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Lebensmittelproduktion Palmöl statt Regenwald?

Der globale Bedarf an Palmöl wächst rasant. Das ist schlecht fürs Klima und die Artenvielfalt. Denn Palmöl-Plantagen entstehen fast nur dort, wo ursprünglich Regenwald wucherte

Inhaltsverzeichnis

Palmölplantagen statt Regenwald

Palmöl ist buchstäblich in aller Munde. Schokoladencremes, Kekse, Bio-Margarine - weltweit finden sich 71 Prozent der Palmöl-Produktion in Lebensmitteln wieder. Weitere 24 Prozent gelangen in Kerzen, Seifen, Kosmetika und andere Industrieprodukte. Die restlichen fünf Prozent werden energetisch genutzt, unter anderem in so genanntem Biosprit. Palmöl ist mit einer Jahresernte von zur Zeit 50 Millionen Tonnen noch vor Sojaöl das wichtigste Pflanzenöl der Welt. Und die Zuwachsraten sind schwindelerregend: Seit den 1980er-Jahren haben sich die Plantagenflächen etwa verzehnfacht.

Das bringt Probleme mit sich. Denn Ölpalmen gedeihen nur dort, wo eigentlich Regenwald wuchern sollte: in einem schmalen Bereich rund um den Äquator, zwischen dem zehnten Grad nördlicher und dem zehnten Grad südlicher Breite. So kommt es seit Jahrzehnten zur Verdrängung. Mehr als ein Viertel des tropischen Regenwaldes, der bis 2008 im westlichen Borneo gerodet wurde, ging auf das Konto neuer Palmöl-Plantagen, berichteten Forscher in einer Studie Anfang 2012. Hierbei sind Rodungen, die zunächst der Holzgewinnung dienen, noch nicht mitgerechnet. Tatsächlich geht jedoch beides oft Hand in Hand, sagt Deborah Weinbuch von der Umweltorganisation Rettet den Regenwald: "Meist liefert das Tropenholz die Erstfinanzierung. Der restliche Bewuchs wird abgebrannt, dann folgen die Palmöl-Plantagen."

Und die dehnen sich immer weiter aus. Laut WWF bedecken die zugehörigen Plantagen weltweit schon über zwölf Millionen Hektar. Das entspricht der Fläche der beiden größten Bundesländer Bayern und Niedersachsen. Besonders drastisch ist dies in Malaysia und Indonesien geschehen. Von dort stammen heute 87 Prozent des Öls. Besonders auf der Insel Borneo wird gerodet, Lebensraum von Orang-Utans vernichtet, werden Torfböden trockengelegt.

Lebensmittelproduktion: Palmölplantage auf Borneo: Mit dem Regenwald wird auch der Lebensraum von bedrohten Tierarten, wie dem Orang-Utan, zerstört
Palmölplantage auf Borneo: Mit dem Regenwald wird auch der Lebensraum von bedrohten Tierarten, wie dem Orang-Utan, zerstört
© Juan Carlos Muñoz/age fotostock/Getty Images

Lässt sich das Problem am runden Tisch lösen?

Um den Raubbau in den Griff zu bekommen, rief der WWF schon 2004 den Roundtable on Sustainable Palm Oil (RSPO) ins Leben. Etliche Palmöl-Produzenten, -Händler und -Verarbeiter sind dort Mitglieder, gemeinsam mit einigen weiteren Umweltverbänden. Martina Fleckenstein, Leiterin Agrarpolitik des WWF Deutschland, betont allerdings, dass die Mitgliedschaft eines Unternehmens alleine noch nichts aussage. Sie ist sehr leicht zu erlangen. Erst, wenn das produzierte Palmöl als nachhaltig zertifiziert werden soll, sind die Hürden etwas höher gesteckt. Dann muss etwa nachgewiesen werden, dass nicht auf einem Gebiet mit "hoher ökologischer oder kultureller Bedeutung" angebaut wurde.

Lebensmittelproduktion: Palmöl statt Regenwald?

Palmöl mit Bio-Siegel

Auch solle der Zustand bedrohter Tierarten "ermittelt und ihre Erhaltung in Betracht gezogen werden". Umweltschützer kritisieren, diese Kriterien seien viel zu vage, ganz offensichtlich habe die Industrie beim RSPO klar die Überhand. Und auch beim RSPO geht es um ein weiteres Wachstum des Palmöl-Geschäfts. Doch Monokulturen, die dort gepflanzt werden, wo einst tropischer Regenwald gedieh, dürften nicht auch noch mit einem Nachhaltigkeitssiegel grüngewaschen werden, fordert etwa die Umweltorganisation Rettet den Regenwald.

