher erreicht. Es herrscht Meuterstimmung, zumal Magellan auch noch die Wein- und Brotrationen kürzt.
In der Nacht zum 2. April bricht eine Revolte los. Mehrere Offiziere bemächtigen sich dreier Schiffe. Kaltblütig holt Magellan zum Gegenschlag aus, schickt zwei Ruderboote aus, deren Männer im Handstreich die Victoria zurückerobern, und lässt deren Kapitän erstechen. Die schockierten Meuterer geben auf.
Dann hält Magellan Gericht. Er verurteilt einen der abtrünnigen Kapitäne zum Tod durch Enthauptung, die Leiche lässt er vierteilen; zwei Meuterer werden an einem leeren Strand ausgesetzt.
Nun herrscht beklommene Ruhe. Monat um Monat bleiben die Schiffe im Winterquartier liegen. Abgelenkt werden die Seefahrer durch einige hünenhafte Männer die, so notiert jedenfalls Pigafetta, so groß sind, dass ihnen "unser Kopf nur bis zum Gürtel reichte".
Ihrer großen Füße wegen tauft Magellan die Einheimischen "Patagonier", was so viel wie Großfüßer bedeutet. Zwei der angeblichen Riesen werden gefangen genommen, um sie nach Spanien mitzunehmen (sie kommen allerdings auf der beschwerlichen Fahrt ums Leben).
Am 24. August 1520 verlässt die Flotte den Winterhafen - dezimiert, denn die zur Suche nach einer Durchfahrt vorausgeschickte Santiago ist im Sturm an der Küste zerschellt, die Schiffbrüchigen müssen aufgelesen werden.
Zwei Tage später gelangen die Entdecker zu einer Flussmündung. Nach wochenlanger Suche notiert Pigafetta: "Die heiß gewünschte Straße existiert auch hier nicht." Am 21. Oktober meldet der Ausguck die nächste Bucht; Magellan lässt sie von der San Antonio und der Concepción erkunden.
Die zwei Schiffe bleiben so lange aus, dass man auch sie verloren gibt. Dann aber segeln sie mit wehenden Wimpeln heran, feuern Kanonenschüsse ab. "Die Mannschaft ließ ein Freudengeheul hören", schreibt Pigafetta bewegt.
"Wir taten dasselbe und erfuhren, dass sie die Fortsetzung der Bucht oder vielmehr die Meerenge gefunden hätten. Nun sanken wir alle in die Knie und dankten Gott und der heiligen Maria." Drei Tage lang, so erzählen die Rückkehrer atemlos, seien beide Schiffe in Richtung Westen vorgedrungen, ohne an das Ende der Wasserstraße zu gelangen.
Stets schmeckte das Wasser gleichbleibend salzig, am Ufer zeichneten sich Ebbe und Flut deutlich ab. Und so haben die Männer kaum noch einen Zweifel: Dies ist keine Flussmündung, sondern die gesuchte Durchfahrt zum Südmeer. Gleichwohl drängen einige Offiziere zur Umkehr: Der Proviant werde knapp.
Doch Magellan will die Meerenge bis an ihr Ende durchfahren - "selbst dann, wenn er das Leder am Segelwerk der Schiffe verzehren müsste", so Pigafetta.
Die Victoria erreicht die Marianen
Als der Generalkapitän seine Schiffe in die Straße einfahren lässt, liegt fahles Licht über dem Wasser, dem rauen Land und den bläulichen Gletschern. An den Ufern flackern nachts Feuer auf - vermutlich sind die Brände von Blitzen entzündet worden. Magellan tauft die Region Tierra del Fuego, "Feuerland".
Die Passage ist kein schnurgerader Kanal, sondern ein zerfranstes Labyrinth aus Windungen und Abzweigungen, durchzogen von starken Strömungen - eine seemännische Herausforderung von rund 600 Kilometer Länge.
Immer wieder lässt Magellan das Senkblei auswerfen, damit seine vier Schiffe nicht auf Grund laufen, umsteuert vorsichtig Felsen, teilt seine Flotte an Gabelungen, um die richtige Passage nicht zu verfehlen.

Mitte November schließlich erreicht die Besatzung eines vorausgeschickten Bootes den Pazifik. Als Magellan die Nachricht überbracht wird, weint der sonst so verschlossene Mann vor Glück.
