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Unser Plan war wirklich gut. Noch besser war nur, dass er nicht aufging. Das wussten wir aber noch nicht, als meine Frau Kirsa und ich mit einer Fähre durch die Adria in Richtung Griechenland pflügten. Mit dem Land Cruiser, den ich umgebaut hatte und der nun auf dem Oberdeck des Schiffes parkte, wollten wir sechs Wochen durch Albanien, Montenegro und Kroatien fahren. Um günstig unterwegs zu sein, hatten wir die Fähre gebucht: Sie kostet nur rund 290 Euro von Italien nach Griechenland und spart neben Benzin wertvolle Urlaubszeit. Über die Balkanländer, so der Plan, sollte es schließlich ganz langsam zurück nach Bremen gehen. Während wir an Bord schliefen, ließen wir Italien rechts und die Balkanländer links liegen und hielten Kurs auf die Peloponnes. Am Morgen kamen wir an. Nicht dort, wo wir hinwollten, aber dort, wo wir sein wollten, wie wir bald merkten.
Die erste Essenz: Wie simpel oft das Glück ist
Und das kam so. Ich habe noch den Moment vor Augen: Westlich von Patras lenke ich unseren Wagen auf einen Strand. Eigentlich wollten wir nur ein Stück ins Landesinnere der Peloponnes und dann umdrehen, um unserer geplanten Route nach Albanien zu folgen. Doch nun stehen wir allein im goldgelben Sand. Weit und breit kein anderer Mensch. Das Wasser des Ionischen Meeres schimmert in Türkis, changiert ins Azur, und sogar Kirsa, die immer sagt, sie bade nicht gern im Meer, springt hier ins Wasser. Es ist warm, wir können bis auf den Grund sehen. Und schon jetzt, an diesem Strand, weht uns ein erster Hauch von Glück an. Ein leises, ein unverhofftes Gefühl, in diesem Moment an genau dem richtigen Ort zu sein. Wir beide haben einiges von der Welt gesehen, auch Strände, die spektakulärer waren als dieser. Aber kommt es darauf an? Meist dauert es, bis sich die Unbeschwertheit auf Reisen einstellt, bis der Alltag aus dem Gepäck verschwindet. Rund zwei Wochen im Normalfall. Das war bei unseren früheren Reisen so, bei einem Roadtrip in den USA und bei einer Tour durch Afrika. Hier, so kommt es mir vor, ist es anders. Eine Art Instant-Glück.
Gleich hinter dem Hafenstädtchen Methoni fahren wir fünf Tage später eine schmale Schotterstraße hinauf. Immer höher geht es, bis wir bei einer Kapelle halten. Sie ist dem Propheten Elias geweiht. Schlicht, aus Steinen, in den Farben des Sandes. Vor uns liegt die Marotte-Bucht, unbewohnt und wild. Über uns ballen sich Regenwolken, aus denen es unvermittelt zu schütten beginnt. Unter dem Vordach der Kapelle sehen wir zu, wie der Regen einen Vorhang bildet, der sich zuzieht, bis plötzlich der Himmel wieder aufreißt. Es gibt ein Foto von der Szene kurz vor dem Wolkenbruch. Wir beide Hand in Hand vor diesem Schauspiel. Es ist, zugegeben, kitschig. Aber es entspricht so sehr unserem Gefühl in dem Moment: Die Reise auf dem Peloponnes wird eine besondere werden. Diese Halbinsel, deren Umriss von oben drei Finger und einen Daumen zeigt. Der erste Finger, Messenien: fruchtbar und grün. Der Mittelfinger, Mani: karg und romantisch. Der dritte Finger, Südost-Lakonien: schroff und einsam. Der Daumen, Argolis: gebirgig und lieblich, voller Orangenbäume.
