Cortisol ist ein Stresshormon. Wenn das Gehirn häufig oder kontinuierlich Stress ausgesetzt ist – und nicht in der Lage ist, diesen effektiv zu bewältigen – kann der Cortisolwert dauerhaft erhöht sein. Doch ab wann ist das wirklich schädlich? Und was lässt sich dagegen tun?
Was ist Cortisol?
Cortisol gehört zu den sogenannten Steroidhormonen. In normalen Mengen ist es nicht schädlich, sondern lebensnotwendig. Denn durch die Ausschüttung von Cortisol will der Körper uns leistungsfähiger machen: Morgens, kurz nach dem Aufwachen wirkt es beispielsweise als natürlicher Wachmacher. Im Laufe des Tages wird das Cortisol dann kontinuierlich abgebaut, sodass der Pegel nachts, wenn wir schlafen, am niedrigsten ist.
Auch in alltäglichen Stresssituationen setzt der Körper vermehrt Cortisol frei: Es bereitet uns, genau wie Adrenalin und Noradrenalin, auf eine Kampf- oder Fluchtreaktion vor. Als Folge erhöht sich der Blutdruck und der Blutzuckerspiegel, das Immunsystem wird unterdrückt, der Fett-, Protein,- und Kohlenhydratstoffwechsel arbeitet intensiver. Ein hoher Cortisolwert am Abend kann zu Schlafstörungen führen.
Wodurch erhöht sich der Cortisolwert im Blut?
Dauerhafter Stress führt unter Umständen dazu, dass die Nebennierenrinde anhaltend zu viel Cortisol produziert. Wiederkehrende emotionale oder psychische Belastungen, Schlafmangel, Hormonumstellungen, etwa in der Schwangerschaft oder der Menopause sowie Erkrankungen wie das Cushing-Syndrom oder Depressionen können Ursachen sein.
Wann wird Cortisol zum Problem?
Es ist wichtig, einen erhöhten Cortisolwert, der unter Stress entsteht, von einem krankhaften, chronisch veränderten Spiegel abzugrenzen. Bei einer gesunden und normalen Stressreaktion steigt der Cortisolspiegel schnell an und sinkt dann nach dem Ende des Stresses schnell wieder auf den Ausgangswert. Ist der Cortisolgehalt allerdings dauerhaft erhöht oder zu niedrig, kann das schlecht für unseren Körper sein. Einige Erkrankungen wie das Cushing-Syndrom werden mit ungewöhnlich hohen Cortisolwerten in Verbindung gebracht. Dabei handelt es sich allerdings mit etwa fünf Fällen unter 1 Millionen um eine sehr seltene Erkrankung. Sie kann beispielsweise durch die langfristige Einnahme von Steroidmedikamente oder durch Krebserkrankungen der Nebenniere entstehen.
Was sind Symptome eines krankhaften Cortisolgehalts?
Ein chronisch erhöhter Cortisolspiegel ist selten: Als Symptome können Erschöpfung und ständige Müdigkeit, Gewichtszunahme (besonders am Bauch und im Gesicht), Schlafstörungen, Libidoverlust, Konzentrationsprobleme ("Brain-Fog"), Angstgefühle, depressive Verstimmungen und Reizbarkeit auftreten. Bei einigen Betroffenen schwillt außerdem das Gesicht rundlich an.
Ein chronisch erniedrigter Cortisolspiegel, wie beispielsweise bei Morbus Addison, kann hingegen zu Symptomen wie Müdigkeit, Schwächegefühl, Gewichtsverlust, Übelkeit, Schwindel, Hyperpigmentierung der Haut ("Bronzekrankheit") oder Appetitlosigkeit führen.

Was ist ein "Cortisol-Face"?
Das in sozialen Medien oftmals zitierte "Cortisol-Face" basiert auf der Idee, dass Stress und der damit verbundene Anstieg von Cortisol zu Schwellungen, Entzündungen und einem "aufgequollenen" Gesicht führen können. Die Symptome eines "runderen Gesichts" sind jedoch oft allgemeinerer Natur und könnten durch eine Vielzahl von Faktoren wie altern, ungesunde Ernährung, Schlafmangel oder Umweltbelastungen begünstigt werden. In seltenen Fällen ist Cortisol aber tatsächlich in der Lage Flüssigkeitseinlagerungen im Gesicht zu verursachen. Allerdings sind dazu chronisch erhöhte Cortisolwerte erforderlich, wie beim Cushing-Syndrom. Hier kann sich beispielsweise ein sogenanntes "Mondgesicht" entwickeln. Dabei handelt es sich um Fettansammlungen auf beiden Seiten des Gesichts, die ihm ein runderes oder aufgedunseneres Aussehen verleihen.