Dennoch plagen ihn in der zweiten Monatshälfte Sorgen und tiefe Selbstzweifel. Denn die rebellische Besatzung der San Antonio ist während der Erkundung einer Abzweigung desertiert.
Und nun, der Generalkapitän ist sich sicher, sind die Männer mit dem gekaperten Schiff auf dem Weg nach Spanien - in den Laderäumen ein Großteil des gesamten Proviants (nach einem halben Jahr erreichen die Meuterer tatsächlich Sevilla).
Beim König werden sie ihn als Despoten denunzieren, fürchtet Magellan. Soll er umkehren? Versuchen, vor den Abtrünnigen nach Europa zu gelangen? Darf er, da der Proviant zur Neige geht, seine Männer überhaupt noch über einen unbekannten Ozean führen?
In seiner Not befiehlt er den Offizieren schriftlich, ihn "alles wissen zu lassen, was ihr zu unserer Reise glaubt raten zu müssen". Mit Verwunderung wohl werden die Männer diese Zeilen gelesen haben. Stammen sie von ihrem Kapitän, der doch noch nie den Rat eines seiner Untergebenen befolgt hat?
Nur eine einzige Antwort ist erhalten geblieben: Wir sollten den Frühling nutzen, heißt es darin, "um diese Entdeckung weiterzuverfolgen". Also voran!
28. November 1520. Mit drei Schiffen fährt Magellan auf den Pazifik hinaus, für den er keinerlei Karten besitzt. Eine unermessliche Wasserwüste liegt vor ihnen, darüber spannt sich weiter blauer Himmel. Tag um Tag, Woche um Woche segeln die Männer durch diese scheinbar leere Unendlichkeit, den immer gleichen Horizont vor Augen.
Sie haben kaum noch Proviant; fast alle Nahrungsmittel sind verdorben. "Der Zwieback, den wir aßen, war kein Zwieback mehr, sondern nur noch Staub, der mit Würmern und dem Unrat von Mäusen vermischt war und unerträglich stank", schreibt Pigafetta. "Auch das Wasser, das wir zu trinken gezwungen waren, war faulig und übelriechend." Die Männer verzehren Sägespäne und Mäuse, erschlagen einander wegen einer Ratte. Die Toten lässt Magellan ins Meer werfen - wohl um Kannibalismus zu verhindern.
19 Männer sterben.
Auf ihrem Kurs segelt die Molukken-Armada, wie sich später herausstellt, an Hunderten fruchtbaren Inseln vorbei - und sichtet doch keine einzige. Erst Ende Januar passieren die Schiffe ein unbewohntes Eiland (vermutlich eine Insel des Tuamotu-Archipels), auf dem nur Bäume und Vögel zu sehen sind. Dort zu ankern ist unmöglich, das Wasser an der Küste ist zu tief. Elf Tage später sichten die Männer eine zweite Insel, wieder findet der Anker keinen Grund.
Am 6. März 1521 zerreißt erneut der Ruf "Land! Land!" die morgendliche Stille. Von seinem Krähennest, 20 Meter über Deck der Victoria, hat der Ausguck Lope Navarro im Dunst eine Küste ausgemacht.
Magellan klettert in die Höhe und sieht, wie sich kleine Inseln von der Wasserwüste abheben. Überwältigt belohnt er Navarro mit 100 Dukaten. Nach einer Fahrt von 98 Tagen über den Pazifik haben die Männer eine Inselgruppe in Mikronesien erreicht: die Marianen.
Magellan trifft ein giftiger Pfeil
Fast 13 000 Kilometer haben sie seit Verlassen der Meeresstraße zurückgelegt, es ist bis dahin die längste verbriefte Seereise ohne Unterbrechung.
Die Schiffe halten auf die Insel Guam zu und gleiten in eine Lagune mit türkisfarbenem Wasser, gesäumt von Strand, Felsklippen und dicht bewaldeten Hängen.
In der grünen Landschaft quellen Bäche und zerstäuben Wasserfälle - ein Paradies für die erschöpften Seefahrer.
