Kennen Sie eine Person, die sich zunehmend ihrem haarigen Gefährten anzugleichen scheint? Pudelbesitzerinnen mit Dauerwelle, Bodybuilder mit Bulldoggen, "Silberfüchse" mit Maltesern – dass Hund und Halter sich ähneln, ist allseits bekannt und sogar mit Studien belegt. Allerdings trifft das nicht nur auf ihr Äußeres zu, zeigen nun Genanalysen.
Ein Forscherteam aus Cambridge hat das Verhalten und die DNA von 1343 Golden Retrievern untersucht. Dabei stellte sich heraus: Ein Großteil der Gene, die bei Hunden Verhaltenseigenschaften beeinflussen, kommt auch beim Menschen vor – und hat Auswirkungen auf unser Verhalten. Das hat das Team nun in einer neuen Studie im Fachjournal "PNAS" veröffentlicht.
Die Forschenden nahmen Hund und Genom unter die Lupe
Die Forschenden nutzten Daten aus einer langjährigen Kohorte, der Golden Retriever Lifetime Study. Sie enthält Daten zu ausgewachsenen Golden Retrievern zwischen drei und sieben Jahren. Das Verhalten aller Hunde wurden von ihren Besitzer*innen mit einem Fragebogen bewertet und daraus 14 Verhaltensmerkmale zusammengestellt, wie Aggression, Angst oder Lernfähigkeit.
Im nächsten Schritt analysierten die Forschenden das Erbgut der Hunde. Sie stellten rund 470.000 genetische Unterschiede zwischen 1187 Hunden fest. Mit einem statistischen Modell testeten sie anschließend Zusammenhänge zwischen jedem dieser DNA-Segemente und dem Verhalten. Berücksichtigt wurden Alter, Geschlecht oder der Kastrationsstatus. So fand das Forschungsteam zahlreiche Genvariationen, die jeweils mit bestimmten Verhaltensweisen assoziiert waren.
Wie gut ein Hund lernt ist schon genetisch verankert
Es zeigte sich: Ob der haarige Nachwuchs artig hört oder nur schwer erziehbar ist, scheint nicht nur persönliches Versagen der Halterinnen und Halter zu sein – es fanden sich Gene, die beispielsweise mit Trainierbarkeit verbunden sind. Insgesamt entdeckten die Forschenden 21 verschiedene Stellen auf den Chromosomen für acht der untersuchten Charaktermerkmale, darunter Angst vor Fremden, Trainierbarkeit oder Lernfähigkeit, Energielevel, Aggression gegenüber Hunden und Trennungsprobleme.
Teilen Hund und Halter wirklich mehr als Alltag und Bett, fragte sich das Team und untersuchte im nächsten Schritt, ob die Gene, die bei den Hunden mit bestimmtem Verhalten verknüpft sind, auch bei Menschen eine ähnliche Rolle spielen. Dafür suchte es für jedes der Gene beim Hund nach dem menschlichen "Ortholog" – einem Gen, das von einem gemeinsamen Vorfahren abstammt und oft die gleiche oder eine sehr ähnliche Funktion erfüllt.
Anschließend prüften die Forschenden mit der "Atlas of Complex Trait Genetics"-Datenbank, die Daten von Hunderttausenden Menschen enthält, mit welchen Verhaltensweisen die einzelnen Gene statistisch zusammenhängen. Tatsächlich waren 12 der 18 Gene, die bei den Hunden mit Verhalten assoziiert waren, auch bei Menschen mit psychiatrischen, temperamentsbezogenen und kognitiven Eigenschaften verknüpft. Einige davon sorgten sogar bei Golden Retriever und Mensch für ähnliches Verhalten.
Golden Retriever und Mensch haben Gemeinsamkeiten im Erbgut
ASCC3, bei Hunden mit nicht-sozialer Angst assoziiert, ist bei Menschen mit Neurotizismus, Ängstlichkeit und Sensibilität verbunden. Das Gen ROMO1 – das den Bauplan für Signalmoleküle trägt, die unter anderem die Hirnaktivität beeinflussen – scheint bei Hunden mit der Lernfähigkeit zusammenzuhängen. Beim Menschen beeinflusst es Eigenschaften wie die kognitive Leistungsfähigkeit und Intelligenz, zeigt aber auch Zusammenhänge mit Depression, Reizbarkeit, Sensibilität oder Verletzlichkeit.
Die gleichen Gene bedingen aber nicht immer gleiches Verhalten. Während ADGRL2 bei Hunden mit Lernfähigkeit assoziiert ist, geht die Varianz beim Menschen mit der Ausprägung von Schuldgefühlen, Reizbarkeit, Sensibilität und Empfindlichkeit einher.
Die Ergebnisse sprechen dafür, dass für Hund und Mensch teilweise dieselben biologischen Grundlagen für Verhalten gelten. Viele der gefundenen Gene scheinen nicht nur ein einzelnes, klar abgegrenztes Verhalten zu beeinflussen, sondern eher grundlegende emotionale Tendenzen oder Mechanismen zur Verhaltenssteuerung. Dieses Wissen könnte helfen, besser zu erkennen, was ein Hund fühlt, wenn er ein bestimmtes Verhalten zeigt.
Wie der Hund helfen kann, menschliches Verhalten zu erforschen
Wer sich nun freut, die Verantwortung für seinen verhaltensauffälligen Vierbeiner an dessen Gene abgeben zu können, irrt. Die Studienautor*innen relativieren ihre Ergebnisse: Verhalten ist immer ein komplexer Mix aus Genen und Umweltfaktoren. Dazu gehören Aufzucht, Ernährung, das familiäre Umfeld oder Erziehung – bei Mensch und Tier. Zudem stammen die Daten zum Verhalten der Hunde aus Besitzerangaben, die subjektiv sein können.
Trotzdem zeigt die Studie: Verhalten ist zum Teil schon in unseren Genen festgeschrieben. Und dieser Gencode scheint artübergreifend zu funktionieren. Schon zuvor war bekannt, dass Hunde auch Merkmale von Zwangsverhalten, Autismus und Essverhalten aufweisen – und deshalb gut als Modell für menschliches Verhalten dienen können.
Einen entscheidenden Vorteil haben Hunde: Die Effektgröße ihrer Gene, also das Ausmaß, in dem sie über das Verhalten bestimmen, ist größer. Der Grund: Biologisch bedingte Unterschiede werden weniger durch komplexe kognitive Prozesse verwischt, was Zusammenhänge leichter erkennbar macht. Deshalb könnten die übereinstimmend identifizierten Gene interessante Kandidaten für weitere Untersuchungen zur Persönlichkeit sein.
Zudem können die Ergebnisse auch helfen, unsere Fellfreunde besser zu verstehen. Wenn bekannt ist, welche Gene zu Angst, Aggression oder guter Trainierbarkeit beitragen, lässt sich früher einschätzen, welche Eigenschaften ein Hund entwickeln könnte. Das kann einerseits helfen, Hunde gezielter zu fördern. Andererseits könnte es auch eine Rolle bei Zucht oder beispielweise der Auswahl von Assistenzhunden spielen.