Es sind gerade mal fünf Tage vergangen. Doch der Peloponnes hält uns längst gefangen, wie Kirke, die Zauberin aus der griechischen Mythologie, die Seefahrer mit ihrem Gesang anlockte und nicht mehr weiterziehen ließ. Wir ahnen: Mit Albanien wird das nichts mehr, zumindest auf dieser Reise, auch nicht mit Montenegro und Kroatien. Wir beschließen, einmal gegen den Uhrzeigersinn die Küste des Peloponnes entlangzufahren, weiter durch Lakonien, Arkadien, Argolis, Korinth. Einmal um die Halbinsel sind es 1800 Kilometer, sagt Google Maps.
Die zweite Essenz: Bleib doch einfach!
Vor zwei Jahren, als die Pandemie sich ausbreitete, begann ich unseren Land Cruiser auszubauen. Ein Zeltdach, Kisten zum Verstauen, ein ausziehbarer Tisch. Basic-Ausstattung. Schon als junger Fotograf hatte ich mich mit einem solchen Wagen in Australien herumgetrieben. Doch dieser Land Cruiser ist stabiler, geländegängiger, weltreisegeeigneter. Er macht uns unabhängig. Wir müssen nicht in mittelmäßigen Hotels vom Bett aus auf rotierende Deckenventilatoren starren. Wir entscheiden selbst, auf was wir starren: am liebsten aufs Meer. Deshalb fahren wir auch an der Küste entlang. Das ist ein wenig wie entlangsegeln.
Auf einer schmalen Straße Richtung Plitra zieht plötzlich Sturm auf, Böen schäumen die Wellen. In einem Apartment trifft der Wind auf Mauern, auf dem Zeltdach unseres Land Cruisers trennt Naturgewalt und Mensch nur eine dünne Schicht Stoff. Deswegen suchen wir nach einer Bucht, in der Felswände uns vor dem Sturm schützen. Wir zoomen auf Google Maps und entdecken eine. Als wir in die Bucht bei Plitra einfahren, stehen da schon andere: ein Kastenwagen, limettengrün, ein Bus und am Rande des Zufahrtswegs ein großes weißes Wohnmobil mit schwarzer Schnauze. Bestimmt Rentner, denke ich. Doch dessen Besitzer entpuppen sich als weltenbummelndes junges Pärchen.
Sympathie und schließlich eine Outdoor-WG. Kirsa flechtet Ella die Haare, ich gebe Lena aus Landshut einen kleinen Fotokurs. Nachmittags kochen wir gemeinsam. Die Oliven, das Gemüse, Garnelen-Saganaki, Krabben mit überbackenem Feta – wir decken uns günstig auf Märkten ein. Abends zünden wir ein Lagerfeuer an, reden, schauen in die Flammen, schweigen. Jemand sagte mir mal: In einem besonders guten Hotel grüßen sich die Gäste und fangen an, miteinander in Kontakt zu kommen. Bei einer besonders guten Bucht ist das offenbar genau-so. Am nächsten Morgen verlässt keiner der Wagen die Bucht. Auch nicht am übernächsten. Natürlich hätten wir abfahren können. Aber was das Reisen für mich besonders macht, ist das Sich-Treiben-Lassen. Und die Freiheit, zu bleiben. Das schont auch das Budget. Mit einer weiteren Tankfüllung hätten wir Athen erreicht. Die sparen wir uns. Stattdessen staunen wir über den Sternenhimmel. Auch das Aufwachen mit Blick auf die Wellen ist unbezahlbar. Und nicht einmal der Stellplatz kostet uns etwas.
Die dritte Essenz: Kleine Begegnungen können große Wirkung haben
In Gythio, einem Küstenstädtchen im Süden, sehen wir nur verschwommen die lange Promenade und marmorne Treppen. Wir flüchten vor dem Regen in ein kafenio. Das ist nicht irgendein Café, wie es sie zuhauf in allen größeren Städten gibt. Es ist der vielleicht griechischste Ort auf dem Erdball. Hier sitzen bevorzugt die Männer der Stadt, trinken Mokka aus kleinen Tassen, schieben die Perlen ihrer Komboloi-Kette hin und her, schauen hinaus auf die Gassen oder auf die Zeitung auf ihren Knien. Es gibt kafenía fast überall in Griechenland.