Selbst der WWF nennt auf seiner Homepage den RSPO inzwischen "kein Öko-Label, sondern eine Mindestanforderung". Dennoch sieht Fleckenstein im RSPO einen ersten Schritt in die richtige Richtung. Unternehmen können seit Juni 2011 das Nachhaltigkeitssiegel des RSPO für ihre Produkte beantragen, "RSPO - Certified sustainable palm oil" steht kreisförmig um das grüne Logo. Langsam findet es nun Einzug in die Supermarktregale, beispielsweise auf Keksverpackungen.

Ein Nischenprodukt: Palmöl mit Bio-Siegel

Doch es gibt auch Palmöl, das nach umfassenden biologischen Kriterien gewonnen wurde. Rund 70 Prozent davon produziert das Unternehmen Daabon in Kolumbien. Im Norden des Landes, an den Ausläufern des Santa-Marta-Gebirges, betreibt es Palmöl-Plantagen auf mehreren Tausend Hektar Land. Hierfür wurde kein tropischer Regenwald gerodet, denn von Natur aus könnten dort weder Regenwald noch Ölpalmen wachsen: Das Klima ist zu trocken. Die Palmen gedeihen dank künstlicher Bewässerung von den nahegelegenen Gebirgsflüssen, erklärt der selbstständige Gutachter und Agraringenieur Karl Müller-Sämann.

Im Auftrag des deutschen Bio-Unternehmens Alnatura reiste er 2010 nach Kolumbien, um sich vor Ort ein Bild von den Daabon-Plantagen zu machen. Was er hier sah, überzeugte ihn, dass ein ökologischer und sozial verträglicher Anbau möglich ist. "Palmöl kann ein Fluch oder auch ein Segen sein", stellt Müller-Sämann fest. Nicht zuletzt hat kein anderes Öl einen so hohen Ertrag pro Hektar Anbaufläche - im Schnitt rund drei Mal so viel wie beispielsweise Rapsöl in Deutschland. Auch darum sehen manche im Palmöl das perfekte Pflanzenfett, um den steigenden Nahrungsbedarf einer wachsenden Bevölkerung zu decken.

Bio-Palmöl wird heute auf weniger als 0,1 Prozent der gesamten Anbaufläche erzeugt. Könnten Daabon und andere biologisch wirtschaftende Unternehmen ein Vorbild für die ganze Welt sein? Für einige Betriebe sicherlich. "Aber nicht in den riesigen Mengen, in denen Palmöl derzeit in Asien produziert wird", ist sich Hildegard Rickert von Daabon Deutschland sicher. Das Dilemma bleibt: Der Verdrängungsdruck der Ölpalmen auf den Regenwald lässt sich nicht bestreiten. Klimatisch steht nur ein begrenztes Anbaugebiet zur Verfügung. Fast immer ist es das der tropischen Wälder. Und keiner kann sagen, wie der Palmölsektor ohne Umweltschäden immer weiter wachsen soll.

Tipps für Verbraucher

  • Findet sich auf der Zutatenliste "pflanzliches Öl" oder "pflanzliches Fett", so ist mit großer Wahrscheinlichkeit Palmöl oder ein Gemisch aus Palmöl und anderen Fetten gemeint.
  • Kommt das Palmöl aus biologischem Anbau, wurde wahrscheinlich kein Regenwald dafür gerodet - auch wenn die Bio-Vorgaben selbst das nicht explizit verlangen.
  • Das Bio-Palmöl der Marken Rapunzel und Alnatura stammt vom Unternehmen Daabon im Norden Kolumbiens, wo auch früher kein Regenwald wuchs.
  • Es gibt nur wenige Bio-Nuss-Nougat-Cremes ohne Palmöl: Nocciolata von Rigoni di Asiago und Nussolade von green
  • Das Siegel des Roundtable on Sustainable Palm Oil (RSPO) findet langsam Einzug auf einzelnen Produktverpackungen: Ein stilisiertes, Globus-umspannendes Palmblatt, darum der Schriftzug "RSPO - Certified sustainable palm oil". Die RSPO-Kriterien werden allerdings von vielen Umweltschützern als zu schwach kritisiert.
  • Manche Hersteller, wie beispielsweise mymuesli, vermerken auf der Verpackung, das verwendete Palmöl stamme aus "Orang-Utan-freundlichem Anbau".
  • Der Konsumentendruck auf konventionelle Lebensmittelkonzerne ist gering. Womöglich könnte ein größeres Bewusstsein in der Bevölkerung die Unternehmen motivieren, auch über den RSPO hinaus Engagement zu zeigen.
  • Wer ganz auf Palmöl verzichten will, hat es schwierig: Fertiggerichte sind dann ebenso tabu wie fast alle Kosmetika, Seifen und Waschpulver. Im Internet werden weiße Listen palmölfreier Produkte geführt; beispielsweise auf der Seite "Produkte ohne Palmöl". Dort findet sich auch ein nützlicher Schnellcheck all der chemischen Derivate, die unter anderem aus Palmöl gewonnen werden.

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