Was bedeutet "Adrenal-fatigue"?
In sozialen Medien wird manchmal behauptet, dass die Nebennieren bei anhaltendem Stress ermüden und kein Cortisol mehr produzieren können. Dieses als "Adrenal-fatigue" bezeichnete Phänomen, gibt es laut Ansicht von Expertinnen und Experten allerdings nicht. Chronischer Stress hingegen kann krank machen. Hierbei ist es wichtig, die Ursachen zu identifizieren und an ihnen entweder selbst oder mit psychologischer Betreuung zu arbeiten.
Wer ist besonders betroffen?
Frauen scheinen einen tendenziell höheren Cortisolgehalt zu haben als Männer, besonders in den Morgenstunden. Außerdem könnten Frauen aufgrund hormoneller Schwankungen während des Menstruationszyklus, der Schwangerschaft und der Menopause stärker von den Auswirkungen unausgeglichener Cortisolspiegel betroffen sein. Über 70 Prozent der Cushing-Syndrom Erkrankungen betreffen Frauen.
Wie wird ein krankhaft erhöhter Cortisolspiegel diagnostiziert?
Da die Symptome bei einem krankhaften Cortisolspiegel häufig mit denen von anderen Krankheitsbildern überlappen, ist eine Differenzialdiagnostik entscheidend. Es ist unwahrscheinlich, dass einzelne Symptome wie eine Gewichtszunahme oder eine geringe Libido lediglich auf einen erhöhten Cortisolspiegel zurückzuführen sind, wie manche Influencer behaupten. Richtig ist: Cortisol hat einen Einfluss auf unser Gewicht, unseren Energiehaushalt, unseren Stoffwechsel und unseren Schlaf. Aber das gilt ebenso für bestimmte Schilddrüsen- und Sexualhormone sowie für unsere Ernährung und körperliche Aktivität. Außerdem ist es manchmal schwierig zu beurteilen, ob Cortisol nun die Ursache für ein Symptom oder dessen Wirkung ist. Beispielsweise leiden viele depressive Menschen unter permanenten Stress und haben dementsprechend einen hohen Cortisolgehalt. Das Cortisol ist hier also eine Auswirkung der Krankheit, aber nicht die Ursache.
Wenn Sie unter mehreren der aufgelisteten Symptome leiden, sollten Sie sich zunächst gründlich von einer Ärztin oder einem Arzt untersuchen lassen. Autoimmunerkrankungen, Infektionen, Schlafapnoe, andere hormonelle Störungen, psychische Erkrankungen, Herz-, Lungen-, Nieren- oder Lebererkrankungen sind nur einige der vielen Beispiele, die ähnliche Symptome verursachen können.
Wie lässt sich der Cortisolspiegel bestimmen?
Der Cortisolgehalt wird typischerweise in Blut-, Speichel- oder Urinproben analysiert. Da er im Tagesverlauf sehr stark schwankt, müssen mehrere Messungen über verschiedene Tageszeitpunkte erfolgen. Normale Konzentration von Cortisol liegen um acht Uhr morgens im Blut bei etwa 45 bis 225 µg/l, im Speichel bei etwa 0,15 bis 1,00 µg/dl. Die Urinkonzentration nach 24 Stunden liegt bei etwa 21 bis 150 µg/l. Die Referenzwerte unterliegen Schwankungen und sollten mit Ihrem Arzt oder Ihrer Ärztin besprochen werden.
Kann man seinen Cortisolspiegel "balancieren"?
Wenn die Symptome Ihre Lebensqualität dauerhaft beeinträchtigen, sollten Sie sich von einer Ärztin oder einem Arzt beraten lassen: Endokrinologinnen können beispielsweise Probleme mit der Nebenniere ausschließen und erkennen häufig andere Erkrankungen.
Grundsätzlich gilt: Wer seinen Cortisolspiegel senken will, sollte sein Stresslevel reduzieren. Dabei ist erholsamer Schlaf entscheidend für den Ausgleich des Cortisolspiegels. Sport ist ebenfalls zu empfehlen und baut sowohl körperlichen als auch geistigen Stress ab. Achtsamkeitsbasierte Aktivitäten wie Meditation, Zeit in der Natur verbringen, Atemübungen und Tagebuchschreiben können ebenfalls hilfreich sein. Allerdings funktioniert Stressbewältigung bei jedem Menschen anders. Wichtig ist eine Aktivität zu finden, die Sie zur inneren Ruhe bringen kann. Das kann die Lektüre eines entspannenden Buches sein, oder die Aufregung einer Kletterpartie.