Die Klimakrise trifft die meisten Lebewesen auf unserem Planeten, aber mit einem Eisbären in der Arktis möchte man wohl am wenigsten tauschen: Weil das Packeis schmilzt, auf dem sie im Winter und Frühjahr Robben jagen, müssen die Tiere immer längere Hungerperioden an Land überstehen. Weil die Nahrung fehlt, pflanzen sie sich immer seltener fort – und wenn doch, sterben ihre Jungtiere häufig. Und weil die Bären ausgehungert in menschlichen Siedlungen nach Nahrung suchen, kommt es immer wieder zu Konflikten, die für die Tiere mitunter tödlich enden. Bis 2050, schätzen Forschende, könnte ein Drittel der weltweiten Eisbärpopulation verschwunden sein.
Für die Überlebenden wird die Existenz deutlich härter – und schmerzhafter. Forschende der University of Washington haben den Gesundheitszustand zweier Eisbärpopulationen in der Arktis untersucht und herausgefunden, dass das durch die Erwärmung veränderte Meereis zu schweren Verletzungen an den Tatzen der Eisbären führen kann. In einer im Fachmagazin "Ecology" veröffentlichten Studie dokumentieren sie Risswunden, Haarausfall und Hautgeschwüre. Außerdem klebt das schmelzende und wieder gefrierende Eis an den Tatzen der Tiere fest, was die Fortbewegung extrem schmerzhaft oder gar unmöglich macht.
"Neben den erwarteten Folgen des Klimawandels wird es noch andere, unerwartete Auswirkungen für Eisbären geben", sagt die Hauptautorin der Studie, Kristin Laidre, in einer Mitteilung der Universität Washington. "So seltsam es klingt, mit der Klimaerwärmung gibt es häufigere Frost-Tau-Zyklen mit mehr nassem Schnee, und das führt zu Eisbildung an ihren Pfoten."
Verletzungen sind ein neues Phänomen
Die Forschenden untersuchten zwischen 2012 und 2022 zwei Eisbärpopulationen oberhalb des 70. nördlichen Breitengrades: Im Kane-Becken zwischen Kanada und Grönland wiesen 31 von 61 untersuchten Tieren eisbedingte Verletzungen auf, in Ostgrönland waren nur 15 von 124 Individuen betroffen. Allerdings wurden dort zwei Tiere mit bis zu 30 Zentimeter großen Eisblöcken an den Fußballen gefunden, die tiefe blutende Schnittwunden verursachten und das Laufen praktisch unmöglich machten.
"So etwas habe ich noch nie gesehen", sagt Laidre. "Die Eisklumpen hatten sich nicht nur im Fell verfangen. Sie waren mit der Haut versiegelt, und wenn man die Pfoten abtastete, konnte man sehen, dass die Bären Schmerzen hatten." Die Forschenden betäubten die Tiere und entfernten die Eisklumpen. Sie gehen davon aus, dass es sich bei den Verletzungen um ein neues Phänomen handelt: Weder die Forschenden, die die beiden Populationen seit den 1990er-Jahren studieren, noch alteingesessene indigene Jäger haben zuvor von solchen Verletzungen berichtet.
Vermutet wird, dass ausgerechnet die Höcker an den Tatzenballen, die den Tieren Halt auf dem glatten Eis geben, bei steigenden Temperaturen zum Problem werden. Zwischen ihnen verklumpt der Schnee, der durch den mit dem Klimawandel zunehmenden Regen feucht und matschig wird – und schließlich wieder gefriert. Denkbar ist auch, dass durch Wärmeperioden der Schnee an der Oberfläche zunächst schmilzt und dann wieder gefriert, die schweren Tiere durch die Eiskruste brechen und sich an den scharfen Kanten die Pfoten aufschneiden. Oder dass dort, wo Süßwassergletscher auf dünner werdendes Meereis treffen, Meerwasser in den Schnee sickert, der an den Tatzen der Eisbären verklumpt. In jedem Fall aber sind die Verletzungen letztlich auf den Klimawandel zurückzuführen.
Für die Tiere könnten diese nicht nur schmerzhaft sein, sondern sie in schwereren Fällen sogar daran hindern, im Frühjahr erfolgreich zu jagen und so Energie für das ganze Jahr zu sammeln. Mit fortschreitender Erwärmung, schreiben die Forschenden, könnte dies weitreichende Auswirkungen haben – nicht nur für einzelne Tiere, sondern für die gesamte Population.