Psychologie Von sich selbst gefangen: Wie Narzissten ihr Team ausbremsen

  • von Carlotta Wagner
Narzissten versuchen ihren Selbstwert zu verteidigen – häufig zum Nachteil anderer
Narzissten versuchen ihren Selbstwert zu verteidigen – häufig zum Nachteil anderer
© invincible_bulldog / Getty Images
Empathielos, egoistisch, untauglich im Escape-Room-Test: Drängen sich Narzissten in den Vordergrund, behindern sie den Erfolg ihres Teams, zeigt eine neue Studie 

Sie wissen alles besser, reißen alles an sich und sind doch nie Schuld egal ob in Beziehungen, im Büro oder Escape-Room: Narzissten, Menschen mit übersteigertem Selbstbild, starkem Bedürfnis nach Anerkennung. Das Wohl anderer vernachlässigen sie dabei. Menschen mit narzisstischer Persönlichkeitsstörung halten sich selbst oft für besonders kreativ, intelligent oder mächtig – eben für besonders. "Lasst mich das machen, wenn ihr wollt, dass es gut wird", sagt der Narzisst, "ich bringe das Team voran."

Das Gegenteil ist der Fall, sagt eine neue Studie, die im Fachmagazin "Behavioral Sciences" veröffentlicht wurde. Das britische Forscherteam fand heraus, dass rivalisierender Narzissmus den Teamzusammenhalt gefährdet und so negativ beeinflusst, wie das Team im Escape-Room abschneidet.

Narzisst ist dabei nicht gleich Narzisst. Forschende unterscheiden zwei Formen von Narzissmus: Narcissistic Admiration (bewundernder Narzissmus) und Narcissistic Rivalry (rivalisierender Narzissmus). Beide dienen dem übergeordneten Ziel, ein großartiges Selbstbild aufrechtzuerhalten, verfolgen jedoch unterschiedliche Strategien. Die erste Form setzt auf Selbstaufwertung und geht mit einem besonderen Bedürfnis nach Bewunderung einher. Diese Menschen wirken selbstbewusst, sind häufig besonders charmant und charismatisch, um Aufmerksamkeit und Beliebtheit zu erlangen. Die zweite Form zeichnet sich durch narzisstische Rivalität aus: Diese Personen versuchen ihren Selbstwert zu verteidigen, sind häufig aggressiv und rücksichtslos, werten andere und ihre Ideen schnell ab oder fühlen sich leicht angegriffen. Die These der Forschenden: Während der erste Typ die Gruppe vorantreiben könnte, wird Letzterer wahrscheinlich ihren Erfolg blockieren.

Narzisstische Rivalität gefährdet den Erfolg

Um diese Frage zu beantworten, wurden 101 Teilnehmende in 23 Teams eingeteilt, in denen sie Aufgaben in Escape-Rooms lösen sollten, um sich dadurch aus dem Raum zu befreien. Zusätzlich füllten sie dabei Fragebögen aus. Auf dem ersten Fragebogen sollten sie sich selbst und ihre Mitspieler einschätzen, insbesondere in Bezug auf Merkmale wie Freundlichkeit, Arroganz, Aggressivität und Vertrauenswürdigkeit. Auch narzisstische Persönlichkeitsmerkmale wurden abgefragt.

Danach startete die Escape-Room-Aufgabe: Die Teams hatten 60 Minuten Zeit, um in den drei Räumen verschiedene Aufgaben zu lösen, etwa eine Geheimsprache zu entschlüsseln, versteckte Artefakte zu finden und Muster zu entdecken. Nur wer als Team alle Aufgaben bewältigte, kam vor Ablauf der Zeit aus dem Raum frei. Anschließend mussten die Teilnehmenden den Fragebogen zu sich selbst und zu den Teammitgliedern erneut ausfüllen und außerdem Fragen zu Teamkonflikten, Zusammenhalt und Leistung beantworten.

Das Ergebnis: Wie von den Forschenden vorausgesagt, führte starke narzisstische Rivalität in den Teams zu weniger Zusammenhalt. Dies war wiederum mit einer schlechteren Teamleistung verbunden – sowohl subjektiv, also nach der Empfindung der Teammitglieder, als auch objektiv, da diese Teams weniger Aufgaben innerhalb der vorgegebenen Zeit lösen konnten. Rund 35 Prozent der Unterschiede ließen sich durch die Rivalität der Teammitglieder erklären.