Im Nu ist die Armada von Ausleger-Kanus umzingelt. Die Mikronesier, die offenbar einen anderen Eigentumsbegriff haben, erklettern die Decks, eignen sich allerlei Gegenstände an und nehmen ein Beiboot mit auf ihre Insel.
Daraufhin befiehlt Magellan 40 Bewaffnete in zwei Boote und rudert an den Strand. Die Männer brennen mehr als 40 Hütten nieder und töten sieben der überrumpelten Insulaner, die keinen Widerstand leisten.
Pigafetta geht später noch einmal an Land, betrachtet mit Wohlgefallen den "schönen Wuchs" der Frauen, die bis auf eine dünne Rinde, die ihre Lenden bedeckt, völlig nackt sind. Er schaut in die Hütten der Insulaner, lässt sich deren Speere zeigen und notiert, dass sie bis zu diesem Morgen geglaubt haben, "sie seien die einzigen Menschen auf der Erde".
Ein Bootsmann schlägt vor, einige der schönen Frauen mit an Bord zu nehmen. Doch Magellan verbietet es, um die Disziplin nicht zu gefährden. Nach drei Tagen segeln die Schiffe weiter: auf westlichem Kurs, ohne genau zu wissen, wo die Gewürzinseln zu finden sind.
Eine Woche später die nächste Insel. Es ist Samar, die Flotte hat die Philippinen erreicht - einen auf keiner europäischen Karte verzeichneten Archipel mit mehr als 7000 Eilanden.
Da die steilen Klippen keine Landung erlauben, segelt die Armada auf die kleine Insel Suluan zu. Als Magellan zwei Boote vom Ufer auf seine Flotte zusteuern sieht, befiehlt er abzudrehen. Das nächste Eiland, Homonhon, erweist sich als unbewohnt. In einer Bucht lässt er die Schiffe ankern und seine Männer an Land gehen: Die Insel ist mit dichtem Regenwald bedeckt, es gibt Palmen und Frischwasser im Überfluss.
Von der Nachbarinsel Suluan nähert sich ein Boot mit neun Männern. Nach gebärdenreicher Begrüßung schenkt Magellan den Besuchern Spiegel, Kämme, Schellen und weitere Kleinigkeiten. Die Europäer erhalten unter anderem Feigen, und Fisch. Später verabschieden sich die Gäste "in gutem Einvernehmen", wie Pigafetta vermerkt.
Nach einer Woche lichten die Weißen die Anker und laufen am 7. April in Cebu ein, offenbar eine wohlhabendere Insel, denn dort ist eine große Ansiedlung von Baumhäusern zu sehen.
Bald drängen sich zahlreiche mit Speeren und Schilden ausgerüstete Männer am Strand. Magellan lässt eine Kanonensalve abfeuern, um mit militärischer Stärke zu imponieren.
Und er schickt einen Emissär mit Dolmetscher (einen aus Sumatra stammenden Sklaven) zu König Rajah Humabon von Cebu: Die Salve sei ein Gruß, man wünsche nichts "als Frieden und Freundschaft".
Er, Magellan, ein Abgesandter des "größten und mächtigsten Königs der Erde", wolle Tauschhandel treiben und sei auf dem Weg zu den Molukken.
Der König Cebus zeigt sich erfreut, fordert aber eine Gebühr für das Ankern im Hafen und den Handel. Die Besucher weigern sich, drohen gar mit Zerstörung und Krieg. Daraufhin lenkt Rajah Humabon ein und schließt rituell Blutsbrüderschaft mit Magellan. Feierlich wird ein Freundschaftsbündnis geschlossen.
Antonio Pigafetta zählt zu der Abordnung, die dem König Gastgeschenke überbringt. Der Monarch sitzt auf Palmblättern, nackt bis auf ein Tuch, das um die Hüften geschlungen ist, geschmückt mit goldenen Ohrringen, einer Halskette und Tätowierungen am ganzen Körper.
Die Fremden überreichen ihm ein gelb-violettes Seidenkleid, eine rote Mütze, eine Silberschüssel und zwei vergoldete Glaspokale - das Kostbarste aus ihrem Fundus an Tand und Waren.
Später tauschen die Europäer Glasperlen und Schellen gegen Reis, Schweine, Ziegen und sonstigen Proviant. Und sie erhalten eine aufregende Nachricht: Die Bewohner der Insel Borneo (knapp 1000 Kilometer südwestlich von Cebu) sollen den Weg zu den Molukken kennen.
