+++ Kolumne "Alles im grünen Bereich" +++
Als um 1850 der letzte Wolf in Deutschland erschossen wurde, galt es als ausgemacht, dass das ein enormer Fortschritt sei. Jenes Tier, das lange vor dem Menschen durch den europäischen Kontinent streifte, es begegnete uns fortan nur noch in Mythen und Märchen. Jetzt ist er wieder da. Die Rückkehr des Wolfs seit dem Jahr 2000 ist eine beispiellose Erfolgsstory für den Naturschutz. Doch der triumphale Rückkehrer ist ein tragischer Held.
Denn der Wolf, der Inbegriff von „Wildnis“, kehrt in ein Land zurück, in dem das für den Menschen gefährlichste Tier – die Zecke – zwei Millimeter groß ist. In ein Land, das Gefahren durch Wildtiere im Übrigen nicht kennt. Und auch nicht duldet. Grenzüberschreitende Bären werden zu „Problembären“ erklärt und kurzerhand erschossen. Kormorane werden zu Konkurrenten von Fischer stilisiert – und bekämpft. Wo Wildtiere den Deutschen ins Gehege kommen, wird ihnen meist ein kurzer Prozess gemacht.
Platz für 440 Rudel?
Und nun der Wolf. Von Naturschützern einhellig bejubelt, hat sich die Population, seit sich das erste Rudel in Sachsen ansiedelte, vervielfacht. Knapp 60 Rudel leben derzeit in Deutschland, vor allem auf einer Achse quer durch Norddeutschland. Und es werden noch mehr werden. Nach dem Naturschutzgesetz ist der „gute Erhaltungszustand“ der Population in Deutschland noch nicht erreicht. Das Bundesamt für Naturschutz schätzt, dass hierzulande etwa 440 Rudel Platz haben.
Doch schon jetzt zeigt sich: Der Wolf ist keine Gelbbauchunke. Mit eigenen Augen gesehen haben den seltene Amphibie nur wenige – aber in ihrem Tümpel stört sie auch niemanden. Der Wolf dagegen zeigt sich zwar ebenso selten, ernährt sich aber von Säugetier-Fleisch. Auch von Schafen, die ihm in ihren Gehegen wie eine Snackbar erscheinen müssen. Der Konflikt von Tierhaltern, Wildtier und „Nutz“-Tier ist vorgezeichnet.
Wölfe sind keine Sadisten
Man kann Canis lupus an dieser Stelle keinen Vorwurf machen. Er verhält sich eben wie ein Beutegreifer, der auch mal in einen Blutrausch geraten kann. Wölfe sind keine Sadisten. Doch Schafe, die auf engstem Raum eingesperrt sind, können nicht flüchten - und werden so zu Opfern grauenhafter Massaker. Für die friedfertigen Vegetarier, die, nebenbei gesagt, enorm wichtig für die Landschaftspflege und den Naturschutz sind, ist das ein Martyrium. Das wird gerne vergessen, wenn von „Nutztierschäden“ und Entschädigungen für Tierhalter die Rede ist.
Es ist dieser Umstand, der Naturschutzverbände in ein Dilemma manövriert. Denn es gilt das Recht des Wolfes auf Ausübung seiner natürlichen Lebensweise und Nahrungsbeschaffung ebenso zu sichern wie das Recht von Schafen und Ziegen, nicht zerfleischt zu werden. Wollen wir also weiterhin Schafe als Landschaftspfleger, so müssen Herdenschutzmaßnahmen zügig und unbürokratisch gefördert und getroffen werden. Die Erfahrung zeigt, dass dort, wo Halter schon an die Gegenwart von Wölfen gewöhnt sind, weniger Weidetiere getötet werden.
Gleichzeitig muss die Tötung einzelner Wölfe – die unter normalen Umständen mit bis zu fünf Jahren Gefängnis bestraft werden kann – legitimiert werden, wie es die „Lex Wolf“, der Gesetzentwurf des Bundesumweltministeriums vorsieht. Und zwar ganz ausdrücklich nur in begründeten Ausnahmefällen und auf behördliche Anordnung.
Dieser Zoll ist wohl zu zahlen, wenn das Projekt „Der Wolf in Deutschland“ nicht insgesamt gefährdet werden soll. Das haben auch die Naturschutzverbände verstanden.