Wann leihe ich mir schon mal etwas aus. Vielleicht mal ein Buch von einem Freund oder eine zweite Backform oder so. Wenn ich ehrlich bin, war ich bisher der Meinung, alles selber haben zu müssen, was ich nutze. Dabei ist mir schon klar, dass es durchaus Sinn machen würde, bestimmte Dinge zu teilen. Mache ich nur nicht (von Autos mal abgesehen - siehe Teil II der Serie).
Aber angenommen, es gäbe in meiner Straße einen kleinen Laden, der all die nützlichen Dinge sammelt, die bei meinen Nachbarn im Regal herum liegen und die sie nur selten oder gar nicht nutzen. Jeder könnte zu diesem Laden gehen und sich eine Lastenkarre leihen, eine Tischkreissäge, ein Fondue-Set oder die Nähmaschine, die er selbst hingebracht hat. Alle müssten weniger kaufen, könnten mehr nutzen, hätten weniger herum liegen und mehr Luft zum atmen. Und wir würden uns vielleicht sogar endlich kennen lernen.

Nützliches für alle
Ich fahre zum Leihladen in Berlin Prenzlauer Berg, kurz Leila, der genau das ist - ein Umschlagplatz für ein geldloses Verleih-Netzwerk. Gründer Nikolai Wolfert räumt gerade gespendete Gegenstände in Regale. Er hat den Leila vor gut einem Jahr gegründet, mittlerweile gibt es 300 Mitglieder, die alle mindestens einen nützlichen Gegenstand gespendet haben oder vorübergehend zur Verfügung stellen und selbst leihen können, was der Fundus hergibt - von der Kabeltrommel bis zum Bobbycar, vom Einkochtopf bis zum Bollerwagen, die Leihdauer hängt von der Nachfrage ab. Online können sie nachschauen, was gerade verfügbar ist. Wenn etwas kaputt geht oder nicht zurück gebracht wird, haftet der Ausleiher, für besonders wertvolle Gegenstände muss ein Pfand hinterlegt werden. "Die meisten unserer Mitglieder kommen aus dem Kiez und wohnen maximal 15 Minuten von hier entfernt", sagt Wolfert. Jeden Tag leihen sie aus und bringen zurück, vor allem Mütter kommen häufig vorbei, um neues Spielzeug auszuleihen. "So lernen die Kinder gleich, dass man nicht alles selbst haben muss." Ich spende einen Elektro-Tischgrill, den ich vor zwei Jahren das letzte Mal benutzt habe und werde selbst Mitglied. Zwar wohne ich nicht im gleichen Kiez und der Weg zum Leila wäre zu weit, um Alltagsgüter auszuleihen, aber im Herbst soll ein Ableger in meinem Teil der Stadt entstehen. Ich bin fest entschlossen, dann mehr zu teilen.
Auch im Internet gibt es bereits mehrere Leih-Plattformen. Sie funktionieren wie eine Bibliothek der Dinge mit Online-Katalog, jeder kann etwas hineinstellen und gegen Geld oder kostenlos ausleihen, was andere anbieten. Bei den kommerziellen Anbietern www.eronto.com oder www.lifethek.de leiht man, was die Unternehmen zur Verfügung stellen, bei www.leihdirwas.de oder www.frents.com kann jeder selbst etwas hineinstellen und gegen Geld oder kostenlos ausleihen, was andere anbieten. Wer Abwechslung im Kleiderschrank sucht, wird bei www.pretalouer.de fündig. Ich melde mich an bei www.leihdirwas.de. Die Plattform wirbt damit, dass jeder durch Verleihen Geld verdienen kann und behält 15 Prozent des Erlöses ein. Ich suche nach einer Sackkarre, die ich sehr gut gebrauchen könnte, um eine Waschmaschine zu transportieren. Die gibt es nur in München und Bielefeld, für 5 Euro am Tag. Kleinere Sachen kann man sich sogar zuschicken lassen, aber das ist mir zu aufwendig. Gemeinschaftlicher Konsum funktioniert für mich nur auf lokaler Ebene, nicht per Post, und die Suche nach Dingen in der Nachbarschaft ist bei www.leihdirwas.de leider zu kompliziert. Ich gebe auf.
www.frents.com macht da einen besseren Eindruck. Für Berlin sind hier rund 2800 ausleihbare Sachen auf einer Karte gelistet. Ich schaue nach, was es in meiner Umgebung gibt. Ein paar Häuser weiter bietet jemand Bücher an, darunter "Einkaufen verändert die Welt" und eine Geige. Etwas weiter gibt es einen Beamer, eine Bohrmaschine, Spielkonsolen, ein Teleskop und ein Waffeleisen. Nichts davon brauche ich wirklich, aber Waffeln würde ich schon gerne mal wieder backen und das Teleskop interessiert mich auch, so etwas habe ich noch nie in Ruhe ausprobiert. Der Eigentümer des Waffeleisens meldet sich nicht zurück, aber das Fernrohr kann ich mir eine Woche lang ausleihen, für vier Euro.
Sterne als Vertrauenswährung
Ich treffe den Eigentümer in einem Café in Rixdorf. Er nennt sich Brekky, ist Gärtner und hat einen freien Nachmittag. Er sagt, dass er drei Teleskope zu Hause habe und das Beste verleiht. "Nicht wegen des Geldes, sondern weil andere eine Freude dran haben könnten" sagt er. Ich bleibe noch auf einen Kaffee, wir sprechen über den Kiez und steigende Mieten und überhaupt. Dann klemme ich mir das Teleskop unter den Arm, er hat es extra noch geputzt und die Einstellschrauben geölt.
Ich überlege, welche meiner Sachen ich selbst bei www.frents.com einstellen könnte. Die Nudelmaschine vielleicht? Die brauche ich höchstens zwei Mal im Jahr, eigentlich schade drum, aber will ich sie wirklich an wildfremde Menschen verleihen, auch wenn sie nett sein mögen? Frents.com stellt zwar einen Leihvertrag-Vordruck zur Verfügung, mit dem man Schadensersatz fordern kann, wenn etwas kaputt oder gar nicht zurück gebracht wird, und es gibt ein Bewertungssystem, mit dem man unverlässliche Leiher ankreiden kann. Die gelben Sternchen, die man von Ebay kennt, werden so zu einer Art Vertrauenswährung im Leihgeschäft. Dennoch würde ich die Nudelmaschine lieber im Bekanntenkreis hergeben.
Die Leih-Plattform www.whyownit.com macht das möglich: Mit ihr kann man sich Sachen von Freunden und Bekannten leihen, die diese fotografieren und innerhalb der App veröffentlichen. Wer sich mit seinem Facebook-Account anmeldet, hat gleich einen ganzen Kreis an potenziellen Leihpartnern. Auch Google plant zurzeit eine ähnliche Funktion für das hauseigene Netzwerk Google Plus.
Keine schlechte Idee, aber wollen meine Bekannten das? Und wie viele von ihnen wohnen so nah, dass ich bei ihnen eine Sackkarre abholen würde? Da warte ich lieber auf den Leihladen in meinem Kiez und versuche bis dahin über www.frents.com an ein Waffeleisen zu kommen. Denn Waffeln würde ich wirklich gerne mal wieder backen.