Hände buddeln in dunkler, duftender Erde, ertasten Erdklumpen oder zartes Wurzelwerk. Sie graben im Beet behutsam eine neue Saat ein, zupfen hier und da ein welkes Blatt von der blühenden Tomatenpflanze, oder sie versorgen nach der Hitze am Tag trockene Pflanzen mit Wasser.
Arbeit im Garten macht glücklich und hebt die Stimmung. Das ist bekannt. Doch nun behaupten Forschende der Universität York, dass sie sogar bei Ängsten und mittelschweren Depressionen hilft. Und zwar von der Effektstärke so gut wie eine kurzfristige kognitive Verhaltenstherapie. Die Forschenden beziehen sich auf verhaltenstherapeutische Interventionen von sechs Wochen bis zu einem Jahr. Wohlgemerkt gilt die Verhaltenstherapie vielen als der Goldstandard bei der Therapie von Depressionen und Ängsten.
Statt in sterile Therapieräume zu gehen, Zeit in der Natur verbringen und diese als Therapeutikum nutzen? Der Garten als Apotheke? Es klingt verheißungsvoll, seine Psyche beim Buddeln im Beet zu kurieren.
Das Thema Gartentherapie wird seit Jahrzehnten für diverse Leiden wie etwa Demenz oder soziale Ängste diskutiert. Die Natur kann Patienten Halt, Orientierung und größeres Selbstvertrauen geben. In Zeiten von Therapeutenmangel suchen Forschende sowieso händeringend nach alternativen Behandlungsansätzen. Eine aktuelle Studie der Universität York beleuchtet nun eine unkonventionelle Methode: "Green Social Prescribing" – die therapeutische Nutzung von Naturerlebnissen.
Statt ins Wartezimmer lieber in den Garten
Die Forschenden rekrutierten dazu mehr als 200 Teilnehmende aus Green-Social-Prescribing-Programmen aus der Region Humber und North Yorkshire. Darin werden Menschen mit psychischen Problemen an die Natur herangeführt, mit dem Ziel, ihre mentale und körperliche Gesundheit zu stärken. Statt einer klassischen Therapie verordnen solche "grünen Rezepte" regelmäßige Aktivitäten in der Natur, von Gartenarbeit über Spaziergänge bis hin zu handwerklichen Projekten im Freien oder Achtsamkeitsübungen.

Die Studie verglich die Effekte vor und nach der grünen Therapie, allerdings ohne eine Kontrollgruppe. Zwischen Februar 2022 und März 2023 wurden insgesamt 223 Teilnehmende in die Studie eingeschlossen. Zugelassen waren Erwachsene über 18 Jahren mit leichten bis moderaten psychischen Gesundheitsproblemen. Sie litten etwa an Angststörungen, Depressionen oder sozialen Phobien. Ausgeschlossen wurden Personen mit akuter Selbst- oder Fremdgefährdung, aktiven Suizidgedanken oder schweren psychischen Erkrankungen.
Evaluiert wurden die Ergebnisse mit anerkannten Messskalen, darunter eine Wohlbefindenskala sowie Angst- und Depressionsskalen. Das zentrale Ergebnis: Wer regelmäßig in der Woche Pflanzen hegte und sich um einen Garten oder Park kümmerte, profitierte besonders von der heilenden Wirkung der grünen Therapie. Auch sportlicher Aktivität im Grünen oder handwerklichen Projekten waren die gartenbaulichen Maßnahmen überlegen. Die Teilnehmenden, die Gartenarbeit verrichteten, berichteten in Fragebögen von gesteigerter Lebenszufriedenheit und einem größeren Gefühl der Sinnhaftigkeit. Depressions- und Angstwerte sanken.
Professor Peter Coventry, Direktor der Forschungsgruppe für psychische Gesundheit und Sucht, stellte die Überlegung an, dass es darum gehe, sich in "sinnvoller Weise mit der Natur zu verbinden". Dies könnte die wohltuenden Effekte der Pflege von Natur und Pflanzen gegenüber reinen Bewegungsprogrammen in der Natur und kreativen Bastelarbeiten in der Natur unterstreichen. Sich um etwas Lebendiges wie eine Pflanze aktiv zu kümmern, statt passiv die Natur etwa bei einer Wanderung zu genießen, scheint zu besonderem Sinnerleben zu führen.
