Ein seltsamer Wind kündigte den Überfall an. Adorame Rasoamanana trat vor seine strohgedeckte Kirche und erstarrte: Eine flache, graue Wolke raste über die Hügel, über die Reisfelder auf sein Dorf im Westen Madagaskars zu. So dicht und riesig war sie, dass sie den Horizont verdunkelte. Der Mann, Religionslehrer im Ort, läutete die Glocke, so laut er konnte - und brüllte: "Valala!", Heuschrecken! Sekunden später stürmten Frauen, Männer, Kinder mit Spaten, Tüchern und Fackeln in Richtung ihrer Felder, schrien, wedelten, tobten, setzten Gras in Brand. Vergebens.
Abermillionen Heuschrecken warfen minutenlang einen Schatten auf das Dorf. Ihre Flügel raschelten wie Seidenpapier. Dann ergoss sich die mehrere Quadratkilometer große Wolke als ein zuckender Teppich über die Reisterrassen und Maisfelder: Braun-orange gefärbt waren die Insekten, fingerdick, mit Kiefern, die jeden Halm, alles Grün zermalmten.
Als der Schwarm drei Stunden später aufflog, war das Land wie kahl rasiert, 80 Prozent der Reis- und Maisernte waren zerstört. "Wir heulten vor Verzweiflung", erzählt Rasoamanana. "Wir leben ja nur von dem, was unsere Felder hergeben. Wer nichts erntet, der isst nichts." Eine Naturkatastrophe. Eine, die hätte verhindert werden können.
Bereits 2010, ein Jahr nachdem sich in Madagaskar ein 34-jähriger Medienunternehmer an die Macht geputscht hatte, fürchteten Experten der Welternährungsorganisation FAO den Beginn einer Heuschreckenplage. Doch viele der internationalen Geberländer waren nicht bereit, die illegitime Regierung finanziell bei der Organisation eines Präventivschlags zu unterstützen. Also breiteten sich die Heuschrecken ungestört aus.
Versäumnis mit verheerenden Folgen
Seit April 2012 bedrohen Schwärme, die auf Größen von bis zu 50 Quadratkilometern heranwachsen können, den West- und Südwestteil der Insel - eine Fläche fast so groß wie Frankreich. Ein Schwarm solcher Dimension braucht täglich etwa so viel Tonnen Nahrung wie die Einwohner von Paris. In Gefahr sind Felder und Existenzen von 13 Millionen Menschen, die auch ohne Insektenplage zu den Ärmsten der Welt gehören.
Doch nun kommt Rettung, und sie kommt wie die Plage vom Himmel. Mitte Dezember 2013 kreist ein Hubschrauber über dem Dorf Ankiranomena, auf dem in großen Lettern steht: "FAO - Nothilfe Valala". Heraus steigt die Heuschrecken-Expertin Annie Monard, eine Französin, die genauso herzhaft über die verpfuschte Prävention fluchen kann, wie sie jetzt die aufwendigste FAO-Anti-Heuschrecken-Kampagne koordiniert, die Madagaskar je erlebt hat. Angelegt auf drei Jahre, 44 Millionen US-Dollar teuer, finanziert nun doch von internationalen Gebern, darunter der EU. Ihre Waffen: Hubschrauber, Sprühflugzeuge und über 100.000 Tonnen Insektizide. Vor allem jedoch die präzise Kenntnis des Gegners Locusta migratoria capito - der Madagassischen Wanderheuschrecke.
Lesen Sie die ganze Reportage im GEO Magazin Nr. 5/2014.