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Zugvögel "sehen" das Erdmagnetfeld

Beim Vogelzug spielt offenbar ein giftiges Molekül eine entscheidende Rolle. Es macht das Magnetfeld der Erde für die Tiere direkt sichtbar

Von jeher versetzt der exakte Orientierungssinn von Zugvögeln Menschen in Staunen. In den vergangenen Jahren konnten Forscher über diese Fähigkeit immer mehr herausfinden. Nun lüfteten Wissenschaftler der Universität von Illinois ein weiteres Geheimnis.

Zugvögel können bei ihren Wanderflügen rund um den Globus nur deshalb so genau navigieren, weil sie sich am Verlauf der Erdmagnetfeldlinien orientieren. Dabei machen sie sich die unterschiedlichen Einfallswinkel der Magnetfeldlinien zunutze. Am Äquator verlaufen die Magnetfeldlinien parallel zur Erdoberfläche, ihr Winkel verändert sich dann graduell, bis hin zu den Polen, wo sie schließlich senkrecht zur Oberfläche stehen. Zugvögel sind in der Lage, den Neigungswinkel der Magnetfeldlinien relativ zur Erdoberfläche zu bestimmen. Auf diese Weise können sie unterscheiden, ob sie sich in Richtung der Pole oder zum Äquator hin bewegen.

Zugvögel - hier Kraniche - orientieren sich bei ihren Wanderungen auch am Magnetfeld der Erde
Zugvögel - hier Kraniche - orientieren sich bei ihren Wanderungen auch am Magnetfeld der Erde
© Keren Su/Corbis

Orientierung und Sehen nutzen dieselben Hirnregionen

Bereits vor zwei Jahren konnten deutsche Wissenschaftler zeigen, dass Zugvögel für die Orientierung am Erdmagnetfeld dieselben Hirnregionen nutzen, die auch für das Sehen aktiviert werden. Dazu untersuchten sie die Hirnaktivität von 21 Gartengrasmücken. Die Informationen des Erdmagnetfeldes wandern dabei - entsprechend visueller Eindrücke - über den Thalamus in den vorderen Hirnbereich. Seit 2000 war zudem bekannt, dass Cryptochrom - ein Blaulichtrezeptor im Auge von Vögeln und anderen Tieren - ein entscheidender Bestandteil des geomagnetischen Sinns von Zugvögeln ist. Diese Einschätzung konnte Klaus Schulten von der Universität von Illinois treffen, nachdem klar wurde, dass Magnetfelder im Stande sind, biochemische Prozesse zu beeinflussen.

Trotz des weit fortgeschrittenen Erkenntnisstandes war bislang jedoch ungeklärt, mit welchem Molekül Cryptochrom interagiert. Die Aktivität von Cryptochrom basiert auf Elektronenübertragungen, die die freie Eigenbewegung der Elektronen zur Folge haben. Die schwingenden Elektronen verhalten sich wie ein Kompass. Verändert nun ein Zugvogel seine Flugrichtung, ändert sich damit auch das elektromagnetische Feld, das auf ihn wirkt. Dadurch wird der geomagnetische Kompass neu justiert und der Vogel "sieht", ob er sich in nörlicher oder in südlicher Richtung bewegt.

Giftiger Helfer

Als ein Assistent im Forscherteam um Schulten erstmals die Vermutung äußerte, bei dem Reaktionspartner von Cryptochrom könne es sich um Superoxid handeln, stieß er zunächst auf große Skepsis. Superoxid ist bisher vor allem als körperschädliches Molekül bekannt. Erst kürzlich konnte festgestellt werden, dass es auch an Zellsignalvorgängen beteiligt ist. Das Superoxid-Anion kann jedoch auch häufig zu Alterung und Zellschädigungen führen. Deshalb gibt es viele Mechanismen, die Superoxid im Körper abbauen, um die schädigende Wirkung zu reduzieren. Gerade die zwingend niedrige Konzentration von Superoxid brachte die Forscher schließlich auf die richtige Spur. Für die exakte Justierung des geomagnetischen Kompasses ist es unerlässlich, dass die beteiligten Komponenten in geringer - wenn auch nicht zu niedriger - Menge vorliegen.

Schulten glaubt auch erklären zu können, warum Menschen - die auch über Cryptochrom-Rezeptoren verfügen - der geomagnetische Sinn fehlt. Möglicherweise habe die Evolution beim Menschen stärker in Richtung Langlebigkeit als zur Orientierungsfähigkeit gewirkt.

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