Wir bestellen einen griechischen Kaffee, dunkel, mit Bodensatz und viel Zucker. Rund 1,50 Euro die Tasse. Sofort gesellen sich Stammgäste dazu. Wortfetzen fliegen umher. Griechisch, Englisch, eingestreut ein deutsches Wort. Wo die Besucher herkommen, wollen die Männer wissen. Deutschland? Wollt ihr ein Haus kaufen? Oder ein Motorrad, alt, aber gut erhalten? Was habt ihr bisher gesehen? Wir erzählen von der Reise und werden sofort belohnt. Mit Tipps. Er habe da einen Fischerfreund, der hätte möglicherweise ein nettes Plätzchen zum Übernachten, sagt ein Mann. So landen wir in dieser Nacht in dem Apartment des Fischers, für 60 Euro, mit Blick auf die Insel Kranai, samt Pinienwäldchen und Leuchtturm. Angeblich soll auf dieser Insel die schöne Helena ihre erste Liebesnacht mit Paris auf ihrer Flucht nach Troja verbracht haben.
Uns begegnen sie immer wieder, die griechischen Mythen – und die griechische Offenheit. In Nafplio entdeckt Kirsa ein Kurzwarengeschäft. Sie hat ein Gespür für Läden mit ausgefallenen Stoffen, viele Jahre war sie Schneiderin am Theater. Theodoros Papathanassíou, Besitzer in vierter Generation, beugt sich über den Tresen. Wir kommen sofort ins Gespräch, reden über handgenähte Flaggen, deutsch-griechische Geschichte, darüber, was ihn und uns verbindet, über edles Tuch. Kirsa kauft Seidentüll, den man hierzulande selten findet. Und vergisst ihn im Laden. Papathanassíou eilt uns hinterher, reicht Kirsa die Tüte. Einmal hat unser Land Cruiser eine Schraube locker. Wir fahren in eine Werkstatt. Ich helfe ein wenig, reiche dem Mechaniker Werkzeug an. Nach einer Stunde sind wir fertig. Ich will bezahlen, doch er winkt ab. Nur unter Protest nimmt er schließlich zehn Euro an.
Nach rund 1800 Kilometern und nur 2800 ausgegebenen Euro in sechs Wochen müssen wir einen Schlussstrich ziehen. In Deutschland wartet der Alltag, warten Nachbarn darauf, nicht mehr Blumen gießen zu müssen. Als wir wieder die Fähre besteigen, nehmen wir den Peloponnes mit, wie ein Parfüm. Nur einen Hauch, aber doch wirkungsvoll. Und wir wissen, wie wenig so viel gekostet hat.
Günstig auf den Peloponnes – Tipps für die Anreise
Hauke Dressler kam für etwa 750 € auf den Peloponnes, von Bremen aus eine etwa 2000 Kilometer lange Anreise bis Bari. Um Zeit, Sprit und Maut zu sparen, nahm er die Fähre von Bari nach Patras, 290 € für zwei Personen samt Fahrzeug, Übernachtung im Auto, auf Deck, mit dem Camping-on-Board-Tarif. Die Fähre legt auch von Ancona oder Venedig ab, anekitalia.com. ADAC-Mitglieder bekommen Prozente.
Wer kein eigenes schlaf-taugliches Gefährt besitzt, wird bei camper-greece.com für 120 €/Nacht fündig oder mietet ein privates Fahrzeug über paulcamper.de ab 65 €/Nacht. In diesem Fall erst einmal auf und in eine günstige Airline setzen, etwa Frankfurt–Kalamata mit Condor ab 89,99 € (Mai–Oktober) oder ganzjährig mit Aegean, Frankfurt–Athen ab rund 79 €.