"Wir haben festgestellt, dass wettbewerbsorientierte und rivalisierende Personen eher dazu neigten, die Ideen ihrer Teamkollegen zu ignorieren oder abzutun, Informationen zurückzuhalten und die Erfahrung als frustrierender zu empfinden. Dadurch wurde die Teamverbindung zerstört, die notwendig gewesen wäre, um die Aufgabe zu erledigen", erklärte Studienleiter Reece Bush-Evans von der Universität Bournemouth.

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Anders als angenommen zeigte Narcissistic Admiration keinen gegenteiligen Effekt; sie führte also nicht dazu, dass die Aufgaben besser gelöst wurden.

Die Ergebnisse spiegeln sich auch in der subjektiven Wahrnehmung wider: Während Narzissten, die primär nach Bewunderung streben, von sich selbst und anderen als selbstsicher wahrgenommen wurden, überschätzten sie ihre Beliebtheit. Personen mit höherer Rivalität wurden als aggressiver und weniger fleißig wahrgenommen, unterschätzten jedoch, wie sympathisch sie von anderen gesehen wurden.

Subtile Sabotage gefährdet den Zusammenhalt auch ohne offene Konflikte 

Anders als erwartet führte Rivalität nicht zu mehr Konflikten. Das könnte unterschiedliche Ursachen haben, schreiben die Studienautoren: Zum einen würden sich Konflikte, als Folge des narzisstischen Verhaltens, oft erst über längere Zeiträume entwickeln und zeigen – kaum abbildbar in einem 60-minütigen Experiment. Zum anderen zeige sich das eher rivalisierende Verhalten häufig nur subtil, zum Beispiel durch das Zurückhalten von Informationen oder soziale Zurückgezogenheit, statt durch offene Konfrontation

Zudem werden innerhalb eines Experiments unter Supervision, bei dem die Forschenden das Geschehen verfolgten, Konflikte womöglich gezielt vermieden. Die Forschenden schließen: Rivalität kann den Zusammenhalt verringern, führt aber nicht zwangsläufig zu offenen Konflikten in kurzfristigen Teamsituationen. Hier könnte auch der Fakt eine Rolle gespielt haben, dass sich in elf der Teams Teilnehmende bereits kannten. Die Forschenden nennen dies als Einschränkung der Studie, ebenso wie die vergleichsweise geringe Studiengröße. Mit einer Stichprobe von 23 Gruppen bleibt die Aussagekraft begrenzt.

Kooperation führt zum Erfolg

Dennoch bestätigt die Studie bestehende Forschung. Sie zeigt einerseits, dass verschiedene Formen von Narzissmus unterschiedliche Auswirkungen auf die Arbeit im Team haben können. Rivalität wirkt in Teams eindeutig nachteilig – vor allem, weil sie das Zusammenhaltsgefühl stört, was wiederum die Leistung verschlechtert. Das übermäßige Streben nach Bewunderung hingegen ist ambivalent: Zwar werden solche Personen zunächst positiv wahrgenommen, das führt jedoch nicht automatisch zu besseren Ergebnissen im Team.

"Obwohl die Untersuchung in einer spaßigen Umgebung stattfand, mussten die Teams dennoch Vertrauen aufbauen, Ideen austauschen und gemeinsam planen, um die Herausforderungen zu meistern", erklärte Bush-Evans. "Genau diese Fähigkeiten sind für den Erfolg von realen Teams erforderlich. Unsere Ergebnisse zeigten, dass es die Teamdynamik schädigen und zum Scheitern führen kann, wenn eine Person glaubt, ihren Teamkollegen überlegen zu sein."

Praktisch bedeutet das: In Teams – auch im Job und vor allem unter Zeitdruck – kann Narzissmus den Fortschritt behindern, besonders wenn er mit hoher Rivalität einhergeht. Für Führungskräfte kann es daher nützlich sein, besonders auf die Förderung des Zusammenhalts zu achten – oder gezielt Teamplayer einzustellen.

"Selbstvertrauen und Charme können leicht mit Kompetenz verwechselt werden", schloss Bush-Evans. "Unsere Studie zeigt, dass diese Eigenschaften tatsächlich die Leistungen eines Teams einschränken können. Die erfolgreichsten Teams waren nicht die lautesten, sondern die kooperativsten. Führungskräfte sollten gute Zuhörer genauso wertschätzen wie wortgewandte Stimmen."

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