Doch Magellan bricht keineswegs sofort dorthin auf - erst will er ein Bekehrungswerk vollbringen. Am Sonntag, dem 14. April 1521, ist auf einem zuvor geweihten Platz alles für die große Zeremonie vorbereitet: Ein Kreuz ist aufgestellt und ein Gerüst errichtet, geschmückt mit Bildteppichen und Palmzweigen.
Magellan, zum Zeichen seiner "Liebe zu den Völkern dieser Insel" ganz in Weiß gekleidet, nimmt neben dem König auf einem samtbezogenen Stuhl Platz.
Ein Priester tauft Rajah Humabon nach dem spanischen König auf den Namen Karl. Fast 800 Männer, Frauen und Kinder empfangen das Taufsakrament; in den Tagen darauf werden auch Bewohner der Nachbarinseln christianisiert.
Doch nicht alle Inselherrscher unterwerfen sich den Europäern. Ein Fürst der Cebu vorgelagerten Insel Mactan will den Fremden keinen Tribut leisten und erkennt auch nicht - wie von Magellan verlangt - die Oberherrschaft König Karls von Cebu an.
Am 27. April 1521 setzt Magellan nach Mactan über. "Wir baten ihn, er möge sich der Gefahr nicht aussetzen", schreibt Pigafetta in sein Tagebuch.
Mit 49 schwer bewaffneten Männern landet der erfahrene Indienkämpfer auf dem Eiland. Doch es gelingt ihm nicht, seine Leute so dicht an die mit Bögen und Lanzen bewaffnete Inselarmee heranzuführen, dass ihre Feuerwaffen diesen ernsthaften Schaden zufügen können.
Schließlich gehen die Verteidiger sogar in die Offensive. "Sobald unsere Geschütze abgefeuert waren", schreibt Pigafetta, "sprangen sie hin und her und schleuderten unter dem Schutz ihrer Schilde Wolken von Pfeilen und Rohrlanzen".
Dabei wird Magellan von einem giftigen Pfeil getroffen.
Die Expedition ist ein epochaler wissenschaftlicher Triumph
Der Generalkapitän befiehlt den Rückzug. Doch es ist bereits zu spät: Als die Europäer zu ihren Booten waten, erkennen die Einheimischen in ihm den Anführer und zielen vor allem auf ihn.
Zweimal wird ihm der Helm vom Kopf gerissen, dann trifft ihn eine Speerspitze im Gesicht, eine weitere in den Schenkel. "In demselben Augenblick", so Pigafetta, "warfen sich alle Feinde auf ihn und hieben mit ihren Waffen auf ihn ein. So kam unser treuer Führer, unser Licht, unsere Stütze, ums Leben." Nicht einmal die Leiche ihres Kapitäns können die Europäer später erhandeln - zu kostbar ist den Inselbewohnern diese Trophäe. Magellan hat kein Grab.
Nach anderthalb Jahren ist die Molukken-Armada kopflos, noch ehe sie ihr eigentliches Ziel erreicht hat. Zudem fällt der getaufte König Cebus von den entzauberten Eroberern wieder ab, lockt sie gar in eine Falle - viele Seeleute werden erschlagen oder versklavt. Überstürzt fliehen die übrigen Europäer und müssen, weil sie zu viele Männer verloren haben, die Concepción aufgeben.
Im Juni erreichen sie Borneo - doch finden sie dort keinen Lotsen, der sie zu den Molukken führt. Und so segeln sie fortan planlos über den Pazifik, bringen unterwegs Dschunken und Barken auf, um sie zu plündern, Geiseln zu nehmen - und um Lotsen zu entführen.
Endlich, nach mehr als zweijähriger Reise, sichten sie am 6. November 1521 ihr Ziel: die Gewürzinseln. Sie feuern eine Jubelsalve ab und laufen zwei Tage später in den Hafen von Tidore ein.
Am Tag darauf fährt König Almanzor von Tidore in einem Einbaum heran. Er habe bereits von der Ankunft fremder Schiffe geträumt, heißt er die Europäer willkommen, und wolle ihrem König nur zu gern Freund und Untertan sein.