Mit dem Camper nach Griechenland: Kosten und Reisetipps
Im Milliarden-Sterne-Hotel einschlafen und mit Meerblick aufwachen – ganz ohne Kosten? Wildcampen ist in Griechenland zwar offiziell nicht erlaubt, wird aber in der Nebensaison fast überall geduldet. Bei vielen Tavernen ist zudem das Übernachten auf dem Parkplatz kostenlos, wenn man dort speist. Die App "park4night" von Campern für Camper hilft bei der Stellplatzsuche, "fuelGR" zeigt die Tankstellen der Umgebung und den besten Spritpreis.
Unser Team hat den Peloponnes von Patras entgegen dem Uhrzeigersinn entlang der Küste über Methoni nach Korinth umrundet, am schönsten gestanden hat es in einer Bucht bei Methoni, an der Südspitze von Mani, und auf der Insel Elafonisos. Wer ein Hotel dem mobilen Zuhause vorzieht, liegt etwa im "Lido Hotel" in Xylokastro schön und günstig. lido-hotel.net, DZ ab 35 € p. P.
Griechenland ist – wie die meisten anderen Reiseländer auch – teurer geworden, manche Hoteliers haben gleich 30 Prozent zum Vorjahrespreis aufgeschlagen. Dennoch bekommt man dort mehr für sein Geld als etwa an Nord- oder Ostseeküste. Am günstigsten reist, wer in der noch warmen Nebensaison im Oktober oder von April bis Mai unterwegs ist und wie unser Team an einem Ort länger verweilt. Das spart Sprit. Auch Campingplätze und Unterkünfte haben niedrigere Preise.
Im Vergleich zu den südlichen Ländern mit Meerflair wie Italien, Spanien und Kroatien steht es sich mit Camper in Griechenland gut. Durchschnittlich 26 € kostet eine Nacht auf dem Campingplatz, in Italien sind es knapp 40 €. Für einen Tavernen-Besuch muss man in Griechenland etwa 15 € rechnen. Eine prima Alternative ist "Laiki", was wie "lecker" klingt und der griechische Begriff für Wochenmarkt ist. Etwa in Nafplio, (mittwochs und samstags) oder in Agora Petalidi (freitagnachmittags). Feta und Spinattaschen gibt es hier für rund 1,50 €. Auch ein Kilo Granatäpfel kosten gerade mal 1,50 €. Und von Griechenland kann es gleich weitergehen: Die Nachbarn Albanien und Türkei gehören aktuell zu den günstigsten Urlaubsländern.
Gythio
Im "Greg’s Seaview Apartment" für 60 € nächtigen und morgens zur vorgelagerten Insel Kranai zum Leuchtturm spazieren (über airbnb.de). Danach die neoklassizistischen Bauten in der Hafenstadt bewundern und in einem kafenio einen griechischen Mokka für rund 1,50 € schlürfen. Besser kann der Tag nicht starten.
Monemvasia
Im "Café Malvasia" unter knorrigen Olivenbäumen sitzen, an einem Frappé nippen und aufs Meer schauen – ein perfekter Ort zum Tagträumen (bastionemalvasia.gr/cafe-malvasia). Im Byzantinischen Reich galt die Festung der heute (wie damals) autofreien Kleinstadt als uneinnehmbar: Sie thront auf einem wuchtigen Felsen.
Nafplio
Durch Gassen mit Kopfsteinpflaster und Klappläden wandern. Kirsas Geheimtipp für gute Stoffe, Garn und Knöpfe: das Kurzwarengeschäft in der Plapoutta-Str. 4. Besitzer Theodoros Papathanassíou führt es in vierter Generation und hat viel zu erzählen.
Insel Elafonisos
Zugegeben, das Eiland gehört nicht mehr ganz zum Peloponnes, sondern liegt im Ionischen Meer an seinem südlichen Ende. Wer von Pounta mit der Fähre übersetzt, zahlt gerade 1 € und ist nur neun Minuten unterwegs. Preis für ein Fahrzeug: 11 €. Auf der Insel bekommt man auf rund 18 Quadratkilometern das Maximum an türkisfarbenem Meer geboten. Erschwinglich, aber unbezahlbar: an "Simos Beach" mit einem Schnorchel selbst zur Meerjungfrau werden.