Schon zur Kolonialzeit bewunderten die Menschen in Brazzaville Studenten und Intellektuelle, die von einem Aufenthalt in Paris verwandelt heimkehrten. Mit Nadelstreifenanzug, Hut, Brille, Lederschuhen, Gehstock, bis hin zur künstlichen Glatze und einem vorgetäuschten Bauchansatz imitierten die Kongolesen den Stil der weißen Bourgeoisie.
Als bien sapé, schick gekleidet, wurden die Nachahmer wiederum selbst zum Vorbild junger Männer, die sich irgendwann, in den 1970er Jahren, den Namen "Sapeurs" gaben und, eine Dekade später, in "La Sape" zusammenfanden: der "Société des Ambianceurs et des Personnes Elégantes". Die Gesellschaft der Stimmungsmacher und eleganten Menschen, ein loser Bund von Dandys, zählt mittlerweile Tausende Anhänger bis in die kongolesischen Quartiere von Paris, London und Brüssel hinein.
Und die Imitation französischen Schicks hat sich längst, durch grelle Farbkombinationen und theatralisches Auftreten, zu einem eigenen afrikanischen Stil entwickelt. Doch Bacongo, die Wiege der Sape, ist weiterhin das Epizentrum, wenn die Hunderte Eleganten der Einmillionenstadt am Sonntag aufeinandertreffen.
Ein Sapeur trotzt seinem Schicksal
Jeder ist hier gleichzeitig Zuschauer und Akteur. Jeder will auffallen – mit seinem Stil und seinem Sape-Pseudonym, aber, vor allem, mit unverwechselbaren allures, dem eigenen Repertoire an Gesten, Posen, Grimassen und Charakteren, die er spielerisch verkörpert. Eine postkoloniale Parodie. Eine Commedia dell’ Arte in Purpurrot, Kanariengelb, Pistaziengrün, Himmelblau.
Wer sich in Bacongo exklusiv kleidet, beweist allen, dass er, trotz aller Widrigkeiten, Herr seines Schicksals geblieben ist. Erst die griffes, die Designermarken aus Frankreich oder Italien, sind die Trophäen, die das Wunder der Verwandlung schaffen. Sie katapultieren ihren Träger in die Welt des Luxus und der Macht, spenden ihm eine fiktive, aber real gefühlte neue Identität.
Designerkleidung als politischer Protest
In der Elite der Stadt finden sich kaum Sapeurs. In Vierteln wie Bacongo ist ausgefallene, edle Mode für die Männer oft der einzige Weg, sichtbar zu werden und eine Spur zu hinterlassen.
Der Griffe-Fetischismus war Anfang der 1980er Jahre vom gegenüberliegenden Kongoufer nach Brazzaville geschwappt – aus Kinshasa, der Hauptstadt der sechsmal größeren Demokratischen Republik Kongo. Mit Armani- Anzügen, deren Etikett er provokativ dem kreischenden Publikum hinhielt, rebellierte damals der Kongo-Rumba-Musiker Papa Wemba, „Le Pape de la Sape“, gegen die vom Diktator Mobutu ausgerufene Kampagne der Reafrikanisierung. Die hatte westliche Kleidung, sogar BHs und Krawatten, verbannt.