Was die Entdecker nicht ahnen: Seit der Expedition des inzwischen verstorbenen Magellan-Freundes Francisco Serrão kennt Lissabon die Lage der Molukken und unterhält Handelsbeziehungen mit ihnen, auch wenn die wenig einträglich sind. Doch Almanzor sieht sein Reich durch die Portugiesen bedroht - die Fremden kommen also gerade recht.
Gegen Tuchballen, Trinkgläser, Kupfer, Quecksilber und Messer tauschen die Europäer Säcke mit getrockneten Gewürznelken ein. Und innerhalb eines Monats laufen weitere Könige der Molukken zur spanischen Krone über.
Am 21. Dezember 1521 verlässt die Victoria Tidore: mit westlichem Kurs. Sollte die Mannschaft von Kapitän Sebastián Elcano ihren Heimathafen sicher erreichen, wäre die erste Umrundung der Welt vollendet. (Die Mannschaft der Trinidad dagegen nimmt östlichen Kurs auf Südamerika; nach einer qualvollen Odyssee werden nur vier der 48 Seefahrer Europa wiedersehen.)
Mit 47 Mann Besatzung und 13 Molukkern macht sich die Victoria auf den Heimweg; König Almanzor hat der Crew zwei Lotsen mitgegeben. Mehr als 15 000 Kilometer Wegstrecke liegen vor ihr.
Am 6. September 1522 läuft die in der Heimat längst aufgegebene Victoria in den Hafen von San Lucar bei Sevilla ein - am Ende haben nur 18 Mann die Stürme, Krankheiten und den Hunger auf der letzten Etappe ihrer großen Reise überlebt.
Doch die Fahrt ist ein epochaler wissenschaftlicher Triumph. Erstmals ist der Globus umsegelt und so nachgewiesen worden, dass die Erde kugelförmig ist. Der von Magellan erhoffte kommerzielle Erfolg bleibt indes aus. So wertvoll die Ladung von 26 Tonnen Gewürzen auch ist - der Verkauf bringt nur wenig mehr ein als die Kosten der Expedition.
Womöglich macht die Leistung der Seefahrer auch deshalb auf König Karl I. wenig Eindruck. Zudem erscheint der Seeweg zu lang und zu gefährlich für die spanischen Schiffe. Dennoch lädt der Monarch Kapitän Elcano und zwei weitere Besatzungsmitglieder in seine Residenz nach Valladolid.
Dort kann der Kommandant der Victoria die schriftlichen Loyalitätsbezeugungen einiger Molukken-Könige vorweisen, muss sich aber auch einer peinlichen Befragung stellen. Denn Elcano ist an der Meuterei gegen Magellan beteiligt gewesen und Gerüchte davon sind bis nach Spanien gedrungen.
Magellan, so verteidigt sich Elcano, habe die Anweisungen Karls ignoriert und ohnehin die Portugiesen an Bord der Schiffe begünstigt. Schließlich geht der Kapitän straffrei aus. Er erhält sogar eine jährliche Pension von 500 Dukaten, die Ritterwürde sowie ein persönliches Wappen. Es zeigt einen Globus und die Inschrift primus circumdedesti me: "Du hast mich als Erster umrundet." Erst 1525 sendet Karl I. eine zweite Armada zu den Molukken, um dort einen spanischen Handelsposten zu etablieren.
Elcano stirbt auf dieser Reise, nur acht von 450 Seeleuten kehren zurück. Auch zwei weitere Expeditionen scheitern. Im Vertrag von Saragossa stecken Spanien und Portugal 1529 schließlich ihre pazifischen Einflusssphären ab: Die Demarkationslinie verläuft nun entlang dem 145. östlichen Längengrad. Demnach gehören die Molukken Portugal.
Die Meeresstraße bei Feuerland, Regionen und Orte auf den Philippinen und die Bucht, in der Magellan starb, tragen heute den Namen des großen Seefahrers. Und auch die "Magellanschen Wolken" sind nach dem Mann aus Sabrosa benannt: Auf ihrer Fahrt durch den Pazifik hatten die Männer seiner Armada die beiden Nachbargalaxien der Milchstraße als erste Europäer am Himmel der Südhalbkugel gesichtet.