Botanik Explosive Pflanze: Forschende entschlüsseln das Geheimnis der Spritzgurke

Forschende haben unter anderem herausgefunden, wie Spritzgurken die Flugbahn ihrer Samen optimieren
Forschende haben unter anderem herausgefunden, wie Spritzgurken die Flugbahn ihrer Samen optimieren
© Frank Hecker / Alamy / Alamy Stock Photos / mauritius images
Die Spritzgurke ist eine Meisterin des Samenwurfs. Ihre Samen fliegen nicht nur bis zu zwölf Meter weit, sondern auch noch gut verteilt. Forschende filmten und analysierten den Vorgang nun exakt

Die Spritzgurke schießt ihre Samen nicht mit dem größtmöglichen Druck hinaus, den sie erzeugen kann. Stattdessen verlagert die Pflanze wässrigen Schleim aus der Frucht in den Stängel, damit dieser sich aufrichtet und die Frucht in eine günstige Position bringt, um den Samen weit zu schleudern. Diese und andere Erkenntnisse zum Samenwurf der Pflanze beschreiben britische Wissenschaftler im Fachjournal "Proceedings of the National Academy of Sciences" ("PNAS").

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Wenn die Frucht der Spritzgurke (Ecballium elaterium) reif ist und vom Stängel abreißt, entsteht eine der schnellsten Bewegungen im gesamten Pflanzenreich: Die Samen werden mitsamt eines wässrigen Schleims mit hoher Wucht aus der entstandenen Öffnung geschleudert – wie durch eine Düse.

Erst sehr prall, dann weniger

Dass die Spritzgurke ihre Samen so verbreitet, ist seit dem Altertum bekannt. Doch es gibt kaum neuere Untersuchungen zum Mechanismus. Um den Vorgang besser zu verstehen, kombinierte eine Gruppe um Chris Thorogood von den University of Oxford Botanic Garden in Oxford mehrere Experimente, Hochgeschwindigkeitsvideoaufnahmen, quantitative Bildanalyse und mathematische Modellierungen.

Eine überraschende Erkenntnis ist dabei, dass die Frucht einige Tage vor dem Samenwurf praller ist als beim Ausstoß selbst. Knapp vier Tage vor dem Samenwurf hatte die Frucht einer Beispielpflanze eine Länge vom 3,5 Zentimetern und eine Dicke von 2 Zentimetern. Eine halbe Stunde vor dem Samenwurf waren es nur noch 3,3 bzw. 1,94 Zentimeter. Dafür stieg der Stängeldurchmesser von 0,34 auf 0,42 Zentimeter. 

Messungen ergaben, dass Stängel und Frucht zusammen nicht schwerer geworden waren. Demnach hat die Pflanze einiges Wasser aus der Frucht in den Stängel verlagert. Dadurch sinkt in der Frucht der Druck, mit dem die Samen herausgeschleudert werden können.

Fast optimaler Abschusswinkel

Mit der Wasserverlagerung streckt sich der Stängel und wird fester. Während die Früchte vier Tage zuvor noch fast senkrecht am Stängel hingen, wiesen sie kurz vor dem Samenwurf im Durchschnitt einen Winkel von 42,7 Grad auf – "was etwas unter dem normalerweise erwarteten optimalen Abschusswinkel von 45 Grad liegt", schreiben die Studienautoren. 

Denn: Ist der Winkel flacher, kommen die Samen nicht weit und fallen in geringerer Entfernung auf den Boden. Ist der Winkel steiler, fliegen die Samen eher hoch statt weit. Mit der Wasserverlagerung in den Stängel optimiert die Pflanze also die Flugbahn ihrer Samen.

Die weiteren Untersuchungen ergaben, dass in der Frucht zu Beginn des Samenwurfs ein Druck von 1,7 bar herrschte. Dieser sorgt dafür, dass die etwa 50 Kerne mit einer Geschwindigkeit von bis zu 80 Kilometer pro Stunde ausgestoßen werden. Wenn sich die Frucht leert, wird der Druck geringer und die Geschwindigkeit verringert sich auf 25 bis 36 Kilometer pro Stunde. 

Dadurch fliegen einige Samen zwölf Meter weit, die anderen zunehmend weniger. Nach 30 Millisekunden ist alles vorbei. "Die Samenverbreitung bietet nicht nur eine Möglichkeit zur Kolonisierung neuer Umgebungen, sondern kann auch den Wettbewerb zwischen benachbarten Pflanzen verringern", begründen die Studienautoren den evolutionären Vorteil des Samenwurfs der Spritzgurke.

Stefan Parsch, dpa