Manchen Menschen scheint das Leben leichter zu fallen als anderen: Mühelos knüpfen sie neue Kontakte, nie haben sie Schwierigkeiten, ihren Standpunkt zu vertreten, von Freunden und Kollegen erhalten sie ein hohes Maß an Aufmerksamkeit. Und kommt es mal zu Fehlschlägen, verkraften sie die besser, stellen sich Herausforderungen mit Zuversicht, haben mehr Mut als andere, vertrauen auf ihre Stärken.
All dies, so die gängige Meinung, verdanken sie einer fast unerschütterlichen Gewissheit – einer Überzeugung, die so tief ankert, dass sie alle Zweifel besiegt: dem Glauben an die eigene Person, an das eigene Selbst.
Ein hohes Selbstwertgefühl zu haben scheint vielen Menschen heute wie ein Garant für ein besseres Leben, den meisten gilt es als durchweg erstrebenswertes Merkmal. Längst ist ein ganzer Markt um die Arbeit am Ich entstanden: mit der Verheißung, sich unter Zuhilfenahme von Ratgeberliteratur und Coaches endlich loszusagen von der Unzufriedenheit, dem Hadern, den Zweifeln. Und den "inneren Kritiker" zu besiegen, das eigene Selbst bedeutend zu stärken.
Auch Psychologen beschäftigen sich seit vielen Jahren mit dem Thema: Zehntausende wissenschaftliche Artikel haben Vertreter des Fachs in den vergangenen Jahrzehnten dazu verfasst. Doch im Gegensatz zu den Versprechen vieler Coaches und Persönlichkeitstrainer zeichnen sie ein zunehmend differenziertes Bild des Selbstwerts.