Die aktuelle Corona-Pandemie wirft ein Schlaglicht auf den Handel mit Wildtieren auf Märkten in Asien. Denn das Geschäft mit lebenden Wildtieren gefährdet nicht nur deren Bestände und ganze Ökosysteme – sondern gilt auch als Ursprung neuartiger Infektionskrankheiten, darunter auch SARS-CoV-2. Beide Probleme befeuert auch der Handel in Europa und in Deutschland. Das ist das Ergebnis einer neuen Studie, die Pro Wildlife e.V. im Auftrag des Bundesumweltministeriums (BMU) und des Bundesamts für Naturschutz (BfN) erstellt hat.
Weltweit werden demnach neben kleinen Säugetieren und Amphibien vor allem Reptilien gehandelt – auch entgegen gesetzlicher Bestimmungen. So beschlagnahmte Interpol bei einer Aktion im ersten Halbjahr 2018 rund 27.000 illegal gehandelte Kriechtiere, darunter fast 9.600 Schildkröten und rund 10.000 Schlangen.
Deutschland in der EU der bedeutendste Handelsplatz
Eine „zentrale Rolle“ spielen laut den Autoren der Studie die Länder der Europäischen Union. Allein zwischen 2017 und 2019 importierte die EU laut ihrer Statistikbehörde fast 3,5 Millionen lebende Reptilien, darunter eine Million Tiere aus China. Im selben Zeitraum zählte die Behörde mehr als 700.000 nach Deutschland eingeführte, lebende Reptilien. 200.000 von ihnen stammten aus China. Handelsplätze wie die „Terraristika“ im westfälischen Hamm, nach eigenen Angaben die „weltweit größte Börse für Terrarientiere“, können laut den Autoren der Studie „den illegalen Handel befeuern“. Denn die Grenzen zwischen legalem und illegalem Handel seien oft fließend, und Studien bestätigten, dass manche der dort angebotenen Tiere nicht aus legalen Quellen stammen.
Problematisch ist oft auch ein fehlender Schutzstatus. Etwa drei Viertel aller in Deutschland angebotenen Arten sind nicht durch internationale Abkommen geschützt – oder noch nicht geschützt, zum Beispiel neu entdeckte Arten. So wurde die Mangshan-Viper (Trimeresurus mangshanensis) 1990 erstmals beschrieben – und wegen ihrer attraktiven Zeichnung umgehend weltweit gehandelt. Erst die Aufnahme in das Washingtoner Artenschutzabkommen CITES im Jahr 2013 stoppte die unkontrollierte Jagd auf das Reptil – und bewahrte die Art vor dem Aussterben.
Doch selbst die Aufnahme in die CITES-Liste biete nicht in jedem Fall sicheren Schutz, so die Autoren. Denn Daten zur Populationsgröße fehlten oft, Exportquoten würden willkürlich festgelegt und kaum überwacht, und Wildfänge würden zu „Nachzuchten“ umdeklariert.
Drei Viertel aller neuen Infektionskrankheiten sind Zoonosen
Der Handel mit Wildtieren ist laut Weltbiodiversitätsrat IPBES nicht nur einer der wichtigsten Treiber des Artensterbens. Er bringt auch Gefahren für die menschliche Gesundheit mit sich. Infektionskrankheiten wie SARS, MERS, Ebola, HIV, Bornaviren, Affenpocken und Vogelgrippe seien auf den engen Kontakt von Wildtieren und Menschen zurückzuführen, heißt es in der Studie. Und rund drei Viertel aller neu auftretenden Infektionskrankheiten sind nach Angaben der Weltorganisation für Tiergesundheit sogenannte Zoonosen.
In einem offenen Brief an mehrere Bundesministerien fordern nun zwölf Natur- und Tierschutzorganisationen, darunter der Deutsche Naturschutzring und der Tierschutzbund, ein Verbot des Handels mit lebenden Wildtieren. Das Sars-CoV-2-Virus sei demnach wahrscheinlich über einen Zwischenwirt von Fledermäusen auf einem chinesischen Tiermarkt auf Menschen übertragen worden. „Wissenschaftler warnen schon lange vor den Gefahren, die der Wildtierhandel für den Tier- und Naturschutz und die menschliche Gesundheit birgt. Deshalb müssen mögliche Brandherde für Pandemien und zahlreiche andere Krankheiten angegangen und die Einfuhr von lebenden Wildtieren verboten werden“, sagt Katharina Lameter von Pro Wildlife, die auch an der Studie für das BMU und das BfN beteiligt war.