Die richtige Dosis Grün
Die Forschenden identifizierten auch ein ideales "therapeutisches Fenster" der grünen Rezepte: Neun bis zwölf Wochen regelmäßiger Naturkontakt erzielten die günstigsten Ergebnisse für allgemeines Wohlbefinden. Bei Angst- und Depressionssymptomen zeigte sich dann eine optimale Reduzierung der Symptome gegenüber kürzeren Therapien.
Die Ergebnisse machen Hoffnung in Zeiten des Therapeutenmangels und können als niederschwellige Präventionsmaßnahme dienen. Die Mehrheit der Teilnehmenden stammte zudem aus sozial benachteiligten Gebieten. Hier ist der Zugang zu psychologischer Versorgung oftmals zusätzlich erschwert. Grüne Rezepte könnten hier ein erstes niederschwelliges Angebot bieten.
Plausibel – aber mit methodischen Schwächen
Auch in Deutschland werden die heilenden Wirkungen der Naturtherapie unter Trends wie Waldbaden und Green Gardening bereits für die Gesundheit aufgegriffen. Weitere Untersuchungen stützen die grundsätzliche Plausibilität des Ansatzes. So ist etwa die "Zweistundenregel" – wonach wöchentlich mindestens zwei Stunden Naturkontakt mit besserer Gesundheit einhergehen – wissenschaftlich gut dokumentiert. Doch auch wenn die Ergebnisse der britischen Studie insgesamt durchaus Plausibilität haben, so weist die Studie doch methodische Mängel auf.
Vor allem der Verzicht auf eine Kontrollgruppe schränkt die Ergebnisse hinsichtlich der Effektivität der Maßnahmen deutlich ein. Forschende können in solchen Fällen nicht ausschließen, dass sich die Teilnehmer allein durch die erhöhte Zuwendung und Betreuung besser fühlten – dies wäre vergleichbar mit der Placebowirkung durch ärztliche Zuwendung.
Auch die methodische Vergleichbarkeit mit der Kognitiven Verhaltenstherapie ist angesichts des Studiendesigns eher gering. Die Effektivität von Verhaltenstherapie wird nämlich in kontrollierten Studien ausgewertet, was für das Green Prescribing nicht zutrifft.
Wer aber selber das Glück in einem Schrebergarten erlebt hat, die Freude über Pflanzen, die erblühen, Kräuter, die duften, oder das sinnliche Erlebnis wilder Gräser kennt, durch die ein Wind fährt, der ahnt, dass die Studie zwar nicht wissenschaftlichen Goldstandards entspricht, aber durchaus berechtigt ist. Denn der Aufenthalt in der Natur bei Gartenarbeiten reißt aus Grübelschleifen heraus, kann Sorgen für Stunden zerstreuen, und die sinnvolle Arbeit an der frischen Luft hebt plausibel die Stimmung. Denn Gärtnernde erfahren im Beet ja auch Selbstwirksamkeit. Ein wichtiger Hebel, um aus depressiver und erlernter Hoffnungslosigkeit auszusteigen.
Zwar findet die Bewegung des therapeutischen Gärtnerns bisher vor allem in Großbritannien Anhänger, doch auch in Deutschland gab es längst Initiativen, etwa die Menschen in Problemstadtteilen zu Aktivitäten in öffentlichen Parks zu animieren. Auch hier berichteten einsame, betrübte oder Menschen mit Suchtproblemen, wie sehr der wöchentliche Termin in der Natur ihrem Leben Struktur gegeben hatte. Für Prävention, Resilienz und Therapie bietet der Garten also ganz eigene Heilkräfte. Und Psychologen, Stadtplaner und das Gesundheitssystem könnten noch umsichtiger die Ernten einfahren.