
Voraussichtlich am heutigen Mittwochnachmittag wird im französischen La Hague unter starken Sicherheitsvorkehrungen der zwölfte Atommülltransport ins niedersächsische Gorleben starten. Vorausgegangen war ein Streit über die Strahlenbelastung in der Nähe des ehemaligen Salzbergwerks. Im August dieses Jahres war bekannt geworden, dass bei aktuellen Messungen erhöhte Strahlenwerte festgestellt worden waren. Der niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) schloss nicht aus, dass mit der bevorstehenden Lieferung von elf weiteren Castor-Behältern der Grenzwert für die jährliche Strahlenbelastung von 0,3 Millisievert überschritten werden könnte. Damit stand die Rechtmäßigkeit des Transports in Frage.
Das zuständige Umweltministerium gab daraufhin Kontrollmessungen und Hochrechnungen durch die Physikalisch-Technische Bundesanstalt in Braunschweig (PTB) und den TÜV in Auftrag. Das Ergebnis: Der Grenzwert wird voraussichtlich auch mit der neuen Lieferung nicht überschritten. Trotz anhaltender Kritik an den Umständen der Messungen und am Vorgehen des zuständigen Umweltministeriums sah Umweltminister Hans-Heinrich Sander (FDP) keinen Grund, den Transport in letzter Minute zu stoppen.
Endlager-Frage weiterhin ungeklärt
Doch nicht nur an den Strahlungswerten scheiden sich in Gorleben die Geister. So stellt sich weiterhin die Frage, ob das ehemalige Salzbergwerk überhaupt als Endlager geeignet ist. Auf Beschluss des Bundestages vom 17. Juni dieses Jahres soll "bundesweit", "ergebnisoffen" und in einem "transparenten Verfahren" nach weiteren möglichen Standorten gefahndet werden.
Zugleich mehren sich die Stimmen von Fachleuten, die am gängigen Endlagerkonzept zweifeln. Das sieht vor, den strahlenden Müll für mindestens eine Million Jahre sicher unterirdisch zu deponieren - ohne ihn zurückholen zu können. Doch niemand weiß, ob solche geologischen Prognosen für solche Zeiträume überhaupt möglich sind. Jüngst forderte darum auch der Niedersächsische Ministerpräsident David McAllister eine Abkehr vom bisherigen Endlager-Konzept. Man solle vor allem gewährleisten, dass der Atommüll leicht aus seinem Lager zurückgeholt werden kann, um ihn gegebenenfalls an anderer Stelle zu deponieren - oder mit noch zu entwickelnden Technologien unschädlich zu machen.
Rekordverdächtiger Mülltransport
Unterdessen werden die Atommüll-Transporte immer aufwändiger. Vor einem Jahr brach der zwölfte Castor-Transport nach Gorleben alle Rekorde. 92 Stunden brauchte der Konvoi von La Hague an der Kanalküste bis ins Wendland - so lange wie nie zuvor. Grund waren zahlreiche Proteste von Atomkraftgegnern in Frankreich, aber vor allem in Deutschland. Bei den deutschen Kernkraftgegnern war die Empörung besonders groß, weil der Bundestag erst eine Woche zuvor beschlossen hatte, die Laufzeiten für deutsche Kernkraftwerke zu verlängern. Die Kosten des Polizeieinsatzes allein für das Land Niedersachsen beliefen sich auf 33,5 Millionen Euro.
Der Transport soll der letzte mit hochradioaktiven Abfällen aus der französischen Wiederaufbereitungsanlage La Hague sein. Voraussichtlich 2014 wird von dort noch einmal mittelradioaktiver Müll nach Gorleben rollen. Ab 2015 sollen dann noch 21 Castoren aus dem englischen Sellafield kommen.
Unser Video informiert über die Aufgaben des Transportbehälterlagers und das umstrittene Erkundungsbergwerk im Salzstock